Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

USA/001: Kampf gegen Ölpest schadet Gesundheit - Menschen am Golf von Mexiko krank (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. August 2010

Umwelt: Kampf gegen Ölpest schadet Gesundheit - Menschen am Golf von Mexiko krank

Von Dahr Jamail


Dauphin Island, Alabama, 13. August (IPS) - Der BP-Konzern will glaubhaft machen, dass er den Ölteppich im Golf von Mexiko nicht mehr mit giftigen Substanzen bekämpft. Anwohner halten das jedoch für eine Lüge, da sie anhaltende gesundheitliche Probleme haben.

Anfang August berichtete der Fischer Donny Mastler aus dem Ort Dauphin Island im US-Bundesstaat Alabama von Krankheitssymptomen, die er auf den Kontakt mit den Öl-Dispergatoren Corexit EC9527A und EC9500A zurückführt. Davon hat BP seit dem Erdölleck über sieben Millionen Liter eingesetzt.

"Ich war mit meinem Freund Albert im Yachthafen von Dauphin Island unterwegs, und wir bekamen die volle Ladung ab", berichtet Mastler über den Kontakt mit den Chemikalien. "An der Wasseroberfläche sahen wir haufenweise weiße Blasen, die wir vom dispergierten Öl her kennen."

Beiden Männern tränten die Augen und sie hatten Halsschmerzen. Albert setzte sich erst einmal in sein Auto und ließ die Klimaanlage laufen, Mastler fuhr gleich nach Hause. "Ich brachte braunes Erbrochenes hoch, und mein Urin war ebenfalls braun", sagt er. "Das ging den ganzen Tag so. In der Nacht hatte ich Schweißausbrüche und Durchfall, wie ich ihn noch nie erlebt habe."


Schwerwiegende Symptome

Die Chemikalien werden über Schleimhäute und die Haut aufgenommen, also über die eingeatmete Luft, über Nahrung oder durch Hautkontakt. Anzeichen sind unter anderem Kopfschmerzen, Schwindel, Erbrechen, Durchfall, Bewusstseinsstörungen, Schmerzen in Brust und Bauch sowie Irritationen der Augen, der Nase, des Rachens und der Lunge, Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck. Schäden und Mutationen des Erbguts können zudem die Folge sein.

Ein lokaler Privatsender nahm vor Kurzem eine Wasserprobe, die beinahe explodierte, als Chemiker organische Lösungsmittel hinzu gaben, um Öl und Wasser zu trennen. Bob Naman, der die Analyse durchführte, sagte dem Sender: "Wir führen das mit großer Wahrscheinlichkeit auf Methan- oder Methanolgas im Wasser oder den Dispergator Corexit zurück."

Mastlers Symptome sind typisch für den Kontakt mit Corexit. BP hingegen sagt, man beobachte die vom Ölleck betroffenen Gebiete aus der Luft. In einer schriftlichen Erklärung des Ölkonzerns hieß es, dass Untersuchungen zufolge nur sehr wenige Menschen mit Öl oder Dispergatoren in so hohen Konzentrationen in Kontakt kommen könnten, dass dadurch möglicherweise gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgelöst würden.

Viele Ärzte und Wissenschaftler widersprechen. Der Toxikologe und Meeresbiologe Riki Ott etwa verweist auf die Lösungsmittel in den Chemikalien. "Die Lösungsmittel zersetzen Öle, Fette und Gummi. Leute, die nahe bei dem Leck im Einsatz waren, haben mir berichtet, dass sich Hartgummiflügelräder in ihren Motoren und Weichgummilager zersetzen und oft ausgetauscht werden müssen. Taucher sagen dasselbe über die Gummi-O-Ringe an ihrer Ausrüstung und berichten sogar davon, dass ihre Anzüge beschädigt wurden."

Angesichts dieser Aussagen hält es Ott für nicht verwunderlich, dass die Lösungsmittel auch für den Menschen hoch giftig sind. "Das wissen Mediziner aber bereits seit langem" Selbst das US-Militär hat die Routen seiner Trainingsflüge inzwischen so verändert, dass keine ölverseuchten Gebiete mehr überflogen werden. Fische und andere Tiere können nicht so einfach ausweichen, und an der Küste mehren sich die Berichte über angeschwemmte Kadaver.

Am Tag, an dem Mastler und sein Kollege erkrankten, schloss die Stadtverwaltung von Port St. Joe in Florida eine öffentliche Bootsanlegestelle, nachdem tote Fische und Schalentiere zu Hunderten angeschwemmt worden waren.

Drei Tage später fühlte sich der Fischer zwar wieder etwas besser, sein Urin war aber immer noch braun. Viele weitere Menschen an der Küste klagen über Hautreizungen, Atemprobleme, Schwindel, Kopfschmerz und andere Probleme, die sie mit den von BP eingesetzten Chemikalien in Verbindung bringen.


Tiefes Misstrauen

Mastler, der als seeerfahrener Mann auch für den Ölmulti hätte arbeiten können, hatte dies kategorisch abgelehnt. Er traute dem Konzern nicht. "Deswegen habe ich da nie angeheuert und werde es auch nie tun. Ich habe überhaupt nichts dafür übrig, wie sie Menschen hier über die Klinge springen lassen und dass sie uns krank machen."

"Es hat schon Tote gegeben hier", fügt er hinzu. "Sie schicken unerfahrene Leute raus, geben ihnen unzuverlässige Ausrüstung mit defekten Atemmasken."

Mitte August hatte der Fischer immer noch Probleme. "Ich fühle mich immer noch schrecklich und gehe gleich zum Arzt", klagt er. Kampf gegen Ölpest schadet Gesundheit - Menschen am Golf von Mexiko krank "Es kann gut sein, dass ich ins Krankenhaus muss. Ich bin kurzatmig, der Durchfall war fürchterlich, mein Urin ist immer noch verfärbt, und vorgestern habe ich weißen Schaum mit braunen Flecken ausgehustet."

Donny Mastler ist fest entschlossen, die Arztrechnungen an BP zu schicken. (Ende/IPS/sv/2010)


Link:
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52471

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 13. August 2010
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2010