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WALD/177: Der Forstwirtschaftsgipfel in Durban (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 3, Mai/Juni 2015

Auf dem Holzweg

von Wally Menne


Im September findet in Durban der Forstwirtschaftsgipfel statt. Die EU könnte dazu beitragen, einen Kurswechsel einzuleiten. Bislang werden die Probleme der Bevölkerungsgruppen ignoriert, die von der Holzindustrie an den Rand gedrängt wurden.


Alle sechs Jahre findet der Forstwirtschaftsgipfel (World Forestry Congress WFC) statt. Den Auftakt dieser größten Versammlung der globalen Forstwirtschaft und ihrer Partner bot der Gipfel 1949 in Helsinki. Inzwischen hat er sich zum Treffpunkt von Banken, Investmentfonds, Herstellern von Forstmaschinen und Transportmitteln, Verschiffungsunternehmen, Cellulose- und Papierfabriken, Kohlenstoffhändlern, gleich gesinnten Wissenschaftlern und Nichtregierungsorganisationen entwickelt. Im September tagt der Gipfel in Durban.

Der WFC ist eine größtenteils europäische Erfindung und fest im Griff der Welternährungsorganisation FAO in Rom. Von Anfang an wurde die Sichtweise beworben, Bäume als Geldanlage wahrzunehmen, die hauptsächlich einer monopolistischen Gruppe von Firmen und ihren Aktionären dienen, die größtenteils in Europa ansässig sind. Zum WFC 2015 in Durban werden fast doppelt so viele Teilnehmende erwartet wie beim letzten WFC in Argentinien 2009. Das folgt dem Trend, seit beim WFC in Kanada 2003 über 4000 Teilnehmer anwesend waren.


Geschichtlicher Hintergrund

In der Vergangenheit wurden in Europa Waldflächen gerodet, um Land für die Agrarwirtschaft und zusätzliche Ressourcen für industrielle Bedürfnisse zu schaffen. Dies erschöpfte Europas Waldbestände, daher wurden nach dem 2. Weltkrieg große Flächen mit Baumplantagen bepflanzt. Eine neu entwickelte Methode der industriellen Forstwirtschaft ersetzte den traditionellen Weg, der den Fokus auf Erhaltung und sinnvolle Nutzung gelegt hatte. So entstand der "Plantagen-Manager" als neuer Berufszweig, der nun zur Norm wurde. Anstatt auf eine gesunde Mischung von natürlich auftretenden und lokalen Baumarten zu setzen, stehen seither schnelle Produktion und Profitorientierung im Mittelpunkt der Interessen. Als Folge wurden nicht einheimische Baumarten wie die nordamerikanische Sitka Spruce, Caribbean-Kiefer und weitere ungetestet und unüberlegt in Europa verbreitet. Dieses neue, wenig nachhaltige europäische Forstwirtschaftsmodell wurde in die subtropischen Regionen, vor allem in die Kolonien, exportiert. Dort hat es zur Zerstörung der biodiversen Wälder und anderer natürlicher Vegetationen geführt. In Siedlerkolonien wie Südafrika oder Simbabwe führten auch eingewanderte Siedler aus Europa und deren Unternehmen schon ab der Jahrhundertwende schnell wachsende Bäume ein, die sie für zahllose Weidepfähle zur Umzäunung von Großfarmen, für die Bau-, Möbel- und Papierindustrie brauchten. Das Apartheidregime wollte mit riesigen Baumplantagen, in denen beispielsweise importierte Eukalyptus- und Pinienmonokulturen wuchsen, den nationalen Holzbedarf decken. Teilweise setzte es sogar auf den Export der schnell gewachsenen Baumstämme. Dabei wurden die sozialen, kulturellen und ökologischen Werte ignoriert und zerstört. So fanden mancherorts Zwangsumsiedlungen statt und der hohe Wasserverbrauch der Plantagen mit fremdartigen Gehölzen schädigte die lokalen Ökosysteme. Am Ende der Apartheid bedeckte der einheimische Wald nur etwa 340.000 Hektar, der kommerzielle Forst hingegen über 1.700.000 Hektar. Kurz nach der Einführung der Apartheid hatte er ca. 690.000 Hektar betragen. Auch in den früheren Homelands ließ der Staat Holzplantagen für industrielle Zwecke anlegen.


Falsche Definition von Wald

Zahlreiche internationale Akteure haben sich in ihren Veröffentlichungen zum Schutz "echter" Wälder und den damit verbunden Vorteilen für örtliche Gemeinden und Einheimische bekannt. Durch gezielte Falschdarstellung seitens der Forstindustrie wurden bestehende Wälder aber in "Holzfabriken" verwandelt und auch in nicht-bewaldeten Gebieten Plantagen angepflanzt. Angeblich hätten diese die gleichen ökologischen Eigenschaften wie natürliche artenreiche Wälder.

Die FAO-Definition für ein Waldgebiet ist sehr vage: Jede Gruppe von Bäumen, deren Kronen mindestens zehn Prozent eines Gebietes bedecken und mindestens fünf Meter hoch sind, gelten nach der offiziellen Klassifizierung als "Wald". Praktisch kann dadurch eine zufällige Ansammlung von invasiven, nicht einheimischen Bäumen in natürlichen Gebieten wie etwa Grasland von der FAO aus statistischen Gründen als Wald klassifiziert werden. So unterstützt die FAO die Forstwirtschaft. Industrielle Baumplantagen, die den Lebensraum anderer Lebewesen einnehmen, zerstören aber die Artenvielfalt. Die Banken und Investmentfonds nehmen den armen Menschen ihr Land und tragen mit ihren Investitionen zur globalen Tragödie bei. Seit dem ersten WFC in Helsinki vor 65 Jahren scheiterten die Kongresse daran, Schlüsselprobleme wie die unkontrollierte Abholzung anzugehen, die durch den exzessiven Verbrauch in den "entwickelten Staaten" angetrieben wird und so das Problem überhaupt erst entstehen lässt.


