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ÖKOSYSTEME/046: Südkorea - Wasserverfügbarkeit und Wasserqualität in Bergregionen (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum - Universität Bayreuth
8. Jahrgang. Ausgabe 1. November 2012

Starkregen garantiert
Von der Landwirtschaft in den Bergen Südkoreas bis zum Trinkwasser in Seoul

von Birgit Thies



Über 80 Prozent des jährlichen Regens fallen in Korea in der Monsunzeit im Juli und August. Große Teile des Landes - auch "asiatische Alpen" genannt - sind gebirgig, auf zum Teil steilen Hängen wird Ginseng und Obst angebaut, in flacheren Bereichen Reis. Starkregen führt dazu, dass enorme Mengen von Bodenmaterial, beladen mit Nährstoffen und Kunstdünger, in die Bäche, Flüsse und Seen geschwemmt werden. Gleichzeitig sind Stauseen Trinkwasserreservoire für die Metropolregionen - in der Republik Korea wird ein Großteil des Trinkwassers aus Oberflächenwasser gewonnen. Den Wassertransport in den bergigen Einzugsgebieten zu verstehen, ist daher ein wesentliches Ziel der internationalen Graduiertenschule TERRECO.

Seit dem Frühjahr 2009 arbeiten in Südkorea über 70 deutsche und koreanische Wissenschaftler, von Doktoranden bis Professoren, zum Thema "Ökologische Heterogenität in komplexem Gelände: Ökosystemare Produktivität, Wasserverfügbarkeit und Wasserqualität in Bergregionen". Das wichtigste Untersuchungsgebiet Haean liegt an der Grenze zu Nordkorea. Die Forscher haben sich Großes vorgenommen. Sie wollen verstehen, wie Änderungen in Klima, Landnutzung und Gesellschaft die Dienstleistungen der Ökosysteme beeinflussen, angefangen vom kleineren Wassereinszugsgebiet Haean bis hin zur regionalen Skala, auf der der Stausee Soyang die Menschen in Seoul mit Trinkwasser versorgt.

Transdisziplinär ist das TERRECO-Projekt, denn es verbindet Ökologie und Hydrologie mit Ökonomie und Politik. Die von der Deutschen Forschungsgesellschaft DFG und ihrem Gegenpart KOSEF in Korea finanzierte internationale Graduiertenschule bildet junge Wissenschaftler aus, die sich aus ganz verschiedenen Ländern kommend auf das Projekt nach Bayreuth beworben haben. Als Spezialisten im Fachgebiet ihrer Promotion sammeln sie durch interdisziplinäre Kurse und Workshops sowie im Austausch miteinander Einblicke in die größeren Zusammenhänge von den Natur- bis hin zu den Sozialwissenschaften. Ein solch breiter Blickwinkel soll den jungen Wissenschaftlern helfen, in ihrem Beruf Verantwortliche in Politik und Gesellschaft in oft sehr komplexen Entscheidungssituationen gut zu beraten.

Zurück zum Teilbereich "Wasser": Die Hydrologen haben seit Beginn des Projekts vor drei Jahren zahlreiche Messstationen und Abflusswehre gebaut, um zu verstehen, auf welchen Wegen das Regenwasser durch Haean fließt. In den Wäldern auf den Gipfeln der Berge gelangt etwa die Hälfte des Niederschlags ins Grundwasser, anders sieht es weiter unten in den landwirtschaftlich genutzten Gebieten aus: Hier fließt über 80 Prozent des Regenwassers auf der Oberfläche ab und nimmt dabei wertvollen Boden mit. Zum Teil wird das Problem durch die Anbaumethoden verschärft: So werden die schattenliebenden Ginsengpflanzen mit schrägen Planen überspannt. Diese leiten den aufprallenden Regen in Kanäle, in denen das Wasser mit gebündelter Kraft ins Tal rauscht.

