Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

WALD/114: Zellstoffproduktion - Indonesiens Regenwälder vor dem Aus? (ARA Magazin)


ARA Magazin 18, 2/12 - Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.

Indonesiens Regenwälder vor dem Aus?

Neue Zellstoffwerke geplant



Indonesiens Papierkonzerne sind dabei, bedeutende Regenwaldgebiete Südostasiens zu vernichten. Die Aktivitäten von Firmen wie APP und APRIL konzentrieren sich derzeit auf die Insel Sumatra. Hier sind sie für Kahlschläge, Feuerkatastrophen, die Gefährdung bedrohter Tierarten und für massive Menschenrechtsverletzungen an der lokalen Bevölkerung verantwortlich. Nun wollen sie ihre Geschäfte stärker nach Europa ausweiten.

ARA und das Europäische Umwelt-Papiernetzwerk (EEPN) haben drei indonesische Umweltschützer eingeladen, um eine breite Öffentlichkeit gegen die Kahlschlagwirtschaft zu mobilisieren. In neun europäischen Großstädten berichteten Aidil Fitri, Muslim Rasyid und Hariansyah Usman vor Umweltorganisationen, Verbraucherverbänden, Vertretern der Papierindustrie, potentiellen Investoren, Politikern und Journalisten über die dramatische Situation.

Die Auftaktveranstaltung fand im November in der Alten Feuerwache Berlin im Rahmen der auch von ARA organisierten Jahrestagung des Bundesnetzwerks Papierwende statt. Sichtlich bestürzt folgten die Gäste den Erklärungen des indonesischen Naturschützers Aidil Fitri: "Die Papierindustrie bedroht die Existenz von 45 Millionen Menschen in unserer Heimat. Das Urwald-Holz auf einer Fläche von der Größe Englands ist bereits in den Zellstoff-Mühlen verschwunden".

Aldil Fitri arbeitet bei der Umweltorganisation Yayasan Wahana Bumi Hijau im Süden Sumatras und beobachtet schon seit vielen Jahren die Auswirkungen der Tropenwaldvernichtung auf der indonesischen Insel. Gut ein Drittel aller Indonesier hängt direkt vom Wald und seinen Produkten ab. Verschwindet der Wald, sind die Menschen entwurzelt.

Die indonesischen Papierproduzenten Asia Pulp & Paper (APP) und Asia Pacific Resources International Limited (APRIL) haben ihrer Regierung zugesichert, Land- und Menschenrechte zu achten, Naturwälder zu schonen. "Die tägliche Praxis beweist das Gegenteil", empört sich Aidil Fitri. "Korrupte Firmenchefs eignen sich illegal Waldland an und verwandeln es in eine Mondlandschaft. Seit Generationen haben hier Menschen die Produkte des Waldes genutzt, ohne ihn zu zerstören. Nun wissen sie nicht mehr, wohin sie gehen und wovon sie leben sollen. Im Distrikt Pelawan zum Beispiel ist bereits die Hälfte des Landes mit Holzplantagen bedeckt, und die Hälfte der Dörfer gilt inzwischen als arme und benachteiligte Gemeinden".

Lebensgrundlagen vernichtet

Besonders dramatisch ist die Situation in Riau. 1985 war die Provinz an der Ostküste Sumatras noch zu fast drei Viertel bewaldet. Dann begann die Papier- und Holzindustrie, dort Fuß zu fassen. Seither hat Riau 63 Prozent seiner Wälder eingebüßt, berichtete Muslim Rasyid, der bei der Organisation Jikalahari für die Rechte von Gemeinden kämpft. Fast ein Drittel der Fläche Riaus ist in den Händen der beiden großen Papierkonzerne APP und APRIL. Ihre Holzplantagen und Einschlagskonzessionen in Naturwäldern bedecken etwa 3 Millionen von 9,5 Millionen Hektar Gesamtfläche Riaus. Dazu kommen noch 400.000 Hektar Wald anderer Unternehmen.

Die beiden Zellstoffwerke in der Provinz haben bereits eine Kapazität von 4,2 Millionen Tonnen pro Jahr. Sie soll in den kommenden Jahren fast verdoppelt werden Denn, so heißt es in einer Pressemitteilung: "APP hat es sich zum Ziel gesetzt, im 21. Jahrhundert zur Nummer 1 der Papier- und Zellstoffhersteller nach internationalem Standard aufzusteigen". Das heißt unter anderem, noch mehr Wald abzuholzen und in Holzplantagen zu verwandeln.