Aufgabe für die EU

Die Europäische Union könnte bei entsprechendem Willen dazu beitragen, die Probleme zu lösen. Der WFC 2015 wird der EU die Gelegenheit bieten, von der Forstwirtschaftsmaschinerie zu verlangen, den Rückwärtsgang einzulegen. So könnte dem exzessiven Land Grabbing und dem Verlust der Artenvielfalt in sich entwickelnden Staaten - wie im südlichen Afrika - Einhalt geboten werden, da diese Zerstörungen vornehmlich von der EU und anderen Märkten voran getrieben werden. Wenn die EU ihren politischen Einfluss nutzt, kann eine umfassende Trennung zwischen natürlichen Wäldern und industriellen Plantagen erwirkt werden. In allen politischen Vorgaben der EU-Mitgliedsländer sollte insbesondere auf die Reduzierung des Konsums und die Nachfrage nach Cellulose, Papier und Biotreibstoffen Bezug genommen nehmen. Notwendig wäre auch eine Neueinschätzung der Effektivität von Zertifikaten in der Palmöl- und Holzproduktion und im Kohlenstoffausgleich durch Wälder, der den Klimawandel mildern sollte.


Gesellschaftliche Reaktion

Parallel zum offiziellen WFC in Durban wird ein alternatives zivilgesellschaftliches Programm (CSAP) mit Informationsveranstaltungen, Diskussionsrunden und anderen Aktivitäten stattfinden. Bislang waren die CSAP-Konferenzen exklusive Treffen, die vor allem den Interessen der Holzindustrie, Finanzinstitutionen und Regierungen dienten. Allein schon die hohe Teilnahmegebühr von 350 US-Dollar pro Person schloss Vertreter armer Gemeinden und indigener Gruppen sowie ausgebeutete Waldarbeiter aus.

Auch in Südafrika ist die rechtliche Situation der Waldarbeiter oft problematisch: Ihr Mindestlohn ist sehr gering, temporäre Arbeitsverträge sind verbreitet und auf manchen Plantagen herrschen prekäre Arbeitsverhältnisse.

Da selbst auf UN-Konferenzen marginalisierte zivilgesellschaftliche Organisationen selten ernst genommen werden, hat es sich bewährt, sogenannte "Gegenkongresse" auszurichten. Der Zweck dieser CSAP-Parallelkonferenz ist nicht, die WFC oder die Unternehmen und Banken zu stoppen, sondern ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie die Holzindustrie das Leben und das Land von Menschen ohne faire Kompensation ausbeutet. Es geht um die Unterstützung der Betroffenen, damit sie Wissen erlangen und sich selbst organisieren können, um ihre Rechte und Ressourcen zu schützen.



Der Autor ist Koordinator der Timberwatch Coalition


TIMBERWATCH COALITION

Timberwatch ist ein 1995 gegründetes Netzwerk, das die Waldpolitik sowie deren Umsetzung und das Vorgehen der Holzindustrie kritisch beobachtet. Timberwatch erstellt Studien und organisiert darauf aufbauend Gemeindeworkshops, um die lokale Bevölkerung und Regierungsvertreter über negative ökologische, soziale und ökonomische Folgen großer Holzplantagen zu informieren. Dazu zählen mehrere Studien in Südafrika, sowohl auf Provinzebene - beispielsweise in KwaZulu-Natal - als auch mit nationalem Fokus. Neben den Verflechtungen zwischen Banken und Unternehmen, wie der Nedbank mit Sappi, dem in Johannesburg ansässigen globalen Papierhersteller, war die Holzzertifizierung ebenfalls ein Thema.

Timberwatch hat in mehreren SADC-Ländern die problematischen sozio-ökonomischen Folgen der Holzplantagen erforscht. In Tansania untersuchte Timberwatch das Plantagenprojekt des norwegischen Unternehmens Green Resources Ltd. Es ging um 6500 Hektar nicht-indigener Pinien- und Eukalyptusbäume, die im Rahmen der Reduzierung von CO2-Emmissionen an die norwegische Regierung verkauft werden sollten. Timberwatch hat eine umfassende Studie erstellt, die auch den Handel mit Treibhausgasen, Trends in der globalen Holzindustrie und mögliche alternative Ansätze zum Stopp des Klimawandels thematisiert. Das Netzwerk informiert auch über Erkenntnisse anderer Organisationen und Ergebnisse investigativer Journalisten, etwa über den Raubbau an Wald in Mosambik, konkret den illegalen Holzeinschlag und -verkauf nach China. Timberwatch ist Mitglied der weltweiten Bewegung für Regenwälder WRM und war jahrelang die Koordinationsstelle für die globale Forstkooperation GFC in Afrika.

www.timberwatch.org

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
44. Jahrgang, Nr. 3, Mai/Juni 2015, S. 35-36
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
Tel.: 0228 / 46 43 69, Fax: 0228 / 46 81 77
E-Mail: issa@comlink.org
Internet: www.issa-bonn.org
 
"afrika süd" erscheint mit 6 Heften im Jahr
Jahresabonnement Euro 35,-


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2015

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