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MEER/089: Rotes soll Totes Meer retten - Umweltschützer warnen vor Risiken (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Februar 2013

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Rotes soll Totes Meer retten - Umweltschützer warnen vor Risiken

Von Pierre Klochendler


Bild: © Pierre Klochendler/IPS

Wenn sich das Tote Meer zurückzieht, entstehen gefährliche Hohlräume
Bild: © Pierre Klochendler/IPS

Ein Gedi, Israel, 27. Februar (IPS) - Das zwischen dem Westjordanland, Israel und Jordanien gelegene Tote Meer zieht sich jedes Jahr um mehr als einen Meter zurück. Ein Kanal zum Roten Meer soll endlich Abhilfe schaffen. Aus Sicht der Weltbank ist das lang diskutierte Vorhaben machbar. Doch von Seiten der Umweltschützer kommen Bedenken.

Den Befürwortern zufolge wird der Verbindungsweg nicht nur den salzhaltigen Wüstensee vor dem Austrocknen retten. Das als 'Friedensplan' propagierte Projekt sieht auch den Betrieb einer Entsalzungsanlage sowie zweier Wasserkraftwerke vor, die die Anrainer mit preiswertem Strom versorgen sollen.

Derzeit schrumpft das Tote Meer, das 426 Meter unter dem Meeresspiegel liegt, kontinuierlich weiter. In den letzten 50 Jahren hat sich die Wasseroberfläche von 960 Quadratkilometer auf 620 Quadratkilometer verkleinert - eine Entwicklung, die aus unterschiedlichen Gründen seit vielen Jahren mit Sorge zur Kenntnis genommen wird.

Das Tote Meer ist nicht nur ein besonderes Ökosystem, sondern auch ein Magnet für Gesundheitstouristen aus aller Welt. Die Mineralien dieses natürlichen 'Heilbads' werden seit der Zeit der ägyptischen Königin Kleopatra zur Behandlung von Hautkrankheiten extrahiert. Das israelische Unternehmen 'Dead Sea Works' und die jordanische 'Arab Potash Company' verdienen Milliarden an dem dem Verkauf der Produkte.

Doch der Wasserzufluss ins Tote Meer hat sich von jährlich 1,25 Milliarden Kubikmeter auf 260 Millionen Kubikmeter innerhalb der letzten 60 Jahre verringert. Dies hat vor allem damit zu tun, dass dem Jordan, dem wichtigsten Zubringerfluss im Norden, das Wasser für die Landwirtschaft und die Trinkwasserversorgung entzogen wird.


Schwarze Löcher

Einst führte die Autostraße 90 eng am Toten Meer entlang. Doch inzwischen verläuft sie einen Kilometer von der Küste entfernt. Seit den 1960er Jahren wurden 300 Quadratkilometer des Seebodens freigelegt. Diese neue Landschaft hat ihre Tücken. Da Süßwasser das Salz aus den Böden auswäscht, entstehen Hohlräume, die Erdrutsche nach sich ziehen und Land, Straßen und Gebäude begraben. Etwa 3.000 solcher Gruben gibt es bereits, und weite Teile des Geländes mussten aus Sicherheitsgründen abgesperrt werden.

Kein Wunder also, dass dem Toten Meer die Ernennung zum siebten Naturwunder verweigert wurde. Und auch der Traum, als Welterbe der Menschheit gelistet zu werden, könnte bald ausgeträumt sein.

"Wir wollen nicht, dass das Tote Meer stirbt. Wir wollen es wiederbeleben", meint der israelische Minister für regionale Entwicklung, Silvan Shalom, gegenüber IPS. "Das ist unser Hauptziel - mehr Wasser in die trockene Region zu bringen. Die beste Lösung ist der Kanal, über den sich jährlich zwei Milliarden Kubikmeter Wasser aus dem Roten ins Tote Meer pumpen ließen."

Ein 180 Kilometer langes Kanalsystem aus sechs Rohren und einem Tunnel würde das Wasser mit Hilfe der Gravitation - das Rote Meer liegt höher als das Tote Meer - in eine Entsalzungsanlage und zwei Wasserkraftwerke einleiten. Die besonders salzhaltigen Rückstände aus der Entsalzungsanlage wiederum sollen dann ins Tote Meer einfließen und den dortigen Wasserschwund aufhalten wenn nicht gar umkehren.

Nach einer Jahrzehnte währenden Debatte hat die Weltbank im letzten Monat eine Reihe von Machbarkeitsstudien veröffentlicht und dem 'Red-Dead Canal' bescheinigt, technisch, ökologisch und sozioökonomisch machbar zu sein. Die Kosten für das Projekt gibt die Bretton-Woods-Institution mit 9,97 Milliarden US-Dollar an, die zur Hälfte durch den Verkauf des entsalzten Wassers und des Stroms wieder hereingeholt werden könnten. Der Rest soll mit Entwicklungshilfegeldern finanziert werden. "Eine Win-Win-Situation", meint Shalom dazu.


Weltbank lässt Einwände nicht gelten

Doch Kritik kommt von den 'Friends of the Earth Middle East-Israel' (FoEME-Israel). Die Nichtregierungsorganisation setzt sich aus israelischen, jordanischen und palästinensischen Umweltaktivisten zusammen.

"Die besondere Salzlake des Toten Meeres mit dem Salzwasser des Roten Meeres zu vermischen wird aller Wahrscheinlichkeit zur Ausscheidung von Gips führen, den Wuchs von Algenblüten fördern und das Wasser trüben", meint der FoEME-Leiter Gidon Bromberg. Zudem würden sich beide Wasserarten nicht mischen.

Die Weltbankexperten räumen ein, dass durch eine massive Aufnahme von Wasser aus dem Roten Meer das Königsblau des Toten Meeres dauerhaft ausbleichen könnte. Doch dieses Problem ließe sich durch die Zugabe von Gipskristallen an der Einflussstelle beheben.

Die Gegner des Projekts befürchten ferner die Verseuchung des Grundwassers im hochgradig erdbebengefährdeten Avara-Tal durch aus dem Pipeline-Kanal-System austretendes Salzwasser. "Die Leitungen könnten bei einem Erdbeben bersten. Dann müssen wir zusehen, wie Millionen Kubikmeter Wasser das Grundwasser verseuchen", warnt der Naturschützer.

Einer solchen Gefahr ließe sich nach Ansicht der Weltbank durch eine Ummantelung der Rohre und den Einbau von Sicherheitsventilen vorbeugen. Dem israelischen Umweltminister zufolge ist es bereits zu vielen Anhörungen gekommen, und die Weltbank habe die Einwände der Kanalgegner wiederholt entkräften können. Den grünen Gruppen wirft er vor, das Projekt partout nicht zu wollen.

Bevor die Weltbank ihren Abschlussbericht vorlegt, wird sie die letzten Anhörungen in Israel, Palästina und Jordanien durchführen. Spricht sie sich offiziell für das Projekt aus, kommt es zu zwischenstaatlichen Verhandlungen über die weitere Verfahrensweise. Die Weltbank schätzt, dass der Kanal binnen sechs Jahren fertig gestellt werden und 2020 seinen Betrieb aufnehmen könnte. Spätestens 2060 sei das Projekt dann voll ausgereift. (Ende/IPS/kb/2013)


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http://www.ipsnews.net/2013/02/more-dead-than-red/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. März 2013