Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

PROTEST/015: Mexiko - Widerstand gegen Mini-Wasserkraftwerke (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. Juli 2012

Mexiko: Widerstand gegen Mini-Wasserkraftwerke

von Emilio Godoy



Mexiko-Stadt, 31. Juli (IPS) - Die Regierung in Mexiko setzt auf kleine Wasserkraftwerke zur Energiegewinnung. Doch dort, wo die Anlagen mit einem Strompotenzial von höchstens 30 Megawatt entstehen sollen, mehrt sich Widerstand. Die betroffenen Gemeinschaften fürchten soziale, wirtschaftliche und ökologische Schäden.

An vorderster Front der Gegner sogenannter Mini-Wasserkraftwerke stehen die betroffenen Gemeinschaften der südlichen Bundesstaaten Puebla, Tabasco, Veracruz, Oaxaca und Chiapas.

"Es wird im öffentlichen Diskurs der Eindruck erweckt, als ginge von den Kleinkraftwerken keinerlei Gefahr aus. Doch inzwischen verfügen die betroffenen Menschen über die nötigen Informationen, um zu wissen, dass das nicht stimmt", sagt Angélica Castro vom Oaxaca-Büro der Nichtregierungsorganisation EDUCA.

Seit 2006 arbeitet EDUCA mit 39 Gemeinden in sechs Verwaltungsbezirken zusammen, die von dem Projekt 'Mehrfachnutzung des Wasservorkommens Paso de la Reina' des staatlichen Elektrizitätswerks CFE über den Río Verde betroffen sind. Das Vorhaben soll insgesamt 510 Megawatt Strom generieren.

Die betroffenen Kommunen haben sich zum Rat der vereinigten Völker zur Verteidigung des Río Verde (Copudever) zusammengeschlossen, um sich als Kollektiv dem Bau der Anlage zu widersetzen. Studien über die möglichen sozialen und ökologischen Folgen sind in Arbeit.


Mindestens 50 Mini-Anlagen in Betrieb

In Mexiko sind mindestens 50 staatliche und private Mini-Wasserkraftwerke in Betrieb. Die meisten generieren rund 50 Megawatt Strom. Die staatliche Nationale Kommission für Energieersparnis (Conae) schätzt das Strompotenzial im wasserreichen Südosten Mexikos an 72 ausgewählten Standorten auf mindestens 400 Megawatt. Das nichtstaatliche Mario-Molina-Zentrum geht davon aus, dass Oaxaca und Chiapas ihren Strombedarf vollständig aus erneuerbaren Quellen wie Windkraft, Erdwärme und Sonnenenergie und Mini-Wasserkraftwerken decken könnten.

Nach Angaben von Mariana González vom Forschungszentrum 'Fundar' sind die Mini-Wasserkraftwerke als Stromlieferanten kurzfristig rentabel, verändern jedoch die Böden und die Umgebung. Ein Nutzen für die lokalen Gemeinden sei nicht erkennbar.

Fundar hatten zwischen 2010 und 2012 in Oaxaca vier Dörfer beraten, die sich mit dem Bau eines 10,8-Megawattkraftwerks konfrontiert sahen. Mit Hilfe der Unterstützung von Fundar konnte das Projekt Cerro de Oro zum Stillstand gebracht werden.

Mit den Arbeiten war 2010 ohne Rücksprache mit den Anrainern begonnen worden. Im November des gleichen Jahres legten die Gemeinden beim Amt für Rechenschaftspflicht der Privatinvestitionen im Ausland (OPIC) Beschwerde ein.

Die Beschwerdeseite monierte, von den verantwortlichen Unternehmen weder über den Bau des Mini-Wasserkraftwerks noch über dessen ökologische und gesundheitliche Auswirkungen informiert worden zu sein. Ebenso wenig sei es zu Gesprächen über Möglichkeiten gekommen, die negativen Auswirkungen zu minimieren oder die Landeigentümer zu entschädigen.

Im März 2011 wurde für alle Beteiligten ein runder Tisch zur Lösung des Konflikts eingerichtet. Zu einer Zustimmung der lokalen Bevölkerung zu dem Projekt oder einem Alternativvorhaben kam es nicht. Im November erklärte OPIC den Fall für abgeschlossen, und im März wurde der Bau der Anlage eingestellt.

Doch damit sind die Gefahren für die ländlichen Gebiete Mexikos noch nicht beseitigt. Das vom CFE entwickelte Programm für Unternehmungen und Investitionen des Stromsektors 2012 bis 2026 sieht den Bau von sechs Mini-Wasserkraftwerken vor, die sich in der Planungs- beziehungsweise Umsetzungsphase befinden. Darüber hinaus wird der Bau von vier Anlagen in Erwägung gezogen, die jeweils 30 bis 50 Megawatt Strom erzeugen sollen.


Betroffene erwägen Verfassungsbeschwerde gegen Paso de la Reina

Copudever denkt derzeit über eine Verfassungsbeschwerde nach, um das Wasserkraftwerk über den Río Verde auszuhebeln. Aus einer Untersuchung von sechs Experten des Mexikanischen Wasserinstituts und des CFE geht hervor, dass mit dem Bau des Wasserkraftwerks ein Prozess der Versandung und Erosion in Gang gesetzt würde.

Das Umweltministerium hatte im März Privatunternehmen erlaubt, fünf Mini-Wasserkraftwerke in Chiapas zu bauen. Die Firmen werden den generierten Strom an CFE verkaufen. González spricht in diesem Zusammenhang von einer Privatisierung des Energiesektors. Für die Unternehmer, die die staatliche Infrastruktur nutzen könnten, sei dies ein gutes Geschäft. Bei einem Anstieg der Betriebskosten würden die Anlagen wieder in den staatlichen Besitz übergehen.

Im vergangenen Dezember hatte der Senat einer Reform des Gesetzes zur Nutzung von erneuerbaren Energien und zur Finanzierung des energetischen Übergangsprozesses aus dem Jahre 2008 mit dem Ziel zugestimmt, die Stromerzeugung auf der Grundlage kleinerer Wasserkraftwerke zu fördern. Das Nationale Umweltinstitut hat ausgerechnet, dass die kleinen Wasserkraftwerke die CO2-Emissionen um 261 Millionen Tonnen drosseln könnten, da sie die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.educa.org.mx/
http://fundar.org.mx/index.html/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=101278

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 31. Juli 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2012