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WASSER/127: Virtuelles Wasser (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum - Universität Bayreuth
8. Jahrgang. Ausgabe 1. November 2012

Wasser Global

Virtuelles Wasser
Was ist das, wer verbraucht es und vor allem: wie viel davon?

von Asja Bernd



Wenn wir über Wasserverbrauch sprechen, denken wir meist ans Duschen, die Autowäsche oder Regenwasser-Toiletten. Doch es gibt mehr als das Wasser, welches wir in den Abfluss fließen sehen: Das Wasser in/hinter den Produkten, die wir täglich kaufen.

1.000 Liter für ein Steak, 130 Liter für eine Tasse Kaffee und 1.700 Liter für eine Tafel Schokolade - sehr effizient klingt das nicht. Um Lebensmittel, aber auch andere Güter herzustellen, ist Wasser nötig und oft nicht gerade wenig davon. Theoretisch ist das klar - doch wer denkt im Supermarkt über den Wasserverbrauch von Tomaten, Wattepads oder einer Rasierklinge nach? Um eben diesen ermitteln zu können, entwickelte der britische Geograph John Anthony Allan 1993 das Konzept des virtuellen Wassers.


Info
Was bedeutet virtuell? Der Begriff ist etwas irreführend, da man annehmen könnte, das Wasser sei nicht real. Das stimmt aber nicht, wie man gerade in Regionen mit Wassermangel feststellen kann. Im Englischen wird virtuelles Wasser auch als "hidden water" bezeichnet, also verstecktes Wasser. Dieser Begriff verdeutlicht, worum es geht: Wie viel ein Produkt auf dem Weg bis zum Verkauf tatsächlich verbraucht, auch wenn das am Ende nicht sichtbar ist. Weitere Infos und Zahlen gibt es auf der Website www.wasserfussabdruck.org und auf der deutlich ausführlicheren englischen Seite www.waterfootprint.org des Water Footprint Network.
Info
Woraus setzt sich der Wasserfußabdruck zusammen? Arjen Hoekstra und sein Kollege Ashok Chapagain entwickelten drei Kategorien: Blaues, grünes und graues Wasser. Blau ist Grund- und Oberflächenwasser aus Seen und Flüssen, das während der Produktion dem Produkt hinzugefügt wird oder verdunstet. Regenwasser, das im Boden gespeichert, jedoch nicht zu Grundwasser wird, wird als grün bezeichnet. Es verdunstet direkt oder durch Pflanzen. Graues Wasser ist jenes, das in der Herstellung von Gütern verwendet und verschmutzt wird.


Arjen Hoekstra und später Ashok Chapagain spannen die Idee am UNESCO Institute for Hydrological Education weiter zum "Wasserfußabdruck". Dieser stellt dar, wie viel Wasser eine Person, eine Firma oder auch ein Land verbraucht. In Deutschland sind das pro Person und Tag weit mehr als 4.000 Liter. Nur rund 4 Prozent werden direkt im Haushalt verbraucht, die restlichen Wassermengen stecken in unseren Lebensmitteln und industriellen Produkten. Ein hoher Wasserverbrauch ist nicht automatisch schlecht - es kommt darauf an, wie effizient das Wasser genutzt wird, ob es gereinigt und zurückgewonnen werden kann und wie viel Wasser überhaupt zur Verfügung steht. Gerade in Entwicklungsländern sind diese Fragen jedoch problematisch - und die Industriestaaten sind Nutznießer durch ihren enormen Konsum. Ein Anlass für die Studierenden des Elite-Masterstudiengangs Global Change Ecology, nachzuschauen, welche Produkte wie viel verbrauchen:

1) Papier

Für ein einziges Blatt Papier aus Holzfasern werden zwischen 4 und 19 Litern Wasser allein für die Holzproduktion verbraucht. Die Zahlen schwanken je nach Baumart und Wuchsort - Eukalyptus benötigt in Brasilien etwa deutlich weniger Wasser als in China. Pro Kilo Papier sind das zwischen 657 und 799 Liter, wobei der größte Teil in den Wäldern verdunstet. Wie viel bei der Papierherstellung dazu kommt, hängt davon ab, mit welchem Verfahren das Holz zu Zellstoff verarbeitet wird.
Bei Recycling-Papier sind es dagegen nur 20 Liter pro Kilo, und nebenbei braucht man weniger Energie und muss keine Bäume fällen. Papier kann etwa fünf- bis sechsmal recycelt werden, weltweit reduziert die Herstellung von Recycling-Papier den Wasser-Fußabdruck der Papierindustrie um etwa 40 Prozent.

2) Biokraftstoffe

Ähnlich wie beim Papier hängt der Wasserverbrauch für Biokraftstoffe davon ab, aus welchen Pflanzen sie hergestellt werden. Für Bio-Diesel aus Soja benötigt man 11.400 Liter pro Liter Kraftstoff, für Bio-Ethanol dagegen deutlich weniger: Alkohol aus Mais verbraucht 2.854 Liter Wasser pro Liter; wird er aus Zuckerrohr hergestellt, nur 2.107 Liter. Ethanol auf Zuckerrübenbasis verbraucht sogar nur 1.188 Liter. Außerdem beträgt der Anteil an grauem Wasser (s. Infokasten S.13) bei Bio-Diesel nur zwei Prozent, bei Ethanol dagegen zwischen 6 und 19 Prozent (für Zuckerrohr beziehungsweise Zuckerrübe).

