Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

LANDWIRTSCHAFT/025: Indien - Klimaresistenter Landbau in Bundelkhand (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. August 2012

Indien: Dem Wetter ein Schnippchen schlagen - Klimaresistenter Landbau in Bundelkhand

von Keya Acharya

Die Felslandschaft von Bundelkhand - Bild: © Keya Acharya/IPS

Die Felslandschaft von Bundelkhand
Bild: © Keya Acharya/IPS

Bundelkhand, Indien, 24. August (IPS) - In Tajpura, einem Dorf in Indiens dürregeplagtem Norden, stehen die für die Region typischen Lehmhäuser mit ihren kleinen Innenhöfen, in denen angepflockte Ziegen an ihren Stricken zerren. In den Räumen ist es angenehm kühl.

Tajpura liegt in Bundelkhand, einer kargen Felsenlandschaft, die sich über die Bundesstaaten Uttar Pradesh und Madhya Pradesh erstreckt. Hier erinnern Festungsruinen an vergangene Kriege, während die Überbleibsel alter Bewässerungsanlagen von Zeiten des Friedens und Wohlstands zeugen.

Doch das war einmal. Heute leidet Bundelkhand unter schwerwiegenden, von Menschen gemachten Problemen. Eine missratende staatliche Land- und Wasserpolitik hat die Lebensbedingungen in dem häufig von Dürren heimgesuchten Habitat weiter verschlechtert. In den 1960er Jahren hatte man zu allem Übel aus Flugzeugen die Samen des Meskitestrauchs (Prosopis juliflora) auf das Gebiet abgeworfen. Was als sinnvolle Maßnahme zum Schutz der Böden gedacht war, entpuppte sich als Plage, die den einheimischen Gewächsen und den Böden den Garaus machten.

Die Förderung wasserintensiver Kulturen wie Minze ermutigte die reicheren Bauern dazu, tiefe Rohrbrunnen zu bohren. Sie entnahmen Unmengen an Wasser, ohne dafür zu sorgen, dass sich die Grundwasserreserven regenerierten. Dies führte zu einem dramatischen Absinken des Grundwasserspiegels.

Für die armen Bauern, die sich keine teure Infrastrukturen und Düngemittel leisten können, ist der Rückgang des Grundwassers ein weiteres schwerwiegendes Problem. Sie leiden schon jetzt darunter, dass die alten Regenwasserspeicher- und -verteilungssysteme - wenn überhaupt - nicht mehr gut funktionieren.


Dürren und Landverödung

Dürren sind in dieser Region Normalität, und nur noch die Hälfte der eine Million Hektar Land, das für den Anbau geeignet ist, lässt sich bewirtschaften. Das setzt die vorwiegend aus Bauern bestehende Bevölkerung von 50 Millionen Menschen erheblich unter Druck.

"Man sieht sich ausgerechnet in einem Gebiet, das sich in einer Wasserkrise befindet, mit einem sehr hohen Wasserkonsum konfrontiert", meint Anil Singh, Koordinator der Organisaton 'Parmarth', die es sich zur Aufgabe gemacht hat, in den armen Dörfern von Bundelkhand die traditionellen Wassersysteme und Anbaumethoden wiederzubeleben.

Mamtadevi hat ein Mahl aus gebuttertem Chappatis-Fladenbrot, frischem Salat, geräucherten Auberginen, gekochten Kartoffeln, frischen Tomaten und grünem Chili angerichtet. "Das Gemüse schmeckt vor allem deshalb so besonders, weil es nachhaltig und ohne Chemikalien gezogen wurde", sagt sie.

Sie und ihr Mann Ajan Singh gehörten zu den ersten, die sich auf das Parmarth-Experiment LEISA ('Low External Input Sustainable Agriculture') eingelassen haben. Das hat dazu geführt, dass sie in einer Zeit, in der die Niederschläge seltener werden und die Durchschnittstemperaturen steigen, vergleichsweise gut dastehen.

LEISA zeichnet aus, dass Stickstoffe und andere Nährstoffe recycelt, Pflanzenschädlinge mit natürlichen Mitteln bekämpft und die Qualität der Böden bewahrt wird. Auch werden die Bauern im Rahmen des Programms geschult und vom Wert der Ökosysteme überzeugt.

