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MEER/230: Vielfalt von Lebensräumen an natürlichen Ölaustritten (idw)


MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen, 22.08.2016

Vielfalt von Lebensräumen an natürlichen Ölaustritten

Im südlichen Golf von Mexiko erkundet Forscherteam unwirtliche Umgebung am Meeresboden


Facettenreich und vielfältig sind die Lebensräume, die sich um natürliche Öl-Austrittsstellen am Meeresboden herum etabliert haben. Dicht nebeneinander haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf einer vom MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen organisierten Expedition sprudelnde Gasblasenaustritte, massive Gashydrate, ölgetränkte Sedimente und Ablagerungen von schwerem Öl in etwa drei Kilometern Wassertiefe vorgefunden. Die verschiedenen Bestandteile Gas, leichteres Öl und zu Asphalt erstarrtes, schwereres Öl beheimaten jeweils charakteristische Gruppen von Organismen. Erste Ergebnisse haben die Forschenden zusammen mit Aufnahmen des Tauchroboters MARUM-QUEST jetzt in der Zeitschrift Biogeosciences veröffentlicht.


Foto: © MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften

Asphaltstrukturen am Mictlan Knoll in 3100 Meter Tiefe, aufgenommen mit dem Tiefseerobotoer MARUM-QUEST.
Foto: © MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften

"In den vergangenen Jahren hat es eine kleine technische Revolution im Bereich der Meeresforschung gegeben", erklärt Erstautor Dr. Heiko Sahling, wissenschaftlicher Mitarbeiter am MARUM und dem Fachbereich Geowissenschaften der Universität Bremen. Viele der deutschen Forschungsschiffe wurden mit neuesten Fächerloten ausgestattet. Sie helfen den Forschenden, systematisch natürliche Austritte von Öl und Gas am Meeresboden zu finden. "Früher", sagt Sahling, "glich das eher der Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen. Nun haben wir Lebensräume am Meeresboden gefunden, die wir so noch nicht kannten."

Mit den Echoloten können die Geowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler Gasblasen in der Wassersäule aufspüren. Treten Kohlenwasserstoffe aus, verstärkt das das Schallsignal im Wasser und zum Teil auch des Meeresbodens. Diese neue Technik hat sich das Team aus Bremen, Kiel, Wien (Österreich), Mexiko City (Mexiko) und Tallahassee (USA) während einer Expedition in der Bucht von Campeche im südlichen Golf von Mexiko zu Nutze gemacht. Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Projekts haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter der Fahrtleitung von Prof. Dr. Gerhard Bohrmann hunderte von Gasaustritten entdeckt und einige davon exemplarisch mit dem Tauchroboter MARUM-QUEST untersucht. Ziel war es, den Weg von Kohlenwasserstoffen an natürlichen Austritten nachzuzeichnen. In welcher Form treten sie am Meeresboden aus, wie wirken sie auf die Organismengemeinschaften am Meeresboden, wie schnell wird das Öl abgebaut, wo bleibt das austretende Gas?

"Das Gas wandelt sich zum Teil in Gashydrat um, das kleine Hügel am Meeresboden bildet, die dicht mit metergroßen Bartwürmern besiedelt sind", resümiert Heiko Sahling. "Zuweilen sind die Hügel aufgebrochen und erlauben einen Blick in einige Meter mächtige Gashydrate, wie sie bisher nur selten beobachtet wurden. Die Gashydrate werden überlagert von einer Reaktionszone, wo mikrobielle Gemeinschaften Methan umsetzen, Karbonat ausgefällt wird und die Bartwürmer wurzeln. Dadurch halten sie die Hügel zusammen und nehmen reduzierte Schwefelverbindungen auf, von denen sie sich ernähren. Es ist schon ein eigenartiger Lebensraum", findet Sahling.

Neben Gas tritt auch flüssiges Öl aus. Es steigt langsam durch kleine weiße Schlote auf, die Öltropfen ziehen Fäden oder sickern durch die Sedimente. "Das Öl ist für die nicht daran angepassten Organismen schädlich", erklärt Heiko Sahling, "aber das reiche Leben an diesen Stellen zeigt, dass bestimmte Organismen sogar von diesen Kohlenwasserstoffen leben können."

Im Gegensatz dazu verflüchtigen sich einzelne Bestandteile des so genannten schweren Öls. Was übrigbleibt, formt Fließstrukturen aus Asphalt am Meeresboden. "Während der Expedition haben wir viele von diesen einmaligen Strukturen dokumentiert", sagt Heiko Sahling. "Der Asphalt bedeckt dabei hunderte von Metern des Meeresbodens und bildet wieder einen Lebensraum - hier siedeln zum Beispiel Bartwürmer und Baktierenmatten."

Publikation:
Heiko Sahling, Christian Borowski, Elva Escobar-Briones, Adriana Gaytán-Caballero, Chieh-Wei Hsu, Markus Loher, Ian MacDonald, Yann Marcon, Thomas Pape, Miriam Römer, Maxim Rubin-Blum, Florence Schubotz, Daniel Smrzka, Gunter Wegener and Gerhard Bohrmann: Massive asphalt deposits, oil seepage, and gas venting support abundant chemosynthetic communities at the Campeche Knolls, southern Gulf of Mexico. Veröffentlicht in: Biogeoscience, DOI: 10.5194/bg-13-4491-2016


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.marum.de/Vielfalt_von_Lebensraeumen_an_natuerlichen_Oelaustritten.html

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news657840

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution314

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität
Bremen, Ulrike Prange, 22.08.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. August 2016

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