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LANDWIRTSCHAFT/067: Neue Globale Allianz für klimasmarte Landwirtschaft in der Kritik (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. September 2014

Klima: 'Plattform für Konzerne' - Neue Globale Allianz für klimasmarte Landwirtschaft in der Kritik

von Thalif Deen


Bild: © Patrick Burnett/IPS

Den wenigen Unternehmen, die den Agrochemikalien- und Biotechnologiemarkt beherrschen, ist nach Ansicht ihrer Kritiker vor allem daran gelegen, dass die monokulturellen und CO2-intensiven Anbaumethoden fortbestehen
Bild: © Patrick Burnett/IPS

New York, 24. September (IPS) - Am Rande des massiv beworbenen UN-Klimagipfels hat die neu gebildete Globale Allianz für klimasmarte Landwirtschaft Pläne bekannt gegeben, rund 500 Millionen Bauern weltweit vor den Folgen des Klimawandels zu schützen und "aktiv zu einem nachhaltigen und fairen Anstieg der Agrarproduktion und Einkommen beizutragen".

Doch die Ankündigung der Globalen Allianz, der mehr als 20 Regierungen, 30 Organisationen und Unternehmen wie McDonald's und Kelloggs angehören, hat Kritik von einem Bündnis aus mehr als 100 zivilgesellschaftlichen Organisationen (CSOs) ausgelöst.

"Die Globale Allianz für klimasmarte Landwirtschaft wird nicht die Lösungen bringen, die wir so dringend brauchen. Stattdessen bietet die klimasmarte Landwirtschaft den Konzernen eine gefährliche Plattform, um all das durchzusetzen, was wir ablehnen", betonte der CSO-Zusammenschluss. Die Aktivitäten der schlimmsten Klimasünder im den Bereichen Agrobusiness und industrielle Landwirtschaft zu befürworten, bedeute nichts anderes, als genau die Ziele zu unterwandern, die die Globale Allianz vermeintlich anstrebe.

Dem Bündnis aus 107 CSOs gehören Organisationen wie 'ActionAid International', 'Friends of the Earth International', die Internationale Vereinigung ökologischer Landbaubewegungen (IFOAM), die Südasiatische Allianz für Armutsbeseitigung, das Dritte-Welt-Netzwerk mit Sitz in Malaysia (TWN), die Bolivianische Plattform zum Klimawandel und 'Biofuel Watch' an.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon erteilte der Globalen Allianz hingegen seinen Segen, indem er am 23. September erklärte: "Ich bin froh über Aktionen, die die landwirtschaftliche Produktivität steigern, den Bauern zu Resilienz verhelfen und die CO2-Emissionen verringern." Durch solche Bemühungen ließe sich die Ernährungssicherheit von Milliarden Menschen verbessern.

Angesichts einer Nahrungsmittelnachfrage, die den Erwartungen zufolge bis 2050 um 60 Prozent ansteigen wird, da es bis dahin neun Milliarden Menschen zu ernähren gilt, verändern sich die landwirtschaftlichen Praktiken.


Konzerninteressen im Vordergrund

Den kritischen CSOs zufolge haben sich einige Gruppen konstruktiv und in gutem Glauben etliche Monate für die Globale Allianz engagiert, um ihre Bedenken vorbringen zu können, die jedoch allesamt übergangen worden seien. Stattdessen deute die Struktur der Allianz darauf hin, dass den beteiligten Unternehmen ausschließlich Konzerninteressen und weniger Maßnahmen gegen den Klimawandel am Herzen lägen.

Das CSO-Bündnis wies ferner darauf hin, dass sich inzwischen selbst solche Unternehmen als 'klimasmart' präsentierten, die mit ihrer Firmenpolitik Bauern und Gemeinschaften erhebliche soziale Probleme verursacht hätten. Sie hätten beispielsweise Land Grabs oder den Einsatz von genmanipuliertem Saatgut zu verantworten. Tatsächlich sind in der Globalen Allianz der weltgrößte Düngemittelhersteller 'Yara', der Gensaatgutproduzent 'Syngenta', McDonald's und Walmart anzutreffen. "Die klimasmarte Landwirtschaft dient dazu, den schlimmsten Sozial- und Umweltsündern im Bereich der Landwirtschaft einen weiteren Raum für ihre PR-Aktivitäten zu schaffen", so die zivilgesellschaftlichen Gruppen.

