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WALD/221: Afrikas Wälder werden auch in Europa zerstört (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 6, Dezember 2018

Afrikas Wälder werden auch in Europa zerstört
Energie aus Biomasse könnte den klimaschädigenden Gebrauch von Holzkohle reduzieren

von Jürgen Langen


Fragt man Menschen aus dem globalen Norden, wofür man Holzkohle eigentlich braucht, so erhält man zumeist die Antwort: "Holzkohle verbinde ich mit Freunden, Sonne und einem gemütlichen Grillabend."

Die Diskussion um den globalen Klimawandel ändert die Perzeption aber gerade. Es geht schon lange um mehr als nur um Grillpartys. Während der jährliche Holzkohle-Konsum in Europa bei circa 800.000 Tonnen liegt, sind weltweit, vor allem aber in Entwicklungsländern, drei Milliarden Menschen auf Holz bzw. Holzkohle als Energiequelle angewiesen. In vielen Ländern des südlichen Afrika kochen und heizen mehr als 90 Prozent der Haushalte hiermit. Der Ausstoß von klimaschädigenden Gasen in der Holzkohleproduktion ist enorm. Besonders während trockener Perioden nutzen die lokalen Bauern die Holzkohleproduktion als Rettungsanker, um ihre Familien zu ernähren.

70 Prozent der europäischen Grillkohle wird momentan aus den Ländern des globalen Südens importiert, vor allem aus Afrika. In den Holzkohlesäcken, die wir in den deutschen Einzelhandelsmärkten und an Tankstellen finden, steckt häufig Holzkohle aus Tropenholz. Während die Einfuhr von Tropenholz strengen Auflagen unterliegt, ist dies bei Holzkohle anders. Auch hier gibt es Richtlinien, welche jedoch kaum beachtet werden. Die Einnahmen aus dem illegalen Kohlenhandel sind mit annähernd 7,5 Mrd. US-Dollar jährlich fast drei Mal so hoch, wie die aus dem illegalen Drogenhandel, so Experten vom Hamburger Thünen-Institut, dem "The Forest Trust" und des WWF in einer 3SAT-Dokumentation.

Die Auswirkungen sind enorm. Allein Nigeria - das Holzkohle fast ausschließlich für den Export herstellt - verlor in der Zeit von 1990 bis 2005 36 Prozent seiner Wälder. Zurzeit sind nur noch 12 Prozent des Landes mit Wald bedeckt - doch die Holzkohleproduktion steigt indes ungeachtet. 350.000 Hektar fruchtbares Land gehen in Nigeria vermutlich jährlich verloren. In anderen Ländern des Kontinents, z.B. der DR Kongo, Sambia, Tansania und Simbabwe, sieht es nicht besser aus.

Laut UN zählt die Holzkohleproduktion zu den Hauptursachen für die Entwaldung Afrikas, für die massive Verschlechterung der Bodenqualität und das steigende Risiko von Ernteausfällen. Bäume sorgen für ein feuchteres Mikroklima, sie halten das Wasser. Durch den Verlust der Bäume fehlt dem Boden der Halt und die fruchtbare Humusschicht wird bei Starkregen einfach weggespült. Niemand scheint diese Entwicklung in Afrika stoppen zu wollen. Zu lukrativ ist das Geschäft. Gleiches gilt auch in Europa. Polen ist der wichtigste Im- und Exporteur von Holzkohle. Aus afrikanischen Ländern wird importiert, dann über Polen in die anderen EU-Länder exportiert.

In Simbabwe, wo die Wirtschaft seit 2013 vollkommen zusammengebrochen ist, gibt es zusätzlich noch einen ganz eigenen Grund für die enorme Schrumpfung der Wälder. Die stetig wachsende Tabakindustrie, die auf Heißluft zur Trocknung angewiesen ist, gilt als eine der Hauptverantwortlichen für die Abholzung der natürlichen Waldbestände. Alleine 15 Prozent aller Wälder Simbabwes wurden bis zum Jahre 2014 für den Anbau von Tabak geredet. Aktuelle Prognosen stellen alarmierend fest, dass der natürliche Waldbestand schon innerhalb der nächsten 30 Jahre bei gleichbleibender Tabakproduktion verschwunden sein wird. Die Rodung ist vor allem auf die Erstellung von Ackerland zum Tabakanbau sowie auf den Einschlag für Brennholz zur Tabaktrocknung zurückzuführen. Die notwendige Hitze wird von den Tabakbauern vor allem durch Holz, Holzkohle oder durch Steinkohle generiert.

Energie aus Biomasse

Das junge Bonner Startup Sustainable Carbon Cycle Industries (SCCI) befasst sich seit Anfang 2016 mit der Thematik einer nachhaltigen und sauberen Herstellung von Energie in Form von festen Brennstoffen (Holzkohle) und Elektrizität aus ungenutzten Biomasse-Abfällen. Hierbei wird Biomasse zur grünen Holzkohle. Aus den im Produktionsprozess entstehenden Abgasen und der überschüssigen Abhitze wird Strom erzeugt. Das Ziel ist die Revolutionierung der Holzkohle-Industrie und der Versorgung der afrikanischen Haushalte und Industrien mit grüner Holzkohle.

