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PROJEKT/006: Jamaika - Recycling-Taschen statt Kaffeebohnen, Bäuerinnen bauen neue Existenz auf (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. September 2011

Jamaika: Recycling-Taschen statt Kaffeebohnen - Bäuerinnen bauen neue Existenz auf

Von Zadie Neufville


Penlyne Castle, Jamaika, 14. September (IPS) - Die Blue Mountains auf Jamaika sind ein weltbekanntes Kaffeeanbaugebiet. Der internationale Preisverfall, wirtschaftliche Probleme und Wirbelstürme haben die Landwirtschaft in dem Karibikstaat jedoch in eine Schieflage gebracht. Eine kleine Gruppe von Frauen hofft nun, durch einen alternativen Einkommenszweig einen Weg aus der Krise zu finden.

Um ein paar Dollar hinzuzuverdienen, pflanzen viele Kaffeebauern zusätzlich ganzjährig Thymian, Zwiebeln und Gemüsesorten an. Einige Kleinproduzenten werden durch ein Projekt der Vereinten Nationen gefördert. Eine Gruppe von Frauen hat sich hingegen vor etwa sechs Jahren zusammengeschlossen, um ökologisch verträgliche Körbe und Taschen aus alten Plastiktüten herzustellen.

In früheren Zeiten war der jamaikanische Kaffeesektor ein erfolgreicher Wirtschaftszweig gewesen. 1737 hatte die Insel zuerst etwa 38.000 Kilo Kaffee ausgeführt. Die Bauern haben seitdem in mühevoller Arbeit erreicht, dass die in Naturschutzgebieten gelegenen Anbaugebiete geschützt werden.


Fast die Hälfte der Kaffeebauern ist weiblich

Etwa 7.000 Farmer kultivieren auf mehr als 5.000 Hektar Land in den Blue Mountains Kaffee. 90 Prozent von ihnen sind Kleinbauern, die auf Grundstücken von jeweils weniger als zwei Hektar arbeiten. Etwa 40 Prozent von ihnen sind Frauen.

In guten Zeiten erhielten die Produzenten für jedes Pfund der grünen Kaffeebohnen umgerechnet zwölf US-Dollar. Die Fixierung auf den japanischen Absatzmarkt wurde den Bauern letztlich aber zum Verhängnis. Der frühere Agrarminister Christopher Tufton sieht die Farmer in den Blue Mountains inzwischen vor der größten Marketing-Herausforderung der letzten Zeit.

Japan, das von wirtschaftlichen Problemen geplagt wird, hat kein Interesse mehr an großen Kaffeeexporten aus den Blue Mountains. Für den Kaffee, der im gerösteten Zustand für 50 Dollar pro Pfund gehandelt wird, zahlen die Abnehmer aus Fernost anders als früher nicht mehr im Voraus. Inzwischen verdienen die jamaikanischen Produzenten für jedes Pfund gepflückter Kaffeebohnen nur noch 2,45 Dollar.

Am härtesten sind die Frauen, die den gesamten Anbau betreiben, von den Einnahmeeinbußen betroffen. Sie sind oftmals Eigentümerinnen von Kaffeeplantagen und zugleich Arbeitskräfte. Wie die männlichen Bauern haben auch sie kein Geld, um Düngemittel und andere landwirtschaftlichen Inputs zu kaufen. Viele Frauen arbeiteten zusätzlich in Fabriken, die mittlerweile geschlossen sind.

Trotz des guten internationalen Rufs des Kaffees aus den Blue Mountains gehören die Bauern in der Region zu den Ärmsten des Inselstaates. Die etwa 1.500 Familien, die den Anbau betreiben, leben in sechs Dörfern, in denen es weder Gesundheitsversorgung noch öffentliche Verkehrsmittel gibt.

Durch das Gebiet führen unbefestigte Straßen, die Böden sind durch heftige Niederschläge in der Regenzeit erodiert. Obwohl es dort viele Flüsse gibt, leiden die Menschen unter Wassermangel, da die Leitungen in einem schlechten Zustand sind. Viele schöpfen das Wasser für den täglichen Gebrauch aus Quellen und tragen es auf ihren Köpfen nach Hause.

Die Frauen, die nun mit farbenfrohen Plastiktaschen handeln, haben sich in den Orten Hagley Gap und Penlyne Castle in zwei Gruppen zusammengeschlossen, um gemeinsam die logistischen Schwierigkeiten bei der Vermarktung ihrer Produkte zu meistern. Sie berichten stolz, auch etwas für die Umwelt geleistet zu haben. Denn Tüten verstopfen nicht länger die Abflüsse und verursachen bei Regen keine Überschwemmungen mehr.


Umweltfreundliche Recycling-Taschen

"Das ist unser Beitrag zum Umweltschutz", sagte die Produzentin Kadian Edwards Brown. Je nach Größe der Taschen erziele sie Einnahmen zwischen 15 und 50 Dollar. Die Mutter von zwei Töchtern ist Mitglied der 'Blue Diamond Group', deren Kunden vielfach zahlungskräftige Touristen sind. "Manche kritisieren, dass meine Taschen zu teuer sind", bekannte sie. "Je nach Größe brauche ich aber zwei bis drei Tage, um sie fertigzustellen."

Diana Williams Spaulding hat dagegen eher die niedrigeren Einkommensschichten im Blick. Sie fertigt die Taschen in kürzerer Zeit an und akzeptiert das Geld, das sie dafür bekommen kann. Die 48-Jährige braucht die Einkünfte dringend, um ihre acht Kinder zu ernähren. Sie baut außerdem auf knapp vier Hektar Land Bananen, Kochbananen, Kartoffeln, Erbsen sowie auf weiteren 1,2 Hektar Kaffee an.

Die in den USA ansässige Hilfsorganisation 'Blue Mountain Project' (BMP) hilft den Frauen dabei, neue Absatzmärkte zu erschließen. Viele Taschen werden durch BMP an US-Hochschulen angeboten.


Hotels sind nicht immer behilflich

Wie Williams Spaulding sucht auch die alleinerziehende Mutter Lucille Taylor nach neuen Ideen, um die Taschen immer anders zu gestalten. Sie wünscht sich allerdings einen größeren Abnehmerkreis. Viele Hotel- und Ladenbesitzer in der Gegend würden den hohen Arbeitsaufwand nicht anerkennen, klagt sie.

"Viele wollen für eine große Taschen nicht einmal sieben Dollar zahlen", sagte Edwards Brown. "Wir müssen die Tüten aber erst einmal einsammeln, säubern und weiterverarbeiten." Die Plastiktüten werden in Streifen geschnitten, die dann zusammengehäkelt werden.

Vor etwa einem Jahr erhielten die Frauen mit Unterstützung von BMP immerhin ein kleines Darlehen von der jamaikanischen Grace-Kennedy-Stiftung. Nun hoffen sie auf weitere Hilfe, um ihre Existenz auf eine sichere Grundlage stellen zu können. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.bluemountainproject.org/
http://www.gracekennedy.com/foundations/grace-kennedy-foundation
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105068

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 14. September 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. September 2011