Die Forscher haben sich auch die Chemie des Wassers angeschaut. Während sich die Nitratbelastung des Abflusses bei Starkregen verdünnt und verringert, steigt die Konzentration an gelöstem organischen Kohlenstoff und organischen Schwebstoffen. Nach ihren Abschätzungen setzt die Erosion in Haean schon bei vergleichsweise geringen Regenmengen ein.

Welcher Anteil der Nährstoffe im Wasser auf dem Weg zum nächsten Bach von den Pflanzen aufgenommen wird, wollen die Wissenschaftler noch herausfinden. Ebenso soll mit stabilen Isotopen untersucht werden, wie viel Nitrat im Flachland im Austausch zwischen Oberflächen- und Grundwasser eliminiert wird. Das nächste große Ziel des TERRECO-Teilprojekts ist es herausfinden, wie sich die Prozesse in den Bergen und Niederungen von Einzugsgebieten wie Haean auf das Wasser im 64 Kilometer langen Stausee Soyang auswirken. Was passiert im Jahresverlauf mit dem Material, das zur Monsunzeit aus Wäldern, Obstplantagen, Ginseng- und Reisfeldern in den See geschwemmt wird? Der Soyang-Stausee ist angereichert mit Nährstoffen und somit voller Algen, die Zersetzung der angeschwemmten Äste und Stämme in den Sedimenten setzt Methan frei. Die Forscher hoffen, über das Verständnis der chemischen Prozesse im See Ansatzpunkte zu finden, wie sich die hohe Nitratbelastung verringern lässt.

Hier greifen die Forschungen der Hydrologen wie ein Zahnrad in die Arbeiten der anderen Teilgruppen. Diese beschäftigen sich zum einen mit der Landwirtschaft und den chemischen Prozessen auf und im Boden, zum anderen nehmen sie die Menschen in den Blick: Sozialgeographen erfragen die Einstellung der einheimischen Bauern zu Klimawandel und alternativen Anbaumöglichkeiten - viele von ihnen wurden vor über 50 Jahren hierher umgesiedelt, da die Gebiete nahe der Grenze zu Nordkorea am 38. Breitengrad im Koreakrieg große Bevölkerungsverluste erlitten. Ökonomen berechnen mit Modellen Gewinne und Verluste für Bauern und Umwelt, wenn beim Reis weniger Kunstdünger eingesetzt würde. Die Selbstversorgung mit Reis ist eine der Prioritäten in der Wirtschaftspolitik Südkoreas, obwohl der Reisanbau hier relativ teuer ist und etwa zwei Drittel aller Reisfelder künstlich bewässert werden müssen. In Szenarienmodellen wird zudem geprüft, was sich ändern würde, wenn der Trinkwasserpreis anstiege: Dieser deckt zurzeit nur 30% der hohen Aufbereitungs- und Produktionskosten.

Auch die politischen Rahmenbedingungen sind in Südkorea in Bewegung. Etwa zeitgleich mit Beginn des TERRECO-Projekts wurde für das Land die "Green growth strategy" ausgerufen. Südkorea will damit energieunabhängig und "klimasicher" werden und sich durch umweltverträgliche Technologien neue Wachstumsmärkte erschließen. Diese neue Politik bewirbt Südkorea weltweit und nimmt durch die Gründung des "Global Green Growth Institute" eine Vorreiterrolle für Entwicklungs- und Schwellenländer ein.

Unumstritten sind die Strategien nicht: Sie umfassen den massiven Ausbau der vier großen Flüsse Südkoreas durch Begradigung und Vertiefung von Flussbetten - Maßnahmen, die in Deutschland im Sinne von Hochwasserschutz und Auenrenaturierung an vielen Stellen und mit viel Aufwand wieder rückgängig gemacht werden. Und der Bau von 16 neuen Staudämmen geht mit dem Verlust von flussnahem Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen einher. Die Auswirkungen der grundlegenden Neugestaltung der koreanischen Flusslandschaft wollen die Sozialgeographen am Beispiel des Soyang-Einzugsgebiets untersuchen. Dabei umfasst "Wasser-Governance" für sie viel mehr als das, was die Regierung anordnet - an der Formulierung und Umsetzung der offiziellen Vorgaben wirken faktisch sehr viele Akteure mit. Man darf gespannt sein, ob sich an dieser Politik Südkoreas nach der Ende Dezember stattfindenden Neuwahl und dem Amtsantritt des nächsten Präsidenten im Frühjahr 2013 etwas ändert.

