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SOZIALES/048: Kuba - Armut und Rohstoffmangel fördern Raubbau an der Natur (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. April 2014

Kuba: Armut und Rohstoffmangel fördern Raubbau an der Natur

von Ivet González


Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Von den kubanischen Behörden beschlagnahmtes Edelholz
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Havanna, 24. April (IPS) - In Kuba leisten der mangelnde Nachschub an Rohstoffen für den neu entstehenden Privatsektor und die Armut in den entlegenen ländlichen Gemeinden dem Raubbau an der Natur Vorschub. Gefährdete Tier- und Pflanzenarten werden somit weiter dezimiert.

2010 hatte die Regierung von Präsident Raúl Castro grünes Licht für private Wirtschaftsaktivitäten in einigen ausgewählten Bereichen gegeben, vor allem im Dienstleistungssektor. Da es aber keine Großhandelsmärkte für die etwa 455.000 offiziell registrierten Unternehmer gibt, nehmen Wilderei und illegaler Holzschlag zu. Nur 29 Prozent des kubanischen Staatsgebiets sind mit Wald bedeckt.

"Man erhält eine Genehmigung, um als selbständiger Schreiner zu arbeiten. Es ist aber schwer, an Holz zu kommen", sagt António Gutiérrez, der in einer Sägemühle im Feuchtgebiet Ciénaga de Zapata beschäftigt ist. "Die Leute brauchen Bretter, Fenster, einfach alles. Und sie können ihre Probleme lösen, indem sie in den Wald gehen und Holz schlagen."


Edelhölzer abgeholzt

Im vergangenen Jahr verhängten Waldhüter fast 20.000 Mal Bußgelder im Gesamtwert von 125.000 US-Dollar. 2.274 Kubikmeter Holz wurden beschlagnahmt. Auch wenn es keine Statistiken zu den in den vorherigen Jahren konfiszierten Mengen gibt, nimmt der illegale Holzschlag den Behörden zufolge zu. "Beschlagnahmt wurden Eiche und Mahagoni", sagt Gutiérrez. Der Bevölkerung müsse im Interesse des Waldschutzes dringend mehr Holz zum Kauf angeboten werden.

Die Leiterin der Forstabteilung im Agrarministerium, Isabel Rusó, hatte im März erklärt, dass die in einem seit 1998 geltenden Gesetz vorgesehenen Bußgelder niemanden vom illegalen Holzeinschlag abhalten. Privatfirmen könnten nur nach einem umständlichen bürokratischen Verfahren Holz von Staatsunternehmen oder auf dem Schwarzmarkt kaufen. 2015 soll ein neues Waldgesetz dem Parlament vorgelegt werden.

Das Problem beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Wälder des Landes. Im vergangenen Jahr konfiszierten die Behörden auch 1.696 Boote und registrierten 2.959 Fälle von unerlaubtem Fischfang. Im Vergleich zu 1.987 Fällen im Jahr 2011 und 996 im Jahr darauf ist somit ein deutlicher Anstieg zu beobachten.

In der westkubanischen Provinz Pinar del Rio wurden zwei Tonnen illegal gefangener Meeresschildkröten konfisziert. Bei den meisten handelte es sich um Exemplare bedrohter Arten. Außerdem wurden 219 einfache Fischerboote beschlagnahmt und Geldbußen wegen illegaler Fangmethoden, dem Fang geschützter oder giftiger Spezies sowie wegen Vandalismus gegen staatliche Fischereibetriebe verhängt.

"Die Jagd auf die Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta) ist verboten. Sie findet meist nachts statt, wenn die Weibchen am Strand ihre Eier ablegen", berichtet der Maurer Pedro Fernández aus Havanna, ein Hobby-Fischer. "Die Schildkröten werden getötet und ausgenommen und die Überreste ins Meer geworfen", sagt der 62-Jährige. Es sei sehr schwierig, das wahre Ausmaß des Problems abzuschätzen. Um Schildkröten zu fangen, legten die Fischer mindestens einen Monat lang Netze am Meeresgrund aus.

Zwischen Mai und September legen die Unechte Karettschildkröte, die Suppenschildkröte und die Echte Karettschildkröte Eier an den Stränden Kubas ab. Viele Strände sind Naturschutzgebiete, etwa im Bereich des Archipels Jardines de la Reina, der Isla de la Juventud oder der Koralleninseln San Felipe und Largo del Sur sowie an der Halbinsel Guanahacabibes in Pinar del Rio.


Hohe Schwarzmarktpreise

Die Wilderer nehmen keine Rücksicht auf die Brutzeiten und lassen sich auch durch strikte Polizeikontrollen und Strafen nicht abhalten. Das Fleisch bestimmter Tiere, Fische und Meerestiere wird auf dem Schwarzmarkt zu für kubanische Verhältnisse astronomischen Preisen gehandelt. Ein Kilo Schildkröten- oder Krokodilfleisch kostet zwischen fünf und sieben Dollar. Etwa 80 Prozent der Bevölkerung wird vom Staat zu Gehältern von durchschnittlich 19 Dollar pro Monat beschäftigt. Nur diejenigen Kubaner, die andere Einnahmequellen haben, können sich Luxusgüter leisten.

In den Küstengebieten, in den Mangrovenwäldern und Sümpfen und in den 103 kubanischen Naturschutzgebieten nehmen die illegalen Aktivitäten zu. Deutlich sichtbar ist bereits der Schaden an den 1.163 gefährdeten Tier- und den 848 Pflanzenarten. Diebe haben es auf Seekühe, Delphine, Krokodile, Kaimane, Schildkröten, schwarze Korallen oder Papageien abgesehen.

Die Behörden verstärken unterdessen ihre Kontrollen, um den Kampf gegen den internationalen Schmuggel zu verstärken. Außerdem wollen sie die Bürger für den Umweltschutz sensibilisieren. Für die Menschen, die in der Nähe oder innerhalb von Naturschutzgebieten leben, müsse es Alternativen zu deren Existenzsicherung geben, meint Carlos Rojas, der Verwalter der geschützten Guanaroca-Gavilanes-Lagune.

In dem Naturreservat, das elf Kilometer von der Stadt Cienfuegos im Südosten der Insel entfernt liegt, sind laut Rojas inzwischen weniger Wilddiebe aktiv - allerdings eher aus Angst vor ihrer Bestrafung als aus Sorge um die Umwelt. (Ende/IPS/ck/2014)


Links:

http://www.ipsnews.net/2014/04/cubas-burgeoning-private-sector-hungry-flora-fauna/
http://www.ipsnoticias.net/2014/04/hambre-de-flora-y-fauna-en-el-joven-sector-privado-de-cuba/

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IPS-Tagesdienst vom 24. April 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2014