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RESSOURCEN/047: Mexiko - Wissenschaftler sehen Zusammenhang zwischen Fracking und Erdbeben (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. April 2014

Mexiko: 'Fracking verbieten' - Wissenschaftler sehen Zusammenhang mit Erdbeben

von Emilio Godoy


Bild: © Autonome Universität von Nuevo León

Karte mit den Beben, die im nordwestmexikanischen Bundesstaat Nuevo León zwischen Oktober 2013 und März 2014 gemessen wurden
Bild: © Autonome Universität von Nuevo León

Mexiko-Stadt, 4. April (IPS) - Wissenschaftler warnen vor den Fracking-Plänen des mexikanischen Ölunternehmens PEMEX im Norden des Landes. Das Verfahren zur Herstellung von Schiefergas, durch das giftige Chemikalien in die Gesteinsschichten verpresst werden, verstärke die seismischen Aktivitäten in einer ohnehin erdbebenanfälligen Region.

Experten bringen eine Reihe von Erdstößen in den nördlichen Bundesstaaten Tamaulipas und Nuevo León im letzten Jahr mit der hydraulischen Risserzeugung ('Fracking') in den Schiefergaslagerstätten Burgos und Eagle Ford, das bis in den US-Bundesstaat Texas reicht, in Verbindung.

Der Wissenschaftler Ruperto de la Garza stellte einen Zusammenhang zwischen den seismischen Aktivitäten und den Tiefbohrungen fest, bei denen unter hohem Druck große Wassermengen mit chemischen Zusätzen in das Gestein gepresst werden, um das Gas leichter freisetzen zu können.

"Letztendlich kommt es zu einer Veränderung der geologischen Struktur", erläutert de la Garza, Experte bei der Beratungsfirma 'Umwelt- und Risikomanagement' in Saltillo, der Hauptstadt des nordmexikanischen Bundesstaates Coahuila. "Wenn die Chemikalien eingespritzt werden und das Sedimentgestein zerbröselt, bewegt sich die Erde", erklärte er. "Die Strafe folgt somit gleich auf dem Fuß."

De la Garza hat eine detaillierte Karte über die im letzten Jahr festgestellten seismischen Bewegungen in den Gebieten erstellt, in denen Schiefergas abgebaut wurde. Seine am 22. März veröffentlichten Untersuchungsergebnisse belegen eine eindeutige Korrelation zwischen den dort identifizierten Erderschütterungen und dem Fracking.


Erdstöße nehmen zu

Dem Nationalen Seismologischen Dienst zufolge haben die seismischen Bewegungen in Nuevo León an Intensität und Häufigkeit zugenommen. Dort wurden mindestens 31 Beben von der Stärke 3,1 bis 4,3 auf der Richterskala registriert. Die meisten Erdstöße waren 2013 aufgetreten. Von denen, die im laufenden Jahr gemessen wurden, war das vom 2. bis 3. März am stärksten. De la Garza zufolge ist die Zahl der Beben in dem Bundesstaat seit letztem Jahr weiter gestiegen.

Das Burgos-Becken, das sich über die nördlichen Bundesstaaten Nuevo León, Tamaulipas und Coahuila erstreckt, verfügt über riesige Reserven an konventionellem Gas, das bereits seit zehn Jahren ausgebeutet wird. Seit 2011 hat PEMEX mindestens sechs Schiefergasbohrungen in den Bundesstaaten Nuevo León und Coahuila vorgenommen. Das Unternehmen bereitet sich zudem auf Explorationen im Norden des südöstlichen Bundesstaates Veracruz vor. Das Areal ist Teil eines größeren Gebietes, das sich über Chihuahua bis zur US-Grenze erstreckt und über mindestens fünf größere Schiefergasdepots verfügen soll.

Nach Angaben der US-Energieinformationsbehörde (EIA) ist Mexiko nach China, Argentinien, Algerien, den USA und Kanada das Land mit den größten Lagerstätten nichtkonventioneller Gasreserven, die sich mit den vorhandenen technischen Möglichkeiten ausbeuten lassen. Untersucht hatte die EIA 137 Lagerstätten in 41 Ländern.