Die Erfahrungen bei der Projektimplementierung eines konventionellen Holzkohleprojektes in Nigeria haben die Gründer Dominik Kagerer, Tobias Löwe und Sebastian Czaplicki bewegen, SCCI zu gründen und sich mit der Frage zu befassen, wie man aus Biomasse nachhaltig und emissionsarm grüne Holzkohle produzieren kann. In den letzten Monaten haben die Gründer das Geschäftsmodell erarbeitet und stetig weiterentwickelt. Das Projekt nutzt im Vergleich zur traditionellen Produktion von Holzkohle keine lebenden Bäume als Ausgangsmaterial, sondern nutzt organische Abfälle, die bisher nicht verwendet werden. So werden bestehende Wälder geschützt und gleichzeitig ein Grundverständnis für das Recycling geschaffen.

Der Herstellungsprozess der Bioholzkohle lässt sich - vereinfacht - so darstellen: Ungenutzte Biomasse wird gesammelt und in der Sonne vorgetrocknet. Anschließend wird sie mit Hilfe einer Trockenkammer auf einen Feuchtigkeitsgehalt von acht bis zwölf Prozent reduziert, gehäckselt und mit einer einheitlichen Granulierung in den Holzkohleofen eingebracht. Hier wird unter Luftausschluss Hitze zu der Biomasse geleitet. Diese startet den Verkohlungsprozess, die Pyrolyse. Nach ca. sechs Stunden ist die Biomasse vollkommen "verkohlt". In einem weiteren Schritt wird die nun entstandene Bio-Holzkohle gemahlen, das Pulver mit natürlichen Kleber (bspw. Mais- oder Kassava-Stärke) und mit Wasser vermischt. Anschließend werden daraus Briketts gepresst. Die noch weichen Briketts werden erneut getrocknet und erhalten dann ihre bekannte Festigkeit. Für Vortrocknung, Verkohlung und Endtrocknung werden die aus der Biomasse austretenden Gase in einem geschlossenen Kreislauf verbrannt und liefern so die benötigte Hitze. Eine externe Energiezufuhr ist nicht notwendig. Die übrig gebliebenen Abgase und die Hitze aus dem Produktionsprozess werden anschließend zur Stromerzeugung genutzt.

Den SCCI-Gründern ist bewusst, dass selbst bei dem Verbrennen der Bio- Kohle noch Schadstoffe in geringer Menge emittiert werden. Jedoch sind diese dank der hohen Qualität des Produktes deutlich niedriger als bei Alternativprodukten wie Holz, traditioneller Holzkohle oder fossiler Steinkohle. Gleichzeitig reduziert man auf der Produktionsseite die Emissionen um fast 100 Prozent. Vergleicht man den Emissionsausstoß der Holzkohle-Produktion mit dem des Konsums, so ist die Produktion für 7/8 und der Konsum für 1/8 der Gesamtemissionen verantwortlich. Man kann den Menschen somit eine nachhaltig produzierte und vor allem verwertbare Energiequelle zur Verfügung stellen, die bezahlbar bleibt. Das Projekt soll die traditionelle Herstellungsmethode von Holzkohle ersetzten und damit die bisherigen Umweltbelastungen vermeiden.

Die Vision der Gründer ist anspruchsvoll und groß. Dominik Kagerer beschreibt das mittelfristige Ziel: "Wir möchten mit drei Demonstrationsprojekten in verschiedenen Ländern Afrikas beweisen, dass unser Konzept das Potenzial hat, den informellen Holzkohlesektor in eine wirtschaftlich attraktive 'grüne' Industrie zu verwandeln. Gleichzeitig muss bei diesem Vorhaben beachtet werden, dass viele Arbeitsplätze mit der traditionellen Holzkohleproduktion verknüpft sind, die Umwelt nicht belastet werden darf und die Unternehmensgewinne nicht aus dem Land geschafft werden sollten."

Das Projekt bietet zahlreiche Vorteile:

  • Durch die Schaffung von sicheren und langfristigen Arbeitsplätzen in Afrika soll ein Beitrag zur Bekämpfung der Fluchtursachen geschaffen werden.
  • Die Transformation der Holzkohleindustrie hat das Potenzial, zwischen zwei bis sieben Prozent der globalen Emissionen einzusparen.
  • Es fördert den Knowhow-Transfer zwischen Afrika und Europa.

Das Projekt könnte als Blaupause für eine grüne Holzkohleproduktion in der Subsahara-Region dienen. Für die beiden Gründer ist aber auch die Integration der lokalen Bevölkerung in die Projekte vital. Das erlangte Wissen soll geteilt werden. Bereits bei der Fabrikplanung wird auf die landestypischen Gegebenheiten geachtet; zumeist werden regionale Materialien verwendet wie auch die kulturellen Eigenheiten berücksichtigt. Dass bei der Produktion der "grünen Holzkohle" anfallende Wasser kann für Firmengärten oder Hausgärten genutzt werden. Das Projekt schützt bei konsequenter Umsetzung innerhalb der nächsten zehn Jahre über 75 Millionen Bäume.

Bei einer "Fact-Finding-Mission" im April 2018 nach Südafrika, Simbabwe, Kenia und Tansania trafen die Idee und das Konzept von SCCI auf fruchtbaren Boden. "Es fehlt uns nun noch der letzte Schritt zur Umsetzung des Konzeptes, die gesicherte Finanzierung. Sobald diese abgeschlossen ist, werden wir das erste Pionier-Projekt in Ostafrika ins Leben rufen und den großen Nutzen beweisen", so Dominik Kagerer.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
47. Jahrgang, Nr. 6, Dezember 2018, S. 34-35
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2019

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