Die Hälfte der bisherigen Entwaldung Riaus geht allein auf das Konto der beiden Papiergiganten APP und APRIL. Auf den abgeholzten Flächen sind zum Teil Akazienmonokulturen angelegt worden, die in Zukunft den Rohstoff Holz an die Zellstoffmühlen liefern sollen.

Doch das Plantagenholz deckt den Bedarf längst nicht, so dass APP auch Holz aus Primär- und Sekundärwäldern zu Zellstoff verarbeitet. Dieses Tropenholz schlagen sowohl konzerneigene Firmen als auch Subunternehmen ein. Daneben gibt es auch immer wieder Hinweise auf den Bezug von illegal eingeschlagenem Holz. In einigen Fällen wurden Unternehmen von APP und APRIL in Gerichtsprozessen wegen illegaler Abholzung genannt. Bezeichnenderweise verliefen diese Prozesse meistens im Sande bzw. wurden "plötzlich abgeschlossen".

In Riau herrscht Krieg

APP hat vielen Menschen ihr Land genommen und in der Vergangenheit Menschen auch mit Gewalt vertrieben. Auf das Dorf Suluk Bongkai in Riau warf im Dezember 2008 ein Hubschrauber eine Brandbombe ab, die Hunderte von Häuser in Brand setzte. Mehrere Hundertschaften von Polizei und Schlägertrupps attackierten das Dorf mit Tränengas und Waffen. Damals protestierten viele Umweltverbände weltweit gegen den brutalen Überfall auf die Bevölkerung.

"Die verfassungsmäßig verankerten Landnutzungsrechte der indigenen Bevölkerung sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen", bestätigt Muslim Rasyid, der bei der Organisation Jikalahari für die Rechte von Bauern und Fischern kämpft. Er beklagt, dass die lokale Bevölkerung meist nicht in Planungen und Entscheidungsprozesse einbezogen wird und bisher die wenigsten der von ihnen befragten Menschen von den neuen Zellstoff-Fabriken wissen.

Muslim Rasyid macht sich auch große Sorgen um die Gesundheit der Bevölkerung auf Sumatra: "Waldbrände sind in der Provinz Riau an der Tagesordnung. Menschen und Tiere leiden stark unter dem permanenten Rauch. 7.600 Kinder in der Region haben massive Atemwegserkrankungen."

Neue Gefahren

"Wir sind sehr besorgt darüber, dass ein weiteres Zellstoffwerk in Süd-Sumatra geplant ist", sagt Hariansyah Usman. Er arbeitet bei der Organisation WALHI und ist Ansprechpartner für Gemeinden, die mit industriellen Plantagen und Zellstoff-Fabriken in Konflikt stehen. "Jede neue Zellstoffmühle bedeutet weitere Jahrzehnte der Zerstörung". Mit einem jährlichen Ausstoß von 2 Millionen Tonnen Zellstoff wird es eines der größten Werke dieser Art weltweit sein. "Wir befürchten auch, dass das neue Werk den Lalan River vergiften wird, der von über zehn Dörfern als Trinkwasserquelle genutzt wird". Dort, wo es so gut wie keine Umweltauflagen gibt, sind die Belastungen durch die Papierproduktion enorm.

Elefantenbestand zusammengebrochen

Der Holzeinschlag für Papier vernichtet eines der artenreichsten Ökosysteme der Erde mit einem unschätzbaren Reichtum an Tieren und Pflanzen. Die Elefanten-Population in der Provinz Riau verringerte sich von 1984 bis 2007 um mehr als 84 Prozent, die Zahl der Sumatra-Tiger sank von 640 auf unter 200. Die Waldzerstörung verursacht außerdem einen alarmierenden Ausstoß an Treibausgasen. 85 Prozent der von Indonesien ausgehenden Klimagase stammen aus der Waldvernichtung. Nach den USA und China ist Indonesien heute der drittgrößte Emittent von Treibhausgasen.

Besonders gravierend sind die Klimafolgen bei der Zerstörung von Sumpfwäldern. Die Jahrtausende alten Torfböden sind bis zu zehn Meter mächtig. Werden sie trockengelegt, verrottet die Torfmasse und setzt große Mengen des Klimagases Kohlendioxid frei. Aidil Fitri liefert Zahlen: "95 Prozent der bisherigen Zerstörung in der Provinz Riau fanden in Torfmoorwäldern statt. Dabei müssen diese offiziell geschützt werden."