Nach der Aufbauphase, in der nicht nur Messstationen installiert, sondern auch viele neue Kontakte zu einheimischen Wissenschaftlern geknüpft wurden, sind die ersten Doktoranden mit ihrer Arbeit und Ausbildung fast fertig und haben den Stab an eine zweite Staffel von Nachwuchsforschern übergeben. Aufbauend auf deren Arbeiten soll die "dritte Kohorte" ab 2015 die gesammelten Erkenntnisse in die Berechnung von Szenarien mit einbringen, um so gut begründete Handlungsoptionen sowohl lokal für die Bauern als auch regional für Regierung und Verwaltung aufzeigen zu können. Doch zunächst einmal geht es im Januar 2013 darum, die Gutachter der DFG davon zu überzeugen, dass sich die transdisziplinären Forschungsarbeiten im komplexen "sozio-ökologischen Gelände" Südkoreas lohnen. Man darf dem deutsch-koreanischen Projekt - in dem mit Doktoranden aus Ägypten, Ghana, Nepal, Kanada, Myanmar und Frankreich noch einige weitere Nationalitäten mitwirken - dabei viel Erfolg wünschen!


AUTORIN

Dr. Birgit Thies leitet die Geschäftsstelle des Bayreuther Zentrums für Ökologie und Umweltforschung. Sie arbeitet zum einen hinter den Kulissen in Management und interner Kommunikation, andererseits macht sie das große Forschungsspektrum am BayCEER für Interessierte zugänglich. In zahlreichen Veranstaltungen organisiert das Team der Geschäftsstelle den Austausch der Forscher untereinander und mit der Öffentlichkeit.


INFO

TERRECO
Das TERRECO-Projekt ist eine Kooperation zwischen der Kangwon National University in Südkorea, dem Koreanischen Waldforschungsinstitut KFRI und der Universität Bayreuth. Die internationale Graduiertenschule wird finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und ihrem Gegenpart KOSEF in Korea.
Ziel der transdisziplinären Forschungen ist es zu verstehen, wie der erwartete Klimawandel das Leben im koreanischen Untersuchungsgebiet beeinflussen wird - angefangen von den Auswirkungen natürlicher Prozesse auf Land- und Forstwirtschaft bis hin zu den Erwartungen und Handlungsoptionen der Menschen.
www.bayceer.uni-bayreuth.de/terreco


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Woher weht der Wind, und wie viel Regen fällt? Justieren einer Wetterstation im Haean Becken.
Kleines Bild: Koreanische Briefmarke mit dem 1973 erbauten Soyang-Damm.

Abb. 1: Karte von Südkorea mit der Lage des Soyang-Einzugsgebiets, der Hauptstadt Seoul und der Grenze zu Nordkorea DMZ (demilitarisierte Zone).

Abb. 2: Diskussionsrunde mit Hydrologie-Professor Stefan Peiffer in der Feldstation in Haean.

Abb. 3: Auf einem Rettichfeld in Haean erklärt eine Doktorandin anderen Studierenden und Wissenschaftlern ihr Experiment, mit dem sie die Auswirkungen unterschiedlicher Düngemethoden untersucht.

Abb. 4: Messung der Strömungsprofile an einem Kanal im Haean-Becken während der Monsun-Regenzeit.

Abb. 5: Über die Messung von Strömungsprofilen in Kanälen und Bächen wird die Menge des abfließenden Wassers bestimmt.

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Quelle:
spektrum, Ausgabe 1, November 2012, S. 50 - 53
Herausgeber: Universität Bayreuth
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95440 Bayreuth
Telefon: 0921/55-53 56, -53 24, Fax: 0921/55-53 25
E-Mail: pressestelle@uni-bayreuth.de
Internet: www.uni-bayreuth.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2013