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LANDWIRTSCHAFT/031: Biomasse - Kein Kraut gewachsen? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2012
Mehr, Mehr, Mehr?
Handelspolitik zwischen "Weiter so" und Nachhaltigkeit

Biomasse - Kein Kraut gewachsen?
Problem erkannt - Gefahr aber nicht gebannt

von László Maráz



Das Projekt Plattform »Nachhaltige Biomasse« hat im November eine Fachtagung organisiert, bei der man über mögliche Lösungsstrategien für die großen ökologischen und sozialen Probleme diskutierte, die der Anbau von Biomasse weltweit verursacht. Deutlich wurde, dass Ansätze für eine nachhaltige Landnutzungsplanung in vielen Ländern noch in den Kinderschuhen stecken. Der Einfluss von Akteuren aus den Verbraucherländern ist hier zudem recht begrenzt. Bessere Chancen werden den Maßnahmen eingeräumt, die den Verbrauch von Biomasse beeinflussen. Hier können Umwelt- und Entwicklungsverbände direkten Einfluss ausüben. Am Ende wird man aber nicht an der Verringerung unseres Verbrauches an Energie und Biomasserohstoffen vorbeikommen.

Zu Beginn der Tagung stellte Almut Jering das neueste Positionspapier des Umweltbundesamtes vor. Angesichts der Ressourcenknappheit muss die Biomassepolitik sowohl ökologisch, als auch sozial gerecht gestaltet werden. Für die energetische Verwendung von Anbaubiomasse sieht das UBA mittelfristig keine Zukunft. Das UBA fordert die Transformation des Konsum- und Ernährungssystems, die Ökologisierung der EU-Agrarpolitik, eine Neuausrichtung der Bioenergiepolitik, sowie die Förderung einer Landnutzungsplanung, die vor allem den Bodenschutz, Wasser- und Klimaschutz und Biodiversität berücksichtigt.

Im Anschluss informierten die geladenen Experten über Strategien, die sich zum einen mit nachhaltiger Landnutzungsplanung, und zum anderen mit den Möglichkeiten der Steuerung (und Minderung) des Biomasseverbrauches auseinandersetzen.

Nachhaltige Landnutzung

Stefanie Wunder vom Ecologic Institut gab einen Überblick über die wichtigsten Regelungsinstrumente, die sich auf Landnutzung auswirken. Im Rahmen des UBA Projekts »GLOBALANDs - Ressourceneffiziente Flächennutzung: Organisation eines Global Sustainable Land Use Standard« werden zunächst Ansätze untersucht, die sich auf großen Landflächen besonders stark auf die Landnutzung auswirken. Ziel ist, dabei festzustellen, welche Stellschrauben für eine nachhaltigere Landnutzung genutzt werden könnten. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich zwar viele verschiedene Politikfelder auf die Nachhaltigkeit der Flächennutzung auswirken. Doch bislang gibt es auf globaler Ebene keine explizit wirksame Landnutzungspolitik, die eine effiziente und nachhaltige Ressourcennutzung fördert. Immerhin bieten sich in einzelnen Bereichen Chancen zur Regulierung, wie zum Beispiel die Gestaltung der Waldnutzung über die Klimapolitik, die Entwicklung von Nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals - SDGs) und von Nachhaltigkeitsstandards für Biomasse, die sich beide auch auf die Agrarwirtschaft auswirken. Zudem können in bislang nicht oder wenig effektiv regulierten Bereichen Maßnahmen zur Flächen- und Ressourceneinsparung gefördert werden, etwa durch Veränderung von Ernährungsweisen, Regulierung der Weltbevölkerung oder Vermeidung von Nahrungsmittelverlusten. Die Verringerung des ökologischen Fußabdrucks erlaubt eine extensivere und damit umweltschonendere Landnutzung.

Erste Regulierungsversuche

Im zweiten Teil der Fachtagung wurden dann drei konkrete Projektbeispiele vorgestellt, in denen versucht wird, Landnutzungsplanung in tropischen Ländern umzusetzen. Nach Auffassung von Thomas Fatheuer (Heinrich-Böll-Stiftung) zielt die Agroökologische Zonierung des Zuckerrohranbaus in Brasilien am Problem vorbei. Denn für das Ausschlussgebiet Amazonien war die Zuckerproduktion kaum ein ernst zu nehmender Entwaldungsfaktor. Es sind vielmehr die verdrängten Rinderfarmen, die für Waldrodungen verantwortlich sind. Immerhin werden einige Bedingungen an den Anbau im Süden gestellt, sodass das Instrument nicht ganz wirkungslos ist.

László Maráz zeigte anhand von aktuellen Fällen, wie wenig positiv sich die Zonierung des Sojaanbaus in Argentinien für den Waldschutz auswirkt. Zwar gibt es in einigen Provinzen recht ordentliche Gesetze, doch da deren Umsetzung oft an örtlichen Behörden scheitert, werden weiterhin große Gebiete der Wälder im Norden des Landes für die Expansion des Sojaanbaus gerodet. Auch Marianne Klute (Watch Indonesia) zeichnete ein düsteres Bild von der Lage in Indonesien. Dort behindert beispielsweise das Forstministerium die Arbeit der Planungsbehörden, sodass weiterhin große wertvolle Ökosysteme dem wachsenden Platzbedarf der Palmölproduktion zum Opfer fallen. Auch Lokalpolitiker vergeben Lizenzen ohne Rücksprache und Rücksichtnahme auf Interessen der Öffentlichkeit, sodass von einer Landnutzungsplanung kaum gesprochen werden kann. Dabei könnten mithilfe der Partizipation der Bevölkerung und der Einbeziehung ihrer Kenntnisse sehr wohl brauchbare Landnutzungskonzepte organisiert werden.

