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LATEINAMERIKA/100: Kuba - Biokohle aus invasiven Pflanzen für den Export (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Dezember 2014

Kuba: Biokohle aus invasiven Pflanzen für den Export

von Ivet González


Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Ein unterirdischer Ofen zur Herstellung von Biokohle in Ciénaga de Zapata in der Nähe der Ortschaft Playa Girón
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Havanna, 3. Dezember (IPS) - In Kuba haben sich Pflanzen, die aus anderen Teilen der Welt eingeschleppt wurden und ein Problem für die einheimische Natur darstellen, zu einem vielversprechenden Wirtschaftsfaktor entwickelt. Aus den invasiven Arten wird zunehmend Biokohle für den Export erzeugt, die vor allem in Europa gefragt ist.

Im letzten Jahr hat der karibische Staat 70.200 Tonnen der 'grünen' Kohle für 300 US-Dollar pro Tonne nach Deutschland, Belgien, Kanada, Spanien, Frankreich, Griechenland, Italien, Israel, Portugal und in die Türkei exportiert. Das ist ein bemerkenswerter Anstieg, hatte Kuba 2012 für den Binnen- und internationalen Markt gerade einmal 40.000 Tonnen hergestellt.

Dieser erneuerbare Brennstoff aus invasiven Arten wie dem Farbkätzchenstrauch (Dichrostachys cinerea) ist nach Tabak zu dem Anbauprodukt avanciert, das die höchsten Einnahmen erwirtschaftet. An dem Gewächs, in Kuba Marabú genannt, besteht kein Mangel. Vielmehr hat es sich in der 'neuen Heimat' zu einer regelrechten Plage entwickelt. "Es ist eine der wenigen Arten, die wir in unseren Bergen fällen dürfen", berichtet der Holzhändler Guillermo López aus der Provinz Mayabeque, die an Havanna angrenzt.


Einschlag einheimischer Arten verboten

In dem karibischen Inselstaat stehen die meisten einheimischen Baumarten unter Schutz. Dazu zählen auch die Mangroven, die 4,8 Prozent der Landesfläche bedecken und Jahrhunderte lang zu Kohle verarbeitet wurden. Seit 2012 jedoch ist der Einschlag in Mangrovenwäldern, die sich auch als Wellenbrecher bewähren, verboten.

Geschätzt wird, dass sich die undurchdringlichen, stachligen Farbkätzchensträucher, die zu fünf Meter großen Bäumen auswachsen können, eine Fläche von 1,16 Millionen Hektar - zehn Prozent des kubanischen Territoriums - einverleibt haben. Sie erschweren den Bauern die Arbeit, die Areale für die Landwirtschaft zu erschließen. Die Marabú 'besetzen' 18 Prozent der Agrarflächen des Landes.

Havanna verdankt seinen Kohleexportboom der letzten zehn Jahre ausgerechnet diesem invasiven Exoten, der nur einer von insgesamt 323 wissenschaftlich erfassten Pflanzeneindringlingen in Kuba ist. Diese verdrängen die einheimischen Pflanzenarten und verursachen hohe ökologische und wirtschaftliche Kosten.

Seit 15 Jahren schlägt López nach getaner Arbeit als Arbeiter einer staatlichen Papierfabrik zusammen mit einem Freund die invasiven Hölzer, die er für 500 Peso (umgerechnet 20 US-Dollar) pro Karren an staatliche Kleinbetriebe wie Bäckereien und Geflügelzuchtunternehmen verkauft. "Die Herstellung der Biokohle ist harte Arbeit", meint López. "Wir müssen in einer Woche zwei Karrenladungen Holz schlagen, das dann unter unserer ständigen Aufsicht mehrere Tage und Nächte lang verkohlt wird."

Das Holz invasiver Arten wie Marabú, Knopfmangrove (Conocarpus erectus), Wilde Tamarinde (Lysiloma latisiliqua) und Eukalyptus wird in Kuba meist in unterirdischen Öfen erhitzt. Um die Zufuhr von Sauerstoff zu verhindern, werden Baumstämme zu einem zeltartigen Gebilde zusammengefügt, das dann mit Gräsern, Erdreich und trockenen Scheiten luftdicht verschlossen wird. Es bleiben lediglich Öffnungen, um das eingelagerte Holz zu entflammen.

Das Verfahren ist preiswert, aber wenig ergiebig. So bedarf es bei der Herstellung von einem Kilogramm Biokohle acht bis zwölf Kilogramm Holz, wie der niederländische Wissenschaftler Hubert E. Stassen errechnet hat. Auch gefährdet die Methode die Gesundheit der Produzenten, verhindert die gleichmäßige Verkohlung und belastet die Umwelt mit Teer und Abgasen.

Der Experte schlägt deshalb vor, die Köhler mit gesundheits- und umweltschonenderen Technologien auszustatten. Unter anderem sollen die Produzenten in den Biokohleproduzentenländern mit gusseisenen Behältern ausgestattet werden, die mit vorgetrockneten Scheiten gefüllt werden sollten. Auf diese Weise könnte die Menge an Holz zur Herstellung der Pflanzenkohle auf ein Viertel gesenkt werden, empfiehlt Stassen in einem Beitrag über neue Technologien zur Biokohleproduktion.

Beim letzten Verkohlungsdurchgang konnten López und sein Freund 45 Sack Biokohle herstellen. "Wir verkaufen den Sack für 50 kubanische Peso (zwei Dollar). Das ist nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass wir für den Rohstoff selbst nichts bezahlen müssen", erläutert er.

Die Mehrheit der Köhler und Holzproduzenten des karibischen Inselstaates arbeitet auf eigene Rechnung. Andere gehen einer Teilzeitbeschäftigung nach oder sind Mitglieder einer landwirtschaftlichen Kooperative oder eines Staatsbetriebs. Cienfuegos, Sancti Spíritus, Ciego de Ávila und Camagüey in der Landesmitte und Holguín im Osten gehören zu den Provinzen, in denen die Biokohleproduktion derzeit boomt.


Gute Verdienstmöglichkeiten

Ein Produzent, der über einen Vertrag mit einem Staatsbetrieb verfügt, kann monatlich über 2.000 kubanische Peso (80 Dollar) verdienen. Hinzu kommt ein Betrag in der Parallelwährung CUC, die dem US-Dollar entspricht. Er kann aufgrund der steigenden Biokohleexporte durchaus monatlich 16 Dollar erreichen.

Der 64-jährige Enrique Rodríguez, der am Rande der Ortschaft Girón im Naturschutzgebiet Ciénaga de Zapata 200 Kilometer südöstlich von Havanna lebt, arbeitet stundenweise als Köhler, um seine magere Rente aufzubessern. Wie er betont, tragen er und andere zum Schutz des Ciénaga de Zapata bei, dem größten Feuchtgebiet der Karibik.

Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Enrique Rodríguez bessert mit der Herstellung von Biokohle seine Rente auf
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Doch inzwischen werden die invasiven Arten aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung zunehmend geschätzt und wie auf der internationalen Messe vom 2. bis 8. November vor 2.000 Unternehmen in 60 Ländern geschehen, als Rohstoffe für die Biokohleproduktion angepriesen. Die Reformen, mit denen die Regierung von Staatspräsident Raúl Castro die Wirtschaft seit 2008 voranbringen will, zielen inzwischen auf ausländisches Kapital. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnoticias.net/2014/11/cuba-exporta-carbon-vegetal-de-plantas-invasoras/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 3. Dezember 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Dezember 2014