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LANDWIRTSCHAFT/053: Puerto Rico - Bohnen statt Bomben, US-Territorium vor vielen Herausforderungen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Februar 2014

Puerto Rico: Bohnen statt Bomben - US-Territorium vor vielen Herausforderungen

von Carmelo Ruiz-Marrero


Bild: © Elisa Sanchez/IPS

Eine Gruppe von Besuchern macht am 25. Januar 2014 auf dem Hof von Jorge Cora die Runde
Bild: © Elisa Sanchez/IPS

Vieques, Puerto Rico, 12. Februar (IPS) - Ein Jahrzehnt nach dem Abzug der US-Marine sieht sich die Insel Vieques mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Das Eiland, das zu dem US-Territorium Puerto Rico gehört, strebt eine Renaissance der Landwirtschaft an. Befürchtet wird jedoch, dass die giftigen Hinterlassenschaften der Navy den Plänen einen Strich durch die Rechnung machen könnten.

Von 1999 bis 2003 war Vieques das Epizentrum der Proteste gegen die Präsenz der US-Marine gewesen, die dort seit Ende des Zweiten Weltkriegs ihre Bomben testete. Seitdem die Bevölkerung ihren Kampf mit Hilfe einer Kampagne des zivilen Ungehorsams entscheiden konnte, stehen nun andere Probleme wie die hohe Arbeitslosen- und Kriminalitätsrate sowie die Defizite im Gesundheits- und Transportbereich auf der Tagesordnung.

Wichtigstes Transportmittel der Inselbewohner ist die Fähre, die Vieques mit der Hauptinsel Puerto Rico verbindet. Doch die Verbindung zeichnet sich durch häufige Unterbrechungen und Verspätungen aus, was nicht nur die Bürger, sondern auch die Touristen verärgert.

"Das Transportsystem ist ein Desaster", bestätigt Robert Rabin, ein US-Amerikaner, der seit 1980 in Vieques lebt und sich aktiv an der Kampagne gegen den US-Stützpunkt beteiligt hatte. "Diese verheerende Situation macht sämtliche Bemühungen zunichte, die Insel wirtschaftlich zu entwickeln." Auch für ältere oder kranke Menschen ist der Fährverkehr ein Ärgernis. Wer auf der Hauptinsel einen Arzttermin hat, kommt aufgrund der häufigen Unterbrechungen und Verspätungen zu spät.

Rabin arbeitet für das Conde de Mirasol-Geschichtsmuseum in Isabel Segunda und für den kürzlich gegründeten Gemeindesender 'Radio Vieques'. Wie er erläutert, hat die Insel Culebra, rund 15 Kilometer nördlich von Vieques, ein ähnliches Transportproblem. "All das zeigt im Grunde, wie wenig der Regierung von Puerto Rico daran gelegen ist, die Entwicklung von Vieques und Culebra voranzubringen."

Die Lokalbevölkerung leidet zudem unter dem Zustrom vorwiegend reicher US-Amerikaner, der mit einer Gentrifizierung einhergeht. Dieser Verdrängungsprozess macht sich auch auf der Hauptinsel und den nahegelegenen, ebenfalls zu Puerto Rico gehörenden Spanischen Jungferninseln bemerkbar. "Wir beobachten, wie Ausländer, insbesondere US-Amerikaner, hier die Kontrolle über den Tourismus übernehmen. Auch auf dieses Problem hat die Regierung noch nicht reagiert", erläutert Rabin.

Die Chance, dass zugezogene Unternehmer lokalen Kräften zu Arbeitsplätzen verhelfen, ist gering. Die meisten bringen Freunde mit nach Puerto Rico. Für die Einheimischen bleiben nur die schlecht bezahlten Hilfsjobs. Viele der Zuwanderer werden von der Lokalbevölkerung 'Schneevögel' genannt, weil sie auf Vieques nur überwintern. Wenn sie wieder verschwinden, werden die Residenzen für teures Geld vermietet.

Doch nicht alle 'Schneevögel' sind wohlhabend. Einige von ihnen werden durch die guten Einkommensmöglichkeiten im Tourismussektor oder auf dem Bau angelockt. Andere arbeiten als Tischler oder Elektriker auf der Insel. Und Rucksacktouristen campen am Sun Bay-Strand an der Südküste der Insel.

Vieques strebt eine Renaissance der Landwirtschaft an, und Unternehmen wie 'Hydro Organics' sind recht erfolgreich. Auf der Farm 'La Siembra de Vieques', zwischen Lujan und Esperanza gelegen, werden unter anderem Kürbisse, grüne Bohnen, Papayas, Moringas, Avocados, Kokosnüsse, Auberginen, Ananas, Guaven und Salat kultiviert.

Ein Teil der Arbeit wird von Rucksacktouristen erledigt, die von einer Farm zur nächsten reisen, um ihre Arbeitskraft gegen Unterbringung und Verpflegung anzubieten. Auf der Farm wird nach den Prinzipien der Permakultur gearbeitet. Das Geschäft geht gut, wie Vanessa Valedon, eine Bäuerin von Hydro Organics, erklärt. "Wir haben Kunden, die sechs Monate im Voraus für unsere Ernten bezahlen."


Chemieloser Anbau

In Monte Carmelo, einem Hügelgebiet in der Nähe des Geländes, auf dem die US-Navy ihre Bomben getestet hatte, befindet sich die Farm von Jorge Cora. Hier gibt es kein fließendes Wasser, keinen Strom und keine befestigte Straße. Cora pflanzt Salat, Okra, Paprika, Tomaten, Basilikum, Tabak, Neem und Rüben an. Er verzichtet vollständig auf Agrochemie. "Ich bekomme keinerlei Hilfe von der Regierung, noch nicht mal Lebensmittelkarten", berichtet er stolz.

Und dennoch ist nicht sicher, dass seine Agrarerzeugnisse so gesund sind, wie sie sein sollten. Denn kritische Stimmen warnen, dass die Böden durch die Tests der US-Marine verseucht wurden, die ihre Sprengungen hier 60 Jahre lang durchgeführt hat.

In den 1990er Jahren hatte die Gesundheitsbehörde von Puerto Rico berichtet, dass die Krebsrate unter den Einwohnern von Vieques 26,9 Prozent über dem nationalen Durchschnitt liegt. Die Anti-Marine-Bewegung hatte die hohe Belastung auf die militärischen Aktivitäten der US-Marine zurückgeführt.

Der Biologe Arturo Massol, Professor an der Universität von Puerto Rico und ehrenamtlicher Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisation 'Casa Pueblo', hat die militärische Verseuchung von Vieques und die Auswirkungen auf die Nahrungskette an Land und im Meer wissenschaftlich untersucht. Seiner Meinung nach besteht Anlass zur Sorge. Er ist jedoch der Meinung, dass weitere Untersuchungen vorgenommen werden sollten.

Massol will sich nicht festlegen, ob die Bodenbelastung für die Landwirtschaft akzeptabel ist. Seiner Meinung nach muss die Regierung von Puerto Rico weitere Untersuchungen durchführen. Casa Pueblo hat 2002 für ihre Arbeit mit den Menschen in Vieques und innerhalb der Protestbewegung gegen den US-Marinestützpunkt den angesehenen Goldman-Umweltpreis erhalten. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/02/vieques-goes-bombs-beets/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Februar 2014