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RESSOURCEN/032: Kolumbien - Rohstoffförderung um jeden Preis, Bericht warnt vor Folgen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Mai 2013

Kolumbien: Rohstoffförderung um jeden Preis - Bericht warnt vor Folgen

von Constanza Vieira


Bild: Juan Manuel Barrero/IPS

Hafenterminal von 'Prodeco', einer Filiale des Schweizer Unternehmens 'GlencoreXstrata', für die Ausfuhr von Kohle in der Stadt Santa Maria
Bild: Juan Manuel Barrero/IPS

Bogotá, 8. Mai (IPS) - "Ich werde weder meinen Namen noch mein Dorf nennen", meint der 40-jährige Afro-Kolumbianer, der aus dem südlichen, an der Pazifikküste gelegenen Landesteil kommt. "Doch nur soviel: Durch den Bergbau habe ich meine Heimat verloren."

In dem artenreichen Gebiet zwischen der Anden-Gebirgskette und der Küste sind zwei linke Guerillaverbände aktiv. Einer von ihnen führt derzeit Friedensgespräche mit der Regierung von Staatspräsident Juan Manuel Santos, und der andere will den gleichen Weg gehen.

Darüber hinaus operieren hier ultrarechte Paramilitärs, die von den Behörden 'Bacrim' (bandas criminales - kriminelle Banden) genannt werden und angeblich unter der Regierung von Álvaro Uribe (2002-2010) demobilisiert wurden. Sie sind der einzige bewaffnete Sektor, der an Stärke gewinnt.

Diese Banden sind in der Goldproduktion tätig. Die Herstellung und den Handel mit Kokain haben sie nach eigenen Angaben aufgegeben. "Es geht um Gold", bestätigt der Schwarze, der sein Dorf verlassen musste. Wie er berichtet, lässt sich hier, im Südwesten Kolumbiens nahe der Grenze zu Ecuador, mit Gold 13 bis 23 Mal mehr verdienen als mit Kokain - vorausgesetzt, man verfügt über das entsprechende Anfangskapital.

Doch auch der Bergbau sorgt für Probleme, wie der Experte für Verfassungsrecht und Leiter der Nichtregierungsorganisation 'DeJusticia', Rodrigo Uprimny, betont. Die Palette der Schwierigkeiten reiche von der Umweltzerstörung über Konflikte mit Indigenen und Afro-Kolumbianern bis hin zu einer möglichen Intensivierung des 50-jährigen Bürgerkriegs und der Vertreibung ganzer Bevölkerungsgruppen.


Behörden überrannt

In den letzten 20 Jahren hat sich Kolumbien radikal verändert. Bergbau und Erdölproduktion sind zu wichtigen Wirtschaftsfaktoren geworden. Doch die staatlichen Institutionen konnten mit den neuen Realitäten kaum Schritt halten, wie ein neuer umfassender Expertenbericht zu dem Thema offenbart. Er ist der erste aus einer Reihe von Untersuchungen, die das Amt für Rechnungsprüfung, die höchste Steuerkontrollbehörde des südamerikanischen Landes, in Auftrag gegeben hat.

Der Wirtschaftswissenschaftler Luis Jorge Garay war Leiter der Expertengruppe aus Julio Fierro, Guillermo Rudas, Álvaro Pardo, Fernando Vargas, Mauricio Cabrera, Rodrigo Negrete und Jorge Espitia, die sich Monate lang mit dem Bergbau und seinen Folgen für Kolumbien auseinandergesetzt hatte.

"Erstmals wurde in einem einzelnen Band die ganze Komplexität des Bergbaus mit seinen ökologischen, sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekten dargelegt", sagte Manuel Rodríguez, ein ehemaliger Umweltminister, bei der Vorstellung der Studie am 6. Mai. "Er beweist, dass wir uns über die enormen sozialen und ökologischen Kosten des Bergbaus viel zu wenige Gedanken machen."

Die Verfassung von 1991 sieht zwar eine Reihe grundlegender Rechte vor, die jedoch gegen die Bergbaubestimmungen keine Chance haben. Gängige Praxis ist, dass ein Beamter eine Entscheidung treffen kann, die diametral dem Grundrecht zuwiderläuft.

"Der Staat verzichtet bereits seit zwei oder drei Jahrzehnten auf eine Beteiligung an den vom legalen Bergbau geförderten Ressourcen", kritisierte der Wirtschaftsexperte Rudas. "Das Problem ist nämlich nicht allein der illegale, sondern auch der legale Bergbau, der nicht die Rendite bringt, die für einen starken Staat zur Lösung vieler anderer Probleme so wichtig ist."

Ein Vorwurf, den die Generalrechnungsprüferin Sandra Morelli bestätigt. "Der kolumbianische Staat wird zunehmend geschwächt, und zwar nicht nur, was seine Präsenz angeht, sondern auch mit Blick auf seine technischen Fähigkeiten und rechtlichen Interventionsmöglichkeiten in Sinne des öffentlichen Interesses", sagte sie.

Morelli zufolge erwirtschaftet der Bergbausektor Kolumbiens 1,1 Milliarden Dollar im Jahr. "Die Frage ist nur, ob dieser Betrag auch die ökologischen Kosten wettmacht, die dem Land durch die Förderaktivitäten entstehen."

"In Kolumbien hat sich der Gedanke festgesetzt, dass man Zugeständnisse machen muss, um ausländische Investoren anzuziehen", meinte Garay. "Falsch. Ausländische Investoren sind immer dort, wo es Bodenschätze - und nicht zu vergessen - klare Richtlinien gibt", unterstrich er.


Mehr Staat, größere Kontrolle und höhere Beteiligungen

Der neue Bericht wartet mit einer Reihe von Empfehlungen auf, die Garay im Gespräch mit IPS zusammengefasst hat. So müsse zunächst dafür gesorgt werden, dass die Bergbaugesetze des Landes soweit geändert werden, dass sie mit der Verfassung von 1991 kompatibel seien.

Darüber gelte es sicherzustellen, dass die ökologischen, geophysischen und geologischen Auswirkungen der umfangreichen Bergbauaktivitäten, gerade mit Blick auf den Gold- und Kohleabbau unter freiem Himmel, deutlich besser kontrolliert werden, um den kommenden Generationen horrende Schäden zu ersparen.

"Wir konnten mit unserer Untersuchung zeigen, dass die Einnahmen aus dem Bergbau sehr schlecht verteilt sind. Am wenigsten profitieren der Staat und seine Bürger, am meisten die Unternehmen", sagte Garay. Wie er betonte, liegt der effektive Netto-Jahreszins der Konzerne bei nur fünf Prozent Steuern. Die Linzenzgebühren seien festgelegt und gehören zu den niedrigsten weltweit.

Dem Experten zufolge verfügt Kolumbien nicht über solide Regierungsstrukturen und Institutionen, die für die Entwicklung des Bergbausektors erforderlich wären. "Doch zumindest sollte die Regierung in der Lage sein, die wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Rechte, wie sie in einem Rechtsstaat üblich sind, zu gewährleisten." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://redjusticiaambientalcolombia.files.wordpress.com/2013/05/mineria-en-colombia-fundamentos-para-superar-el-modelo-extractivista2013.pdf
http://www.ipsnews.net/2013/05/displaced-by-gold-mining-in-colombia

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 8. Mai 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2013