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WIRTSCHAFT/037: Die Weltbank und Waldpolitik (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013
Holzplantage oder Ökosystem? - Wälder unter Nachfragedruck

Die Weltbank und Waldpolitik
Überarbeitung der Standards muss kritisch begleitet werden

Von Dr. Korinna Horta,



Die Weltbank steckt zurzeit in einem mehrjährigen Prozess der Überarbeitung ihrer Umwelt- und Sozialstandards, dazu gehört auch ihre Waldpolitik. Bilaterale und andere multilaterale Entwicklungsinstitutionen, aber auch private Banken, richten sich zunehmend nach den Weltbankstandards. Deshalb geht die Wichtigkeit dieser Standards weit über Weltbank Investitionen hinaus. Neue Politikrichtlinien zu Wald und zu indigenen Völkern werden fundamentale Auswirkungen auf den Schutz von Tropenwäldern und die Rechte von indigenen und anderen waldabhängigen Bevölkerungen haben.


Die interne Evaluierungsgruppe der Weltbank (Independent Evaluation Group - IEG) veröffentlichte im Dezember 2012 eine umfassende Untersuchung über die Umsetzung der Weltbank Waldstrategie aus dem Jahr 2002.(1) Die Ergebnisse, auch wenn in diplomatische Sprache gehüllt, sind verheerend:

  • Eine Reduzierung der Armut ist zumeist nicht erreicht worden;
  • Der ländlichen Armut ist bei Reformen der Vergabe von Holzkonzessionen keine Aufmerksamkeit geschenkt worden;
  • Zwangsumsiedlungen geben keine Auskunft darüber, wie die Lebensgrundlage der betroffenen Gemeinschaften wieder hergestellt worden ist;
  • Partizipative Ansätze bei der Verwaltung von Waldschutzgebieten sind meist nicht gegeben und daher sind 75 Prozent aller von der Bank unterstützten Schutzgebiete in Gefahr nicht nachhaltig zu sein.

Die IEG Evaluierung packt auch ein umstrittenes Thema in der Geschichte der Weltbank-Waldpolitik an: Die Finanzierung des industriellen Holzeinschlags in Regenwäldern.


Die Kontroverse um Finanzierung von industriellen Holzkonzessionen
Es war nicht immer so, dass die Weltbank die Finanzierung von industriellen Holzfirmen in tropischen Feuchtwäldern finanzieren durfte. Eine international koordinierte Kampagne der Zivilgesellschaft leistete Anfang der 90er Jahre effektive Lobbyarbeit gegen die Finanzierung des industriellen Holzeinschlags in Regenwäldern. Waldprojekte in West Afrika dienten als Fallbeispiele dafür, wie schlecht durchdachte Weltbankprojekte zur Zerstörung der Regenwälder beitragen. Da Weltbankfinanzierungen aus öffentlichen Mitteln der multilateralen Entwicklungshilfe direkt von Geberländern kommen oder durch sie garantiert werden, war das ein empfindlicher Punkt. Zumal Regierungen dabei waren, sich auf den Rio Erdgipfel von 1992 vorzubereiten und das Thema der Nachhaltigkeit nun überall weit oben auf der Agenda stand.

Es musste sich also etwas ändern. Der Exekutivrat der Weltbank, in dem die Regierungen der Geberländer damals noch eindeutig das Sagen hatten, verabschiedete 1991 eine neue Waldpolitik, die Armutsbekämpfung und Naturschutz in den Vordergrund rückte und gleichzeitig ein Verbot der Finanzierung industriellen Holzeinschlags in tropischen Regenwäldern enthielt.(2)

Weltbankmanagern war dieses Verbot von Anfang an ein Dorn im Auge. Sie argumentierten, dass die Waldpolitik von 1991 zuviel Gewicht auf Waldschutz und nicht genügend auf die Reduzierung von Armut setzte. Ihrer Meinung nach war der industrielle Holzeinschlag in Tropenwäldern, der nun als nachhaltig beschrieben wurde, ein wichtiges Instrument der Armutsbekämpfung, schließlich würden damit Arbeitsplätze geschaffen. Empirische Belege für die ökologische Nachhaltigkeit und soziale Verbesserungen in den betroffenen Gebieten wurden nicht geliefert.

