Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

RECHT/004: Chile - Gericht legt Pascua-Lama-Goldmine still, Gletscher und Gewässer geschädigt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. April 2013

Chile: Gericht legt Pascua-Lama-Goldmine still - Gletscher und Gewässer geschädigt

von Marianela Jarroud



Santiago, 11. April (IPS) - Die chilenische Justiz hat die Stilllegung der umstrittenen Mine Pascua Lama des weltgrößten Goldunternehmens 'Barrick Gold' im Huasco-Tal im Norden Chiles verfügt. Das Berufungsgericht stellte sich damit auf die Seite von Umweltschützern und Diaguita-Indigenen, die seit Jahren gegen das Megaprojekt protestieren.

"Der Tagebau war an die Bedingung geknüpft, dass die Gletscher nicht in Mitleidenschaft gezogen würden. Doch die Wasserbehörde (DGA) hat wiederholt bestätigt, das Pascua Lama zur Zerstörung der Gletscher beiträgt", kommentierte Lucio Cuenca von der Lateinamerikanischen Stelle zur Beobachtung von Umweltkonflikten (OLCA) den Richterspruch.

Obwohl durch die illegalen Vorgänge die Flüsse der Region verseucht worden seien, hätten die Umweltbehörden nicht reagiert. "Deshalb freuen wir uns über das Urteil, auch für den Fall, dass die Aussetzung des Projekts nicht von Dauer ist", sagte der OLCA-Vertreter.

Die Pascua-Lama-Mine befindet sich in 4.000 Meter Höhe in den Anden. Sie erstreckt sich über chilenisch-argentinisches Territorium und ist das weltweit höchst gelegene Gold-, Silber- und Kupfer- Übertagevorhaben der Welt. Auf chilenischer Seite befindet sich die Mine am Oberlauf des Flusses El Estrecho in der Provinz Huasco in der Region Atacama rund 700 Kilometer von der Hauptstadt Santiago entfernt. Barrick Gold hatte ursprünglich vorgehabt, die drei dort befindlichen Gletscher zu versetzen, um besser an die darunter liegenden Rohstoffvorkommen heranzukommen.


Umweltverstöße längst bekannt

Mit seinem einstimmig erzielten Urteil vom 10. April gab das Berufungsgericht in der Atacama-Hauptstadt Copiapó den lokalen Diaguita Recht, die die Mine als Gefahr für die örtlichen Gewässer und Gletscher ablehnen. In dem Verfahren hatte sich ihr Rechtsanwalt Lorenzo Soto auf Umweltverstöße berufen, die bereits von staatlichen Stellen wie dem Nationalen Dienst für Geologie und Bergbau (SERNAGEOMIN), dem Nationalen Evaluierungssystem und der Umweltaufsichtsbehörde sanktioniert worden waren.

Soto zufolge führen die Aktivitäten des kanadischen Konzerns zur Zerstörung der Gletscher 'Toro 1', 'Toro 2' und 'Esperanza'. Außerdem wurden hohe Konzentrationen von Arsen, Aluminium, Kupfer und Sulfat im Fluss El Estrecho gemessen.

Das Unternehmen hatte bereits im November 2012 die Arbeiten in der Mine auf Geheiß von SERNAGEOMIN einstellen müssen, weil es gegen Sicherheitsstandards verstoßen hatte. Das Urteil vom 10. April bedeutet nun die komplette Einstellung auf chilenischer Seite, es sei denn, das Unternehmen zieht vor den Obersten Gerichtshof. Einem Sprecher des kanadischen Multis zufolge werden die Arbeiten auf argentinischer Seite jedoch fortgesetzt.

"Das Besondere an dem Richterspruch ist, dass er bestätigt, dass die Kontrollen und Strafen von Seiten staatlicher Stellen unzureichend sind", meinte Cuenca.

Auch Oriel Campillay, Vorsitzender der Chiguinto-Diaguita-Indigenenvereinigung, begrüßte den Richterspruch. "Wir leben in einem wunderschönen Tal. Hier wachsen Avocados, Zitronen, Weintrauben, Aprikosen, Pfirsiche und Pflaumen. Und der El Estrecho ist für uns lebenswichtig."

Wie Campillay erklärte, hätte er selbst nichts gegen die Mine, "würden die Dinge korrekt verlaufen". Seine Organisation habe sich dafür eingesetzt, dass die vier Dörfer an der Überprüfung des Projekts beteiligt würden, was von Barrick Gold jedoch abgelehnt wurde. Bisher hat der kanadische Multi noch nicht mitgeteilt, ob er vor den Obersten Gerichtshof ziehen wird.


Urteil von Regierung begrüßt

Zur Überraschung der Umweltschützer hat die Regierung des rechtskonservativen Staatspräsidenten Sebastián Piñera den jüngsten Richterspruch begrüßt. "Wir sind der Meinung, dass es gut ist, dass sich Bergbauaktivitäten mit Hilfe der Gerichte aufhalten lassen, damit Pascua Lama den von der Umweltaufsichtsbehörde auferlegten Auflagen entspricht", erklärte Innenminister Andrés Chadwick.

"Das Urteil ist ganz im Sinne der Regierung", meinte auch Umweltministerin María Ignacia Benítez. "Als Umweltbehörde sind wir nicht bereit, Projekte hinzunehmen, die gegen Umweltstandards verstoßen."

Cuenca bezeichnete die offiziellen Stellungnahmen als "Unverschämtheit". Schließlich hätten die Richter mit ihrem Urteil die Abwesenheit und Versäumnisse der staatlichen Stellen dokumentiert, für die Einhaltung von Umweltauflagen zu sorgen. "Es ist schon bemerkenswert, dass eine Ministerin von einer guten Sache spricht, nachdem ihre Behörde ihren Aufgaben nicht gerecht werden konnte. Ihre Rolle wäre es eigentlich dafür zu sorgen, dass Barrick Gold seine Umweltlizenz verliert."

Cuenca wies in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass die Behörden die Anliegen der Indigenen seit Jahren ignorierten. "Dieser Konflikt dauert nun schon zehn Jahre, und was nun erreicht werden konnte, ist allein den Protesten und Aktivitäten der indigenen Gemeinschaft zu verdanken."

Campillay zufolge wollen die Diaguita-Dörfer nun die Umsetzung der Indigenen-Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) erreichen. Das Abkommen schreibt vor, dass vor der Durchführung von Bergbau- und Entwicklungsprojekten das Einverständnis der indigenen Gemeinschaften eingeholt werden muss. Im Fall der Gold- und Silbermine 'El Morro' in der Atacama-Wüste wurde eine solche Entscheidung bereits getroffen. "Wir werden von Bergbauunternehmen quasi umzingelt", meinte Campillay. "Wir wollen in Fragen, die unser Land betreffen, mitentscheiden." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102666
http://www.ipsnews.net/2013/04/chilean-court-suspends-pascua-lama-mine/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 12. April 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2013