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PROTEST/042: Kolumbien - Ethikgericht macht kanadischem Erdölkonzern den Prozeß (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. August 2013

Kolumbien: Ethikgericht 'verurteilt' kanadischen Erdölkonzern - Erster Schritt auf dem Weg zu regulärem Prozess

von Helda Martínez


Bild: © Helda Martínez/IPS

'Für das Leben und dem Verbleib auf unserem Land', lautet die Botschaft auf dem T-Shirt eines Teilnehmers des Ethikverfahrens
Bild: © Helda Martínez/IPS

Bogotá, 22. August (IPS) - In Kolumbien hat ein Ethiktribunal in einem symbolischen Prozess den kanadischen Erdölkonzern 'Pacific Rubiales' und zwei weitere transnationale Unternehmen für schuldig befunden, mit ihren Aktivitäten gegen die politischen, sozialen und ökologischen Rechte der Projektanrainer verstoßen zu haben.

In Bogotá waren vom 16. bis 18. August 500 Bauern- und Indigenenführer zusammengekommen, um an den Anhörungen des Moralgerichts teilzunehmen. Zum Teil waren sie 20 Stunden unterwegs, um aus den entlegensten Winkeln der gebirgigen Dschungelregionen in die kolumbianische Hauptstadt zu gelangen.

Vorbereitet hatte das Verfahren das Netzwerk für Brüderlichkeit und Solidarität mit Kolumbien, das zivilgesellschaftliche Organisationen und Juristen aus aller Welt zusammenschließt. Am Pranger neben Pacific Rubiales standen auch das südafrikanische Goldunternehmen 'AngloGold Ashanti' und 'Emgesa', eine Niederlassung des italienisch-spanischen Unternehmens 'Endesa'. Emgesa wurde wegen seines Wasserkraftwerks 'El Quimbo' im südwestlichen Departement Huila 'verurteilt'.

Etwa 25 Vertreter der betroffenen Gemeinden, Rechtsexperten und Wissenschaftler hatten dem Ethikgericht Rede und Antwort gestanden und Beweise für Verstöße gegen die ökologischen, sozialen und politischen Rechte von Indigenen und Bauern vorgelegt. Zu den Zeugen gehörte auch Marcos Arrepiche, ehemaliger Gouverneur von Turpial-La Victoria. Die Reservation ist die Heimat der indigenen Achagua im zentralen Departement Meta, auf das sich die Hälfte der kolumbianischen Erdölproduktion konzentriert.

Pacific Rubiales hat über seine kolumbianische Filiale 'Meta Petroleum Corporation' im letzten Jahr den größten Teil seiner Rohölproduktion von fast 247.000 Barrel erzielt, geht aus dem Jahresbericht der Firma hervor. Das 'schwarze Gold' wird über eine 360 Kilometer lange Leitung von Campo Rubiales bis nach Monterrey im Nachbarbezirk Casanare transportiert.


Rücksprache mit Indigenen ausgeblieben

"Die Pipeline durchquert die Reservation", berichtet Arrepiche gegenüber IPS. Der Rechtsstreit gelangte im September 2011 sogar vor das Verfassungsgericht. Dem Urteil zufolge hätten die Indigenen vor dem Bau der Ölpipeline befragt werden müssen. Das Tribunal verlangte ferner Maßnahmen zur Beseitigung der kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Schäden, die durch die Ölleitung auf den traditionell genutzten indigenen Territorien entstehen. Bisher ist in dieser Richtung nichts geschehen.

Doch nicht nur die Leitung, auch die etwa 800 Tanklaster, die jeden Tag in der Reservation unterwegs sind, stören das Leben und die Kultur der Indigenen. "Die Geister in unseren Gewässern ziehen sich langsam zurück. Der Pegel der Flüsse Meta und Morichales sinkt", berichtete Arrepiche dem Ethikgericht.

Da die vielen Laster auf einer Strecke von 190 Kilometer auf unbefestigten Wegen entlangdonnerten, werde Staub aufgewirbelt, der sich auf die Weiden lege, die dann als Futterquellen für die Rinder unbrauchbar seien, berichtete der Aktivist Ricardo Apolinar von der Bauernkooperative 'Choapo'.

Doch nach Aussagen von Pacific Rubiales hält sich das Unternehmen an strikte ökologische, arbeitsrechtliche und soziale Auflagen. "Außerdem werden die Aktivitäten von den unabhängigen Institutionen ständig überprüft", heißt es in einer E-Mail-Stellungnahme für IPS. Mit den ethnischen Sikuani, denen man den größten Respekt entgegenbringe, sei man zudem in einem ständigen Dialog. Im mittelöstlichen Kolumbien, wo Paicfic Rubiales aktiv ist, gibt es verschiedene indigene Völker. Die Sikuani leben in der Nähe der Hafenstadt Gaitán. Dort befindet sich auch die größte Operationsbasis des Unternehmens.

Nach Abschluss der Anhörungen befanden drei 'Richter' - Susana Deranger, eine kanadische Indigenenaktivistin vom Volk der Athabasca Chipewyan, der Soziologe Eduardo León von der unabhängigen Projekt- Beraterstelle und der Chirurg Manuel Vega Vargas - die Unternehmen und den kolumbianischen Staat für schuldig, gegen die Rechte indigener und bäuerlicher Gemeinschaften verstoßen zu haben.

Als Ankläger hatte Francisco Ramírez Cuéllar, Vorsitzender des Einheitsverbands der Arbeiter des Minen-, Energie-, Metallverarbeitungs- und Chemiebereichs sowie verwandter Industrien fungiert. Einen Verteidiger gab es nicht, weil die 'Angeklagten' nicht vor dem Ethikgericht erschienen sind.

Das symbolische Urteil sei der erste Schritt auf dem Weg, ein richtiges Strafverfahren in dem Land auf den Weg zu bringen, meinte der Rechtsanwalt Ramírez Cuéllar, der in einigen Fällen die 'Klägerseite' vertrat. Wie er berichtet, sind Rechtsanwälte in Kolumbien, Kanada, Australien und Südafrika bereits dabei, die Beweismittel zu prüfen - auch gegen die Konzerne 'Drummond', 'Chiquita', 'Del Monte', 'Cerrejón' und BP.

"Diese Verfahren sind langwierig, weil sichergestellt sein muss, dass die Beweise tragen", erläuterte Cuéllar. Allerdings reichten die Aussagen der Gemeinschaften, die Berichte über Gewalt, Armut und ökologische Schäden aus, um die multinationalen Konzerne mit dem Rücken zur Wand zu stellen. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.pcslatin.org/portal/
http://juicioe.redcolombia.org/?page_id=2
http://juicioe.redcolombia.org/wp-content/uploads/2013/08/Quienes-hacen-el-juicio-.pdf
http://www.ipsnoticias.net/2013/08/condena-moral-primera-escala-para-enjuiciar-a-pacific-rubiales/

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IPS-Tagesdienst vom 22. August 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2013