Dass die Rechnung aufgeht, zeigt sich an der Qualität von Ajan Singhs Gemüse. Der Bauer trägt durch den Einsatz indigenen Saatguts und den Verzicht auf Agrarchemikalien zum Schutz der Artenvielfalt bei. Zudem ist er in der Lage, dem Wetter und der diesjährigen Dürre zu trotzen, die auf ein Ausbleiben des Monsunregens zurückzuführen ist.

Bhartendu Prakash ist Mitglied des Lenkungsausschusses der Indischen Vereinigung der Ökobauern (OFAI) und für das OFAI-Büro in Bundelkhand zuständig. Im letzten Winter sei die Region von Minustemperaturen heimgesucht worden, berichtet er. Doch die Familien, die sich auf den organischen Landbau verlegt hätten, hätten die geringsten Schäden verzeichnet.

Parmarth half den Menschen in Tajpura dabei, Wasserablaufrinnen um ihre Felder und Wasserspeicher anzulegen. Außerdem bauten die Freiwilligen der Organisation Bewässerungsbrunnen und zeigten Bauern wie Ajan Singh, wie sie mit Würmern Kompost herstellen und Schädlinge mit Pheromonfallen aus dem Verkehr ziehen können.

Die meisten Farmer stellen zwar ihre eigenen Biopestizide her - ein Mix aus den Blättern des Neembaums und Knoblauch, die mit Büffelmilch durchtränkt werden - doch mussten sie ihre Pflanzen mindestens drei Mal die Woche mit dem Sud behandeln. Seit sie die Pheromonfallen auslegen, reicht eine Behandlung die Woche.


Gute Qualität belebt das Geschäft

Seit bekannt ist, dass die Sindhs Qualitätsgemüse verkaufen, ist die Nachfrage gestiegen. Inzwischen verkaufen sie ihre Erzeugnisse auf einem zehn Kilometer entfernten Markt zu einem guten Preis, der sich in jährlichen Einnahmen in Höhe von durchschnittlich 1.800 US-Dollar niederschlägt. 2011 kaufte Ajan Singh ein neues Grundstück und beliefert gleich zwei Märkte. Einen Teil der Einkünfte hat er in fünf Büffel investiert, deren Milch er nun ebenfalls verkauft.

Die Erfolgsgeschichte des Paares hat Schule gemacht. So schlossen sich 15 weitere Familien in Tajpura dem Experiment an. Die Frauen schlossen sich zu Selbsthilfegruppen zusammen. Sie verwalten ein Spar- und Kreditkonto, das sie in die Lage versetzt, anderen Frauen zu helfen, alternative Einnahmequellen wie die Viehzucht zu erschließen. Darüber hinaus führen sie eine Getreidebank. Überschüssiges Getreide wird auf dem Markt verkauft oder kostenlos an bedürftige Familien abgegeben.

"Wir wollen nun dafür sorgen, dass das Dorf von staatlichen Beihilfen profitiert. Dann könnten sich die Bauern Sprinkler anschaffen und Maßnahmen finanzieren, die ihre Erträge noch dürreresistenter machen", sagt Anil Singh, der für Parmarth arbeitet.

Mit einem 1,5 Millionen schweren Fonds unterstützt die Zentralregierung seit 2009 dreijährige Maßnahmen wie das Sammeln von Regenwasser und den nachhaltigen Umgang mit den Flusssystemen. Singh hofft, dass das Programm verlängert wird.


Anbau mit Zukunft

Rajesh Krishnan von Greenpeace-Indien, ist zuversichtlich, dass die Regierung gerade nach den Ernteeinbrüchen im Zuge der 'grünen Revolution' die Chancen des organischen Landbaus erkennt. Er geht davon aus, dass die Finanzierung nachhaltiger Agrarmethoden Eingang in den zwölften Fünfjahresplan findet, der im November vorgestellt wird.

Für Prakash steht fest, dass der ökologische Landbau durch eine wachsende Nachfrage nach gesunden Nahrungsmitteln eine große Zukunft hat. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

www.parmarthindia.org/
http://www.ipsnews.net/2012/08/beating-the-weather-with-sustainable-crops/

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 24. August 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2012