Im Jahr 2002 trugen Weltbankmanager ihren ersehnten Sieg davon. Der Exekutivrat der Weltbank verabschiedete eine neue Waldpolitik, die das Verbot der Finanzierung des industriellen Holzeinschlags mit dem Argument der Armutsminderung aufhob. Zwar bestimmte er gleichzeitig, dass der von der Weltbank unterstützte, industrielle Holzeinschlag zertifiziert werden müsse. Doch dabei durfte sich jedes Projekt individuell aussuchen, von wem es zertifiziert werden wollte. Selbst dort, wo es noch keine Zertifizierungssysteme gab, reichte es aus zu versprechen, dass es in Zukunft an einem nicht spezifizierten Datum ein solches System geben würde.


Und wo stehen die Dinge jetzt?
Die IEG-Evaluierung vom Dezember 2012 fand, dass weniger als 50 Prozent aller von ihr untersuchten Projekte die vorgesehene Zertifizierung vorweisen konnten. Dabei ist nicht ersichtlich, ob sich die Evaluierungsgruppe auch mit der Qualität der Zertifizierung beschäftigt hat.

Die IEG-Evaluierung erklärt, dass sie keine Beweise dafür finden konnte, dass die Unterstützung von Tropenholzkonzessionen nachhaltig sei und zu sozial-verantwortlicher (inclusive), wirtschaftlicher Entwicklung führe. Die wohl wichtigste Empfehlung der IEG ist es, eine umfassende öffentliche Untersuchung der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen der von der Weltbank unterstützten industriellen Holzkonzessionen in Regenwäldern vorzunehmen. Das Gewicht liegt dabei auf Ländern mit schwacher Regierungsführung.


Taube Ohren bei Entscheidungsträgern
Ein Komitee des Weltbankexekutivrats in dem auch Deutschland vertreten ist (Committee on Development Effectiveness - CODE) hat diese kritische Empfehlung der IEG jedoch abgelehnt. Das Komitee folgte damit der Argumentation des Bankmanagements, dass die derzeitige Überarbeitung der Sozial- und Umweltstandards der Weltbank eine solche Untersuchung nicht notwendig mache.

Dieses Argument ist schwer nachvollziehbar. Schließlich wäre die von der IEG empfohlene Untersuchung kein paralleler Prozess, sondern eine wertvolle Grundlage für die Überarbeitung der Waldpolitik (Forest Safeguard).

Es scheint eher der Fall zu sein, dass das Management der Weltbank dieses Thema nicht näher untersucht haben möchte. Die Nachhaltigkeit von industriellen Holzkonzernen in Regenwäldern ist weiterhin wissenschaftlich fragwürdig und eine Verbesserung der Lebensbedingungen für die in den betroffenen Waldgebieten lebende Bevölkerung ist auch nicht erwiesen. Die IEG konnte jedenfalls keine Anzeichen dafür finden.


Unter dem Vorzeichen der Klimafinanzierung
Die fundamentale Bedeutung von Walderhaltung für den Klimaschutz ist längst allgemein akzeptiert, wie die internationalen Verhandlungen zu REDD (Reduced Emissions for Deforestation and Forest Degradation) im Rahmen der Klimakonvention zeigen.

