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LATEINAMERIKA/026: Jamaika - Räuberischer Rotfeuerfisch wird Staatssache (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Oktober 2010

Jamaika:
Räuberischer Rotfeuerfisch wird Staatssache - Problem soll bald gegessen sein

Von Zadie Neufville


Kingston, 14. Oktober (IPS/IFEJ*) - Eigentlich ist der Rotfeuerfisch ein aggressiver Räuber. In Jamaika wird der Jäger nun aber selbst zur Beute. Angesichts rapide schwindender Fanggründe rief das Agrarministerium die Bevölkerung dazu auf, diesen Fisch künftig häufiger zu verzehren. Denn er vermehrt sich weit reger als viele seiner Artgenossen.

Rotfeuerfisch - Bild: © Zadie Neufville/IPS

Rotfeuerfisch
Bild: © Zadie Neufville/IPS

Ohne rasche Gegenmaßnahmen sehen Regierungsvertreter die Biodiversität, die Nahrungssicherheit und die Wirtschaftskraft des Inselstaates akut bedroht. "In Jamaika muss dringend etwas unternommen werden", sagte Nelsa English, die in dem Land ein regionales Projekt der nationalen Umweltbehörde NEPA leitet. "Da der Rotfeuerfisch nicht viele natürliche Feinde hat, kann er sich zu einer Gefahr für das gesamte Ökosystem entwickeln", warnte sie.

Die Fischgründe vor den Küsten des Karibikstaates sind nahezu erschöpft. Ein weiteres Problem ist die schwere Schädigung von Korallenriffen durch umweltbelastenden Fischfang. So werden bislang Sprengkörper, Gifte und Netze eingesetzt, deren Maschen enger sind als gestattet.

Die Wissenschaftler sind sich darüber einig, dass viele Riffe mittlerweile keine funktionierenden Ökosysteme mehr sind, weil die Artenvielfalt drastisch abgenommen hat. Aus mehreren Studien geht hervor, dass lediglich zwei Prozent aller Riffe noch aus lebenden Korallen bestehen. Die Erosion schreite so schnell voran, dass sich die Korallen nicht mehr von selbst regenerieren könnten.


Raubfisch gefährdet Ökosysteme

Durch den kommerziellen Fischfang würden vor allem junge ausgewachsene Fische aus dem Meer verschwinden, erklärte English im Gespräch mit IPS. Sie hätten nicht mehr genug Zeit, zu reifen und sich zu vermehren. Dadurch gerieten die Ökosysteme unter Druck.

Die Forscherin befürchtet, dass der Rotfeuerfisch in einem bereits geschädigten Meeresgebiet den gesamten Fischereisektor vernichten könnte. Nach Schätzungen des Agrarministeriums leben auf der Insel mehr als 30.000 Menschen vom Fischfang.

Der Pazifische und der Indische Rotfeuerfisch (Pterois volitans und Pterois miles) wurden zuerst 2008 in jamaikanischen Gewässern gesichtet. Seitdem hat er sich rasch verbreitet. Die Rotfeuerfische, die fast einen Meter lang werden können, legen mindestens zwei Mal im Jahr etwa 30.000 Eier ab. Da sie auch in Mangrovengebieten leben, lassen sie sich nur schwierig fangen.

Experten zufolge droht die Präsenz des aggressiven Fisches die Überlebenschancen kleinerer Spezies um bis zu 80 Prozent zu mindern. Gefährlich könnte ihm nur der Zackenbarsch werden, der in den überfischten Gewässern jedoch nicht mehr häufig vorkommt.

Brian Zane, Geschäftsführer des 'Montego Bay Marine Park' an der Nordküste der Insel, berichtete, dass Rotfeuerfische vor allem in der Morgen- und Abenddämmerung gesichtet werden. Der Naturpark ist nun dabei, Exemplare des Raubfisches aus seinen Gewässern entfernen. Die Fischereiabteilung des Agrarministeriums und NEPA unterstützen diese Arbeit.

Zurzeit wird überlegt, die Riffe durch Barrieren zu schützen. NEPA und ihre Partner haben unterdessen einen nationalen Aktionsplan gegen invasive fremde Spezies (IAS) entworfen. Agrarminister Christopher Tufton koordiniert außerdem eine Informationskampagne, mit der die Jamaikaner zum verstärkten Verzehr des unliebsamen Fisches aufgefordert werden. Im Fernsehen ist beispielsweise Regierungschef Bruce Golding vor einem Teller mit Rotfeuerfisch zu sehen. Auch die Chefköche der besten Hotels werben für die Speise. Im Mai sponserten Hoteliers einen dreitägigen Fischfangwettbewerb, bei dem 1.446 Rotfeuerfische aus dem Meer geholt wurden.

Tufton ist zuversichtlich, dass das Problem im wahrsten Sinne des Wortes bald "gegessen" sein wird. "Den Rotfeuerfisch durch erhöhten Konsum unter Kontrolle zu halten, scheint mir der beste Weg zu sein", sagte der Minister.


Auch andere Karibikstaaten bekämpfen Rotfeuerfisch

Der Karibikstaat hat nicht nur zahlreiche Spezies, die nur in seinen Gewässern vorkommen. Auch die Zahl fremder Raubfischarten ist mit 102 höher als in vielen anderen Ländern. Jamaika liegt hierbei in der Region an dritter Stelle nach Puerto Rico und der Dominikanischen Republik. Auch diese beiden Staaten haben gegen die starke Präsenz des Rotfeuerfisches zu kämpfen.

Auf den Turks- und Caicosinseln verspricht die Regierung denjenigen, die 3.000 dieser Raubfische fangen, 3.000 US-Dollar. Auf den Bahamas können Fischer den Rotfeuerfisch auf Märkten zu hohen Preisen verkaufen. Die Globale Umweltfazilität (GEF) des UN-Umweltprogramms UNEP fördert ein karibisches Projekt zur Bekämpfung fremder Raubfische, das Wissenschaftler von Trinidad bis zu den Bahamas zur Hilfe bei der Suche nach neuen Strategien unterstützen will.

Geplant ist unter anderem die Einführung eines Frühwarnsystems und die Entwicklung von Methoden, mit denen ein Eindringen der Raubfische in karibische Gewässer verhindert werden soll. An dem vierjährigen Projekt beteiligen sich neben Jamaika Trinidad und Tobago, St. Lucia, die Dominikanische Republik und die Bahamas. (Ende/IPS/ck/2010)


* Dieser Beitrag ist Teil einer Serie von IPS und der 'International Federation of Environmental Journalists' (IFEJ) zum Thema nachhaltige Entwicklung.

Links:
http://www.ifej.org
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53140

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IPS-Tagesdienst vom 14. Oktober 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2010