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LATEINAMERIKA/113: Argentinien - Beim Schutz der Pampa ziehen Gauchos und Umweltschützer an einem Strang (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. August 2015

Argentinien: Beim Schutz der Pampa ziehen Gauchos und Umweltschützer an einem Strang


Bild: © Fabiana Frayssinet/IPS

Eine kleine Rinderherde in der Pampa im Bezirk Marcos Paz in der ostargentinischen Provinz Buenos Aires
Bild: © Fabiana Frayssinet/IPS

BUENOS AIRES (IPS) - In Argentinien haben sich Rancher und Umweltschützer zu einer ungewöhnlichen Allianz zusammengeschlossen. Mit einer Kombination aus traditionellen und modernen landwirtschaftlichen Viehzuchtmethoden bemühen sie sich um den Erhalt der biologischen Vielfalt der Pampa, der einzigartigen Graslandschaft Südamerikas und Heimat der legendären Gauchos.

"Nationalparks klammern die Menschen in aller Regel aus", erläutert Gustavo Marino von der Naturschutzorganisation 'Aves Argentinas' ('Argentinische Vögel'). "Wir aber wollten mit einem Konzept aufwarten, das Menschen und menschliche Aktivitäten als Komponenten des Ökosystems betrachtet und einbezieht."

Aves Argentinas führt zusammen mit der argentinischen Wildlife-Organisation 'Fundación Vida Silvestre Argentina' (FVSA) das Projekt 'Graslandschaften und Savannen im Süden Südamerikas: Initiativen für deren Schutz' durch, das mit Hilfe der Globalen Umweltfazilität (GEF) finanziert wird. Technische Hilfe kommt vom Nationalen Institut für Landwirtschaftstechnologie und Nationalparks.

"Da sich der überwiegende Teil der Pampa in Privatbesitz befindet, blieb uns gar nichts anderes übrig, als mit den Viehzüchtern zusammenzuarbeiten", so der Agroökonom und Vogelbeobachter Marino über die Initiative, die auch in den drei anderen Pampa-Staaten Brasilien, Paraguay und Uruguay durchgeführt wird.


Zwei Drittel der argentinischen Pampa verloren

Argentinien verfügt von allen vier Staaten des südamerikanischen 'Südkegels' mit 460.000 Quadratkilometern über den größten Anteil des insgesamt 750.0000 Quadratkilometer großen und bedrohten Ökosystems. So haben allein die argentinischen Pampa-Provinzen in den Jahren 2002 bis 2004 9.000 Quadratkilometer der Graslandschaft eingebüßt. Marino zufolge hat Argentinien 60 Prozent seines Graslandgebietes landwirtschaftlichen Aktivitäten wie dem monokulturellem Soja- und Reisanbau, der kommerziellen Holzproduktion und der Verstädterung geopfert.

Der Verlust ist in vielerlei Hinsicht gravierend. "Die Pampa spielt als Klimasenke eine wichtige Rolle, wirkt nachhaltig gemanagt der Bodenerosion entgegen und bewahrt das genetische Material vieler Pflanzen- und Tierarten", berichtet Fernando Miñarro, Leiter des Pampa- und Gran Chaco-Programms der FVSA. "Ebenso liefert sie die für die Pflanzenbestäubung so wichtigen Insekten und die natürlichen Feinde von Schädlingen."

An der Pampa-Artenschutzinitiative sind in Argentinien 70 Produzenten beteiligt, die 200.000 Hektar Land besitzen. Sie zielt auf eine Wiederbelebung nachhaltiger traditioneller Viehzuchttechniken, die mit modernen Agrar- und Naturschutzmethoden kombiniert werden, um das Wachstum von qualitativ hochwertigen Gräsern als Futtermittel für die Rinder zu ermöglichen.