90 Prozent der neuen Konzessionen von APP und APRIL befinden sich auf Torfböden, die über vier Meter dick sind. Nach indonesischen Gesetzen ist der Holzeinschlag hier illegal. "Die Umwandlung der bereits konzessionierten Waldgebiete in Zellstoffplantagen würde fast 500 Millionen Tonnen CO2 freisetzen", bilanziert Aldit Fitri.

Seit Mai 2011 gilt in Indonesien ein zweijähriges Verbot für die Umwandlung von Naturwäldern in Plantagen. Das so genannte Waldmoratorium ist Teil eines Abkommens mit Norwegen, das die Zahlung von einer Milliarde US-Dollar in Aussicht gestellt hat, wenn Indonesien nachweislich die Emissionen von Klimagasen aus Waldverlust senkt.

Die Hoffnung, dank des Moratoriums werde zwei Jahre lang kein Wald mehr abgeholzt, ist allerdings trügerisch, denn bestehende und zu verlängernde Konzessionen sind ausgenommen. Das Moratorium ist somit relativ wirkungslos, um die von Präsident Yudhoyono versprochene Reduzierung der Treibhausgasemissionen erreichen zu können.

APP und APRIL profitieren von der Schwächung des Moratoriums, denn von ihren drei Millionen Hektar Konzessionen sind noch mindestens 800.000 Hektar bewaldet. Beide Unternehmen behaupten, das Moratorium zu unterstützen. Es wird befürchtet, dass beide Firmengruppen ihre Abholzungen in Riau jetzt umso schneller vorantreiben werden, da das Moratorium sie daran hindert, anderswo zu roden.

Auch Norwegen profitiert möglicherweise von dem schwachen Moratorium, denn wie bekannt wurde, will der norwegische Pensionsfonds in die APP-Zellstofffabrik Indah Kiah Pulp and Paper investieren.

"Europäische Investoren und Papierfirmen müssen vermeiden, für solch eine Entwicklung auf Sumatra mitverantwortlich zu sein. Das versuchen wir auf unserer Europareise durchzusetzen", sagen die drei indonesischen Umweltschützer. ARA und EEPN arbeiten im Rahmen ihrer Indonesien-Kampagne daran, dass Firmen und Investoren in Europa ihrer Verantwortung gerecht werden. Denn wie viel Einfluss Umweltverbände auf Großverbraucher von Papier aus Indonesien haben können, zeigen einige Erfolge: Klagen über mangelnden Umweltschutz bei APP und APRIL hatten den Verlust wichtiger Kunden in den Vereinigten Staaten und Europa zur Folge - unter anderem Carrefour, Tesco, Kraft, Unisource, Staples, Walmart, Ricoh, Woolworths, Gucci, H&M, Fuji, Xerox, und jüngst auch Disney.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Sumatra 1990 [Karte]
(dunkelgrün) Regenwald auf Torfböden: 7,5 Mb. ha
(hellgrün) anderer Regenwald: 17,7 Mio. ha

Sumatra 2008 [Karte]
Regenwald auf Torfböden: 2,4 Mio. ha
(rot) Verlust 5,0 Mio. ha
anderer Regenwald: 10,2 Mio. ha
(orange) Verlust 7,5 Mio. ha

  • Hariansyah Usman, Muslim Rasyid und Aidil Fitri beim Treffen des Bundesnetzwerk Papierwende in Berlin
  • Erst wird der Regenwald gerodet, dann entstehen Monokulturen.
  • Brennende Häuser im Dorf Suluk Bongkai
  • Seite gegenüber: In der Provinz Riau betreibt APP eines der größten Zellstoffwerke der Welt.

*

Quelle:
ARA Magazin 18, 2/12, Seite 4-8
Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.
August Bebel Str. 16-18, 33602 Bielefeld
Redaktion: Jürgen Wolters, Wolfgang Kuhlmann, Jürgen Birtsch
Telefon: 0521/6 59 43, Fax: 0521/6 49 75
E-Mail: ara@araonline.de
Internet: www.araonline.de
 
Das ARA Magazin erscheint halbjährlich.
Mitglieder und Förderer von ARA erhalten es kostenlos.


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2013