"Die vorgeschlagene Globale Allianz für klimasmarte Landwirtschaft scheint eine weitere Strategie der einflussreichen Akteure zu sein, eine industrielle Landwirtschaft abzustützen, die das grundlegende Menschenrecht auf Nahrung torpediert. Sie ist weder neu und innovativ noch das, was wir brauchen", erklärten die CSOs.

Wie Meenakshi Raman vom Klimaprogramm des TWN gegenüber IPS betonte, wird der globale Agrochemikalien- und Biotechnologiemarkt von lediglich einigen wenigen Unternehmen dominiert. Diesen Konzernen sei an der Beibehaltung des monokulturellen Anbausystems gelegen, die CO2-intensiv und auf externe landwirtschaftliche Inputs angewiesen seien.

"Sie werden alles in ihrer Macht Stehende tun, um ihre Marktdominanz auszubauen und zu verhindern, dass sich der ökologische Landbau in den Ländern durchsetzt", warnte Raman. Diese Oligopole gehörten verboten. "Es besteht die Notwendigkeit, das existierende unfaire System international radikal zu reformieren."

Die Konsultativgruppe für internationale Agrarforschung (CGIAR) mit Sitz in Washington hat darauf hingewiesen, dass sich die weltführenden Agrarexperten darin einig sind, dass sich der Schaden für die Nahrungsmittelproduktion und die Destabilisierung einiger der unbeständigsten Weltregionen nur begrenzen lässt, wenn mindestens eine halbe Milliarde Bauern, Fischer, Hirten, Viehzüchter und Waldbewohner Hilfe erhält.

Ziel müsse sein, diesen Bevölkerungsgruppen die erforderlichen Agrartechniken zu vermitteln und sie mit den nötigen landwirtschaftlichen Technologien auszustatten, damit sich ihre Produktionsbedingungen verbessern und gleichzeitig der eigene Beitrag zum Klimawandel verringert, hieß es.


Klimasmarte Dörfer als Versuchsanstalten

CGIAR zufolge arbeiten diese Wissenschaftler bereits mit Farmern in Subsahara-Afrika und Südasien zusammen, um in Outdoor-Laboren, den sogenannten klimasmarten Dörfern, neue klimaorientierte Technologien und Techniken zu entwickeln. Dieser Ansatz hat sich für alle Beteiligten als extrem erfolgreich herausgestellt, sodass der 112,3 Millionen Menschen zählende, indische Bundesstaat Maharashtra vorhat, 1.000 solcher Dörfer zu gründen.

Wie Bruce Campbell vom CGIAR-Forschungsprogramm für Klimawandel, Landwirtschaft und Ernährungssicherheit (CCAFS), gegenüber IPS erläuterte, sind die Tropen besonders anfällig für Klimaanomalien. Das gelte besonders für die unterentwickelten Länder, denen die Ressourcen fehlten, um sich den extremen Wetterbedingungen im Zuge des Klimawandels anzupassen oder auf diese angemessen zu reagieren. Betroffen seien die Staaten der afrikanischen Sahelzone, Bangladesch, Indien und Indonesien sowie lateinamerikanische Länder.

Es gebe zwar einzelne hoffnungsvolle Erfolge im Kampf gegen den Klimawandel, wie die Wiederaufforstung von fünf Millionen Bäumen im Niger, doch im Großen und Ganzen sei die Lage schwierig.


Globale Spielregeln mit schlimmen Folgen

Wie Raman gegenüber IPS betonte, enthält das Agrarabkommen der Welthandelsorganisation WTO etliche Bestimmungen, die das kleinbäuerliche und ökologische Landwirtschaftssystem in den Entwicklungsländern bedrohten. So werde den Industrieländern gestattet, ihren Landwirten Subventionen in Milliardenhöhe auszuzahlen, deren Produkte dann zu Dumpingpreisen in Entwicklungsländern abgesetzt würden und die lokalen Bauern in den Ruin trieben.

Viele Entwicklungsländer seien sogar durch die WTO, die Strukturanpassungsprogramme der Weltbank und die Freihandelsabkommen dazu gezwungen worden, die Schutzbestimmungen ihres Landwirtschaftssektors aufzugeben, unterstrich sie. "Solche Regeln verhindern, dass die Regierungen im globalen Süden ihre Bauern und die einheimische Landwirtschaft schützen können." Derartige Vorgaben und Auflagen seien ungerecht und unethisch und müssten verboten werden, da sie die Kleinbauern und die ökologische Landwirtschaft unterminierten. (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/09/climate-smart-agriculture-is-corporate-green-washing-warn-ngos/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. September 2014