Mit traditionellen Methoden wie der Rotation der Weideplätze, der kontrollierten Brandrodung und der Anlage von Regenwasserspeichern konnte das Wachstum exotischer Pflanzen und hochwertiger Gräser anregt werden. "Die durch den Gaucho repräsentierte Graslandschaft hat einer Kultur Auftrieb gegeben, die unsere gesamte Gesellschaft einschließlich unserer Gastronomie durchdringt", erläutert Marino. "Der Gaucho steht für das Bedürfnis der Argentinier nach Weite und der Möglichkeit, den Horizont zu sehen."

Die Pampa ist zugleich das wirtschaftliche Kerngebiet Argentiniens. "Graslandschaften stellen eine Vielzahl von Umweltdienstleistungen und -produkten zur Verfügung wie Rindfleisch, Milch, Wolle und Leder", erläutert Miñarro. In diesem einzigartigen Ökosystem finden sich mehr als 370 Gras-, 400 Vogel- und etwa 100 Säugetierarten, von denen etliche wie der Pampahirsch vom Aussterben bedroht sind.

Als das Projekt vor acht Jahren startete, hatten die Viehzüchter die Umweltschützer für Spinner gehalten, erinnert sich Marino. Doch inzwischen würden er und seine Kollegen als Berater geschätzt, "weil wir einen mittleren Weg anbieten, durch den die Produzenten Geld verdienen und gleichzeitig den Artenreichtum der Pampa erhalten können".

"Wenn der Artenreichtum verschwindet, müssen die Viehzüchter für das Heu und die Nährstoffe ihrer Tiere zahlen. Diese Inputs sind teuer und marktpreisabhängig", berichtet Miñarro. "Der Schutz der Biodiversität sorgt also dafür, dass es den Produzenten nicht an dem natürlichen Kapital mangelt, auf dem ihre Aktivitäten aufbauen." Den eingeführten Innovationen verdankten sie zudem höhere Preise für ihre Produkte.

"Die Verbraucher wollen zunehmend wissen, wie die Produktionssysteme aussehen. Rindfleisch mit einem Gütesiegel, das besagt, dass die Tiere mit natürlichen Gräsern gefüttert und ökologisch nachhaltig gehalten werden, verschafft den Produzenten Marktvorteile", so der Umweltaktivist. "Außerdem schmeckt das Fleisch von Rindern, die gutes natürliches Futter erhalten, besser." Ein weiteres Plus ist, dass die Viehzüchter vom Ökotourismus profitieren, indem sie die Vogelbeobachter bei sich aufnehmen und verpflegen.


Rückkehr wildlebender Tiere

Tiziana Prada ist Eigentümerin einer knapp 5.000 Hektar großen Ranch mit 2.000 Rindern im Feuchtgebiet Esteros del Iberá in der nordöstlichen Provinz Corrientes. Sie gehört zu denen, die auf nachhaltige Viehzucht umgestellt haben. "Wir haben alte Reisfelder in Weideland umgewandelt und neue Techniken eingeführt. Seitdem sind Wild, Brüllaffen, Kaimane und viele Vogelarten in die Region zurückgekehrt."

Prada weiß inzwischen sehr viel über die Wachstumszyklen hochwertiger Grasarten und über die Tiere, die in den Graslandschaften leben. "Produktivität und Naturschutz gehen Hand in Hand", ist sie inzwischen überzeugt. "Der Schutz des Artenreichtums wird in Anbetracht der Tatsache, dass Viehzüchter in immer entlegenere Gebiete mit besonders fragilen Ökosystemen vordringen, immer wichtiger. Ansonsten zerstören wir unsere eigenen Ressourcen und Existenzen und die der kommenden Generationen."

Außerdem drehe sich nicht immer alles nur ums Geschäft, fügt sie hinzu. "Da ist noch die Liebe zur Natur, die wir, die Landbevölkerung, in uns tragen." (Ende/IPS/kb/11.08.2015)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2015/07/gauchos-protagonizan-singular-alianza-para-proteger-pampa-argentina/
http://www.ipsnews.net/2015/08/unique-alliance-between-gauchos-and-environmentalists-protects-argentinas-pampas/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 11. August 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2015

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