Darum erscheint es bizarr, dass die International Finance Corporation (IFC), die Privatsektortochter der Weltbank, mit Unterstützung der von der Weltbank verwalteten Climate Investment Funds (CIFs) die Finanzierung von Holzproduktion in intakten Waldgebieten Indonesiens plant, einschließlich in Konfliktgebieten wie West Papua. Die IFC Investition ist unter dem Schirm des Forest Investment Programs (FIP), einem der Climate Investment Funds, vorgesehen. Zunächst sollen 200.000 Hektar Wald betroffen sein, die auf 700.000 Hektar erweitert werden können.(3)

Besonders aufgrund der Rolle der Weltbank in der internationalen Klimafinanzierung, einschließlich ihrer Vorreiterrolle im REDD-Prozess durch die Forest Carbon Partnership Facility (FCPF), sollten NROs versuchen, den Prozess der Überarbeitung der Sozialund Umweltstandards zu beeinflussen. Weltbankstandards, einschließlich der Waldpolitik, gelten auch für die Klimafinanzierungen, die aus internationalen Treuhandfonds gespeist werden.


Die wachsende Rolle von Development Policy Loans
Direkte Hinweise auf Weltbankfinanzierung von industriellem Holzeinschlag in Tropenwäldern sind eher selten geworden. Diese Art von Finanzierung läuft jetzt zum großen Teil über Development Policy Loans (DPLs), die früher als Strukturanpassungsprogramme bekannt waren. Die Weltbank erklärt, dass ihre Finanzierung von Reformen bei der Tropenholz-Konzessionsvergabe zu mehr Transparenz und Rechenschaftslegung beiträgt. Das mag sein, aber die IEG-Evaluierung fand keine Anzeichen dafür, dass dies irgendwelche praktische Auswirkungen habe.

DPLs - anders als Projektfinanzierungen - sind schnell ausgezahlte Kredite, die nicht an Umwelt- und Sozialstandards gebunden sind.

Mittlerweile werden 40 Prozent aller Kredite im Waldbereich als Development Policy Loans vergeben.(4) Kredite für Entwicklungspolitik, das klingt gut. Ein Bericht des Inspection Panels, dem Beschwerdemechanismus der Weltbank, zeigt aber, wie schief das gehen kann. Eine Untersuchung von Krediten an die Demokratische Republik Kongo zeigte, dass die Weltbankfinanzierung hauptsächlich auf die Einnahmen aus dem industriellen Holzeinschlag fokussiert war, ohne dabei die ökologischen und sozialen Aspekte zu berücksichtigen. Dem Inspection Panel Bericht zufolge fanden die rund 40 Millionen Menschen, deren Lebensgrundlage direkt mit Waldressourcen verflochten ist, keine Beachtung.(5) Entwicklungspolitik? Fehlanzeige!

Eine zentrale Forderung der internationalen Zivilgesellschaft bei der Überarbeitung der Sozial- und Umweltstandards der Weltbank ist es, dass diese in Zukunft für alle Weltbankinstrumente Gültigkeit haben müssen und nicht nur für den schrumpfenden Anteil der Projektfinanzierungen.


Öffentliche Aufmerksamkeit ist kritisch
Die Weltbankstandards und ihre Umsetzung drohen weiter geschwächt zu werden. Als eines der wichtigsten Geberländer könnte Deutschland sich dafür einsetzen, eine Abschwächung der Kriterien im Namen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit zu verhindern. Ein starkes Engagement der Zivilgesellschaft ist hier notwendig.


Die Autorin Dr. Korinna Horta ist ehemalige Wissenschaftlerin beim Environmental Defense Fund in Washington (1990-2009). Seit 2009 arbeitet sie bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald.

Anmerkungen

1. Independent Evaluation Group, Managing Forest Resources for Sustainable Development, The World Bank, December 2012.

2. The World Bank, Forest Policy Paper, Washington, D.C. 1991.

3. Climate Investment Funds, Meeting of the FIP Sub-Committee, November 5, 2012, Investment Plan for Indonésia, Seite 73.

4. The World Bank Group, Forests and Trees in Sustainable Landscapes, Action Plan, FY 14-16, Concept Note, May 20, 2013.

5. The Inspection Panel, Investigation Report, Democratic Republic of Congo: Transitional Support for Economic Recovery Cresit (Terso) IDA Grant No H1920DRC, Report No 40746, August 31, 2007.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013, S. 12 - 13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2014