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LANDWIRTSCHAFT/072: Stärkung des Family Farming - Ein Ziel für die Post-2015-Agenda? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2014
REGulIEREN - ABER WIE?
Vom Sinn und Unsinn der (De-)Regulierung

Stärkung des Family Farming
Ein Ziel für die Post-2015-Agenda?

von Nicole Podlinski



In einer Zeit globaler Krisen wird es für immer mehr Menschen schwer, ein Leben in Würde zu führen. Übermäßiger Ressourcenabbau und die zunehmenden Folgen des Klimawandels wachsen sich zur hausgemachten sozialen Krise aus. Klimaflüchtlinge und Landflucht mangels ausreichendem Einkommen stellen die Megazentren dieser Welt vor gewaltige Herausforderungen. Landgrabbing, Preisverfall, aber auch die Klimaveränderung machen es der bäuerlichen Landwirtschaft schwer. Welcher kleine bäuerliche Familienbetrieb hält es wirtschaftlich aus, wenn Saat und Ernte zunehmend zum Lotteriespiel werden? Die Unvorhersehbarkeit der extremen Wetterereignisse trifft die bäuerlichen Familienbetriebe aufgrund fehlender Sicherungssysteme und mangelnder finanzieller Reserven sehr.


Warum ist die Stärkung der bäuerlichen Familienbetriebe ein Schlüsselfaktor der Entwicklung?

40% der Weltbevölkerung erhält über die Produktion und Verarbeitung von Nahrungsmitteln ein Einkommen. Leider ist dies in der Regel zu gering und daher leben 70% der Armen weltweit auf dem Land.(1) Die abwandernden Armutsflüchtlinge, vor allem junge Menschen, bevölkern die Slums der Megazentren und destabilisieren den sozialen Frieden dort zusätzlich. Diese jungen Menschen fehlen wiederum auf dem Land. Den gegenwärtigen Trend umkehren könnten wir durch die Stärkung der 2,6 Milliarden Menschen, die in Familienerwerbsgemeinschaften leben und produzieren. Auch wenn ihre Produktion zurzeit noch zu wenig effizient ist, so hat die bäuerliche Landwirtschaft laut Weltagrarbericht ein großes Potential zur Steigerung von Ertrag. Deswegen muss bei dieser Zielgruppe mit einem Innovationsschub für Forschung und Entwicklung angesetzt werden.

Welche Ziele lassen sich daraus für die künftige Entwicklungsagenda ableiten?

Eine Möglichkeit der Stärkung bäuerlicher Landwirtschaft und der Ernährungssouveränität wäre es, mehr Aufmerksamkeit auf Family Farming (familienbasierte Landwirtschaft) zu leiten. Aus diesem Grund ist von der UN das Jahr 2014 als Family Farming Jahr ausgerufen worden. Der öffentliche Blick wird von den Technologien und Strukturen vom "Farming" auf das "Family", die in Erwerbsgemeinschaft zusammenlebenden Menschen, gelenkt. Es führt den Blickwinkel weg von der Technologie, hin zum Menschen. Wichtig ist, dass die weltweiten Sicherungssysteme für ein Family Farming im Klimawandel ausgebaut werden. Die Stärkung der bäuerlichen Familienbetriebe ist dabei essentiell.

Viele Partner aus dem Süden fragen sich unterdessen, wie es nach diesem UN-Jahr des Family-Farming weitergehen soll. Hier kommt die Post-2015-Agenda ins Spiel, eine neue Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsagenda ab 2015, in welcher Family Farming ein eigenes Ziel werden könnte.

Warum Family Farming als UN-Entwicklungsziel?

Das Besondere am Family Farming ist, dass alle Säulen der Nachhaltigkeit und damit auch die Umweltziele erfüllt werden.

Soziale Säule - Die 40% Weltbevölkerung, die schon bisher davon leben, haben weiterhin ein Einkommen. Wo bäuerliche Familienbetriebe Land, Wasser und ausreichende rechtliche und finanzielle Ressourcen bekommen, könnten sie laut Weltagrarbericht deutlich höheren Nährwert pro Hektar bei geringerem Input schaffen. Ein entscheidender Faktor in der Hungerbekämpfung. Dadurch wird die Landflucht gestoppt und die Probleme der demographischen Entwicklung auf dem Land gemildert. Hiervon profitieren auch die Megastädte.

Ökonomische Säule - Das Einkommen kann mit steigender Produktion und Wertschöpfung durch Verarbeitung von Nahrungsmitteln vor Ort ebenfalls steigen. Es schafft Nachfrage in der Region und regionale Dienstleistungsarbeitsplätze in der Folge. Eine breite ländliche Entwicklung erhöht die Attraktivität des Landes auch für die Jugend und die Frauen. Hierdurch schafft man stabile ländliche Räume, die die politische und wirtschaftliche Gesamtentwicklung von Entwicklungsländern stützen.

Ökologische Säule - Die kleinbäuerliche Produktion ist diversifizierter, kommt mit weniger externem Input aus und schont damit die weltweiten fossilen Ressourcen. Zusätzlich lässt sich durch besondere Formen von Bodenbearbeitung, Gründüngung und Agroforstsystemen CO2 binden und Lachgas vermeiden. Die Agrobiodiversität wird erhalten durch eine Vielzahl von kleineren Betrieben, die auch die weniger gängigen Sorten anpflanzen. In der Folge wird auch die Biodiversität positiv beeinflusst.

Bessere Aufmerksamkeit schützt die Bauernorganisationen

Der Mensch und nicht die Technologie steht im Mittelpunkt der Landwirtschaft. Der Mensch in der Erwerbsgemeinschaft Familie, mit der gemeinschaftlichen Produktion und der dörflichen Gemeinschaft. Aus diesem Grund hat die letzte Weltversammlung aller katholischen Bewegung auf dem Land (FIMARC) ein Ziel zur Stärkung des Family Farming in der Post-2015-Agenda begrüßt.


Autorin Nicole Podlinski ist Bundesvorsitzende der katholischen Landvolkbewegung (KLB) und Vorstandsmitglied im Internationalen Ländlichen Entwicklungsdienst (ILD).


Weblink

(1) http://www.weltagrarbericht.de/


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2014, Seite 22
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. November 2014