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WASSER/111: Mexiko - Wasserversorgung in Bürgerhand, staatliche Anerkennung fehlt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Januar 2013

Mexiko: Wasserversorgung in Bürgerhand - Staatliche Anerkennung fehlt

von Emilio Godoy


Bild: © Emilio Godoy/IPS

Zugang zu Wasser ist ein Menschenrecht
Bild: © Emilio Godoy/IPS

Mexiko-Stadt, 8. Januar (IPS) - Die Bevölkerung tausender lokaler Gemeinden im ländlichen Mexiko hat ihre Wasserversorgung selbst in die Hand genommen. Legal ist das nicht - doch sie hofft nun auf ein neues Gesetz.

"Wir sitzen zwischen allen Stühlen", sagt Ricardo Ovando, Mitarbeiter der nichtstaatlichen Organisation 'Trinkwasser für Tecámac'. "Das Gesetz erkennt uns zwar nicht an, aber gleichzeitig sollen wir uns um Konzessionen bemühen und in weitere Infrastruktur investieren."

Ovandos Organisation versorgt bereits seit 1950 die lokale Bevölkerung der Gemeinde Tecámac im Bundesstaat Mexiko mit Wasser. Heute profitieren davon 4.000 der 365.000 Einwohner der Gemeinde, die rund 40 Kilometer nördlich der Hauptstadt Mexiko-Stadt liegt.

Ovando weiß, wovon er spricht. Im Jahr 2005 ließ die lokale Regierung die Anlagen der Organisation beschlagnahmen. Doch nach einem Streik im Jahr 2007 konnte die Organisation ihre Versorgungssysteme wieder zurückgewinnen.


Mehr als 2.500 nichtstaatliche Wasserversorger

2.517 Dienstleister dieser Art gibt es in Mexiko, die 2.454 Gemeinden versorgen, schätzt die Gruppe für Umweltstudien. Sie agieren entweder als autonome Systeme oder sind mit anderen zusammengeschlossen. Die übrigen 198.000 Gemeinden werden von staatlich geführten Betrieben oder Unternehmen versorgt, die Konzessionen dafür zugeteilt bekommen haben.

Doch von den 117 Millionen Einwohnern Mexikos haben offiziellen Angaben zufolge noch immer 30 Prozent keinen Zugang zu Leitungswasser. Weitere 15 Prozent werden etwa alle drei Tage mit Trinkwasser beliefert; allerdings stammt das Wasser nicht aus dem Kran.

2010 führten die Vereinten Nationen das Recht auf Wasser als Grundrecht ein. Dieses wird von der mexikanischen Verfassung bereits anerkannt. Das Parlament muss dieses Recht allerdings noch in geltendes Gesetz umwandeln. Dafür hat es bis Februar Zeit.

Im Wahlkampf hatte Enrique Pena Nieto, der seit dem 1. Dezember 2012 Präsident von Mexiko ist, ein Paket mit 38 Maßnahmen vorgestellt, wie der universelle Zugang zu sauberem Trinkwasser im Land erreicht werden könne. Demnach will er ein Wasserministerium einrichten und mehr Wasserkraftwerke bauen lassen. In den kommenden Monaten will Pena Nieto sein Nationales Wasserprogramm vorstellen.

Das Wassergesetz von 1992 erkennt die lokalen Wasserversorger nicht an. Dass sie dennoch existieren können, verdanken sie der Existenz von Wasserräten (consejos de cuenca), die geschaffen wurden, um Vertreter der Konsumenten mit der staatlichen Nationalen Wasserkommission zusammenzubringen.


Vier Millionen Dollar in sechs Jahren

"Die lokalen Gemeinschaften schützen die natürlichen Ressourcen und müssen daher auch entscheiden dürfen, was mit ihnen geschieht", sagt Esteban Solano aus dem Dorf San Pedro Atlapulco in der Gemeinde Ocoyoacac im Bundesstaat Mexiko. Sein Dorf versorgt sich mit Wasser aus den nahen Bergen. 22.000 Kubikmeter pumpen sie zudem pro Tag für Mexiko-Stadt ab. Dafür hat die Zentralregierung dem Dorf seit 2006 insgesamt vier Millionen US-Dollar als Ausgleich gezahlt.

Zeitgleich sind die nichtstaatlichen Wasserversorger dabei, gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Organisationen einen Vorschlag für ein nationales Wassergesetz zu entwerfen. Hauptelement ist die Anerkennung ihrer Tätigkeiten. Doch sie fordern auch einen besseren Zugang zu Trinkwasser und machen Vorschläge für die Zusammenarbeit der staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen. "Das Gesetz muss die Menschenrechte als Basis nehmen", fordert Raquel Gutiérrez Nájera von der staatlichen Universität von Guadalajara im westmexikanischen Bundesstaat Jalisco.

Die lokalen Organisationen wollen mit ihrer Initiative vor allem der Privatisierung vorbeugen. "Die Regierung will die Wasserversorgung privatisieren", fürchtet Ovando. "Aber da müssen wir aufpassen - das Wasser ist endlich, und bald versiegen unsere Quellen." (Ende/IPS/jt/2013)


Links:

http://www.geaac.org/
http://www.diputados.gob.mx/LeyesBiblio/pdf/16.pdf
http://ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102105

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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Januar 2013