Ressourcenverbrauch beeinflussen

Am Nachmittag ging es um Steuerungsmöglichkeiten des Ressourcenverbrauches. Tanja Dräger de Teran (WWF) stellte Konzepte vor, durch die sich der Importbedarf an Sojafuttermitteln deutlich verringern könnte. So ließen sich durch den teilweisen Ersatz durch heimische Futtermittel viele Sojaimporte vermeiden. Allein bei der Milchviehhaltung gibt es ein Sparpotential von 800.000 Tonnen (330.000 Hektar), und bei der Schweinemast könnten 600.000 Tonnen eingespart werden (250.000 Hektar). Noch größere Flächen könnten durch eine gesündere Ernährung (44 Prozent weniger Fleisch bedeuten 700.000 Hektar) und verringerte Lebensmittelverschwendung (-250.000 Hektar) eingespart werden. Und das alles, ohne dass die Deutschen gezwungen wären Vegetarier zu werden.

Marktkampagnen

Über die Wirksamkeit von NGO-Kampagnen gegen Palmöl aus Raubbau informierte Peter Gerhardt, der lange Zeit bei Robin Wood aktiv war. Marktkampagnen machen medienwirksam auf Missstände aufmerksam und können der Zivilgesellschaft aus den Südländern Gehör verschaffen. Ihre Wirkung bleibt aber zunächst auf die Konsumentenländer beschränkt und führt allenfalls langfristig dazu, dass die Probleme in den Anbauregionen angepackt werden. Wichtiger sei es, die Akteure der Zivilgesellschaft vor Ort zu unterstützen, um sich gegen die Ausweitung der Anbauflächen zu wehren. Peter Gerhardt fordert daher ein Moratorium für die Ausweitung der Palmölplantagen. Auch öffentliche Geldgeber, wie die Weltbank, müssen sich aus diesem Geschäft zurückziehen, solange dies zu schweren sozialen und ökologischen Folgen führt.

Wirtschaft reagiert

Dass inzwischen auch die Industrie problembewusster geworden ist, zeigte Michaele Hustedt (CPC) bei ihrer Vorstellung von INRO auf, der Initiative nachhaltiger Rohstoffbereitstellung für die stoffliche Biomassenutzung. Nachwachsende Rohstoffe sollen auch in der Chemischen Industrie verstärkt zum Einsatz kommen und mehr fossile Rohstoffe ersetzen. Nicht zuletzt wegen der kritischen Haltung der Öffentlichkeit zu Biokraftstoffen bemüht man sich um die Beschaffung von Rohstoffen, bei deren Herstellung nicht nur ökologische, sondern auch soziale Probleme vermieden werden sollen. Die freiwillige Initiative kann als wichtiger Schritt in Richtung gleichwertiger Nachhaltigkeitskriterien für die gesamte Agrarproduktion gesehen werden.

Was tut die Politik?

Inwieweit steuerliche Instrumente den Verbrauch und die Produktion von Biomasse (zum Beispiel Fleisch) beeinflussen können, darüber wurde auch in der Abschlussdiskussion lange debattiert. Nach Ansicht von Cornelia Behm (MdB) könnte die Einführung der »Guten Fachlichen Praxis« in Land- und Forstwirtschaft dann zu positiven Wirkungen für die Umwelt führen, wenn anspruchsvolle Kriterien für die Landnutzung gelten würden. Humusbilanz verbessern, Stickstoffüberschüsse verringern und die Einbindung des Eiweißpflanzenanbaus in bessere Fruchtfolgen könnte hier für eine nachhaltigere Bewirtschaftung sorgen. Diskutiert wurde auch über eine Streichung des verminderten Mehrwertsteuersatzes auf Fleischprodukte und höhere Importsteuern für Futtermittel.

Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit könnten Maßnahmen zur Landnutzungsplanung gefördert werden, die zwar das Problem auf globaler Ebene kaum lösen. Nachdem aber Ansätze zu einer nachhaltigeren Landnutzung unter Einbeziehung der Bevölkerung noch wenig verbreitet sind, wären solche Projekte umso wichtiger.

Fazit

Eine nachhaltige Land- und Ressourcennutzung dürfte sich nur dann verwirklichen lassen, wenn möglichst viele der Instrumente und Strategien umgesetzt werden, die an den verschiedenen Ursachen und Problemen ansetzen. Dass dafür erhebliche Anstrengungen nötig sein werden und man dabei auf große Widerstände stoßen wird, sollte angesichts der schweren ökologischen und sozialen Auswirkungen niemanden davon abhalten, die Herausforderung anzupacken.

Der Autor ist Koordinator der Plattform »Nachhaltige Biomasse« und der AG Wälder des Forums Umwelt und Entwicklung.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2012, Seite 27-28
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2013