Die Fracking-Methode erfordert enorme Wassermengen und Chemikalien. Im Zuge des Verfahrens werden große Mengen von Flüssigabfällen freigesetzt, die gelöste Chemikalien und andere Schadstoffe enthalten. Sie bedürfen vor ihrer Wiederaufbereitung oder Entsorgung einer besonderen Behandlung, wie die internationale Umweltorganisation Greenpeace warnt.

Die im Januar vorgelegte Studie 'Seismität im Bundesstaat Nuevo León' kommt zu dem Schluss, dass die Beben im Nordosten von Mexiko sowohl auf natürliche Prozesse als auch auf menschliches Handeln zurückzuführen sind. Der Bericht, der von Wissenschaftlern der Fakultät für Bauingenieurwesen der Autonomen Universität von Nuevo León erstellt wurde, bringt mehrere der seit 2004 aufgetretenen Erdbeben mit menschlichen Aktivitäten wie der Gewinnung von unkonventionellem Erdgas im Burgos-Becken in Verbindung.

Weitere in der Studie genannte Faktoren sind die Übernutzung der Grundwasserleiter (Aquifere) durch den Kartoffelanbau entlang der Grenze zwischen Coahuila und Nuevo León und den Baryt-Bergbau in Nuevo León. Zudem wurde die Zahl der Wasserbrunnen in den vergangenen zehn Jahren im Burgos-Becken von unter 5.000 auf 7.000 erhöht.


Hoher Wasserbedarf in wasserarmer Region

Eine Studie, die sich mit den ökologischen Auswirkungen des Regionalen Erdölförderprojekts Poza Rica Altamira und Aceite Terciario del Golfo von 2013 bis 2035, das sich über die Bundestaaten Veracruz, Hidalgo (Landesmitte) und Puebla (Süden) erstreckt, prognostiziert einen erhöhten Anstieg der Wassernachfrage für Fracking-Zwecke und für die Ausbeutung der Schiefergaslager im wasserknappen Norden des Landes.

PEMEX hat die 844-seitige Untersuchung am 10. März an das Umweltministerium weitergeleitet, damit es das Vorhaben genehmigt. Der Studie zufolge wären für jede der zehn Mehrphasen-Frackingarbeiten mehr als 12.700 Kubikmeter Wasser erforderlich. Sie gibt den Anstieg der mexikanischen Erdgasproduktion bis zum Jahr 2026 mit täglich rund 325 Millionen Kubikmetern an, die aus den höher gelegenen Gesteinsschichten von Eagle Ford und dem Schiefergaslager La Casita gewonnen werden sollen. La Casita erstreckt sich über Chihuahua, Coahuila, Nuevo León und Tamaulipas.

Bis 2026 werden 44 Prozent der gesamten Gasproduktion aus nichtkonventionellen Lagerstätten im Norden des Landes kommen. Diese werden aller Voraussicht nach von privaten Unternehmen ausgebeutet. Die Energiereform vom vergangenen Dezember hat die heimische Öl- und Elektroindustrie für ausländische Investitionen geöffnet.

In den USA durchgeführte Studien kamen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass das Tiefenverpressen von Abwässern seismische Aktivitäten verstärkt. In einer 2012 durchgeführten Untersuchung von Wissenschaftlern des 'US Geological Survey' wurden 683 seismische Aktivitäten seit 2008 von der Stärke vier auf der Richterskala gemessen.

Für den mexikanischen Experten Ruperto de la Garza steht außer Frage: "Mit zunehmender Schiefergasproduktion werden sich auch die Erdstöße verstärken. Fracking sollte verboten werden." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnoticias.net/2014/03/el-gas-de-esquisto-y-los-sismos-crecen-de-la-mano-en-mexico/
http://www.ipsnews.net/2014/04/fracking-seismic-activity-grow-hand-hand-mexico/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 4. April 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. April 2014