3) Nahrungsmittel

Rund 70 Prozent des weltweit genutzten Wassers benötigen wir für die Nahrungsmittelproduktion, ein Drittel davon, um tierische Produkte zu erzeugen. Fast das gesamte Wasser wird für das Futter verwendet, da etwa sieben Kalorien aus Pflanzen nötig sind, um eine Fleisch-Kalorie zu gewinnen. Die Tiere müssen also ein Vielfaches des Energiewertes fressen, den sie am Ende liefern - mit dem entsprechenden Wasserverbrauch.
Rinderaufzucht ist besonders wasserintensiv: Für ein Kilo Rindfleisch werden 15.415 Liter benötigt - das ist 20-mal mehr als für ein Kilo Getreide und 45-mal mehr als für ein Kilo Gemüse. Außerdem braucht man deutlich mehr Futter pro Kilo als für Schweine- oder Hühnerfleisch: acht- beziehungsweise elfmal mehr! Auf Rind zu verzichten, sich vegetarisch oder vegan zu ernähren, bedeutet also eine ganze Menge virtuelles Wasser zu sparen und die Umwelt auf mehrfache Weise zu schonen. So wird in Brasilien Regenwald abgeholzt, um Soja anzubauen. Und wer denken mag, dass vor allem Vegetarier Soja essen: 85 Prozent der produzierten Menge gehen in die Fleischerzeugung.
Problematisch ist Landwirtschaft außerdem in trockenen Gebieten. Spanien, Italien und Griechenland produzieren Tomaten für ganz Europa: Schlechte Bewässerungssysteme lassen vielerorts Wasser versickern; die Böden versalzen, da das Wasser schnell verdunstet und die enthaltenen Salze zurückbleiben, und generell verschärft sich die Knappheit.

4) Baumwolle

Für ein Kilo Baumwolle sind rund 10.000 Liter Wasser nötig. Umgerechnet braucht man für ein T-Shirt von 250 Gramm also 2.500 Liter und für eine Jeans von 800 Gramm 8.000 Liter. Die tatsächliche Menge hängt vom Gebiet ab, in dem die Baumwolle angebaut wurde, sowie vom Herstellungsverfahren der Kleidung, etwa der Färbetechnik. Da Baumwollpflanzen oft bewässert werden, ist etwa ein Drittel des Bedarfs blaues Wasser.
Baumwollanbau kann enorme Auswirkungen auf die Umwelt haben, wie das Beispiel des Aral-Sees zeigt. Seit den 1960ern wurden im heutigen Kasachstan und Usbekistan im großen Stil Baumwolle und andere Nutzpflanzen angebaut. Um die Plantagen zu bewässern, entnahmen die Menschen Wasser aus den Zuflüssen des Sees, so dass dessen Wasserspiegel zu sinken begann, während der Salzgehalt anstieg. Die ehemaligen Hafenstädte liegen heute teilweise über 100 Kilometer vom Ufer entfernt, die Fischerei der Gegend ist zusammengebrochen. Zurück geblieben ist eine Staub- und Salzwüste mit Pestizid- und Herbizidrückständen sowie anderen Giften. Nach einer Studie von Chapagain und Kollegen aus dem Jahr 2006 ist die EU25 durch den Import von Baumwolle und anderen Produkten für rund 20 Prozent der Austrocknung des Aral-Sees (Abb.4) verantwortlich.

Wer auf seinen virtuellen Wasserverbrauch achten möchte, sollte also auf den Verbrauch und die Herkunft der Produkte schauen: In Gebieten mit Wassermangel hat eine wasserintensive Produktion deutlich schlimmere Auswirkungen und verschärft die Probleme vor Ort. Manchen Regionen wie dem Mittelmeerraum droht durch den Klimawandel ein noch trockeneres Klima. Auf Tomaten aus Spanien zu verzichten, kann daher bereits ein erster Schritt sein, den eigenen Wasserfußabdruck zu verkleinern und die Umwelt zu schonen.

Asja Bernd studiert im Master-Studiengang Global Change Ecology an der Universität Bayreuth, um zu verstehen, wie und mit welchen Konsequenzen der Mensch seine Umwelt verändert. Sie will anderen dies erklären können und zeigen, wie faszinierend die Welt ist, weshalb sie zuvor ihren Bachelor in Wissenschaftsjournalismus abgeschlossen hat. Da Kommunikation sie begeistert, hat sie an dieser Ausgabe des Spektrums und weiteren Projekten der Uni Bayreuth mitgearbeitet und möchte im Beruf diese Leidenschaft mit ihrem Interesse an Umweltthemen verbinden.


Hinweis

Interaktive Ausstellung(*)
Eine interaktive Ausstellung rund um virtuelles Wasser lädt in den Gewächshäusern des Ökologisch-Botanischen Gartens während des Zukunftsforums "Wasser im Globalen Wandel" am 16. November ein, sich über das Thema zu informieren. Entwickelt haben sie Studierende des Master-Studiengangs Global Change Ecology im Elitenetzwerk Bayern: Sabine Birnbeck, Luiz Domeignoz Horta, Christian Hardt, Veronika John, Julia Legelli, Jonas Rönnefarth, Paul Schumacher, Laura Sommer, Nora Zaremba. Der Artikel entstand in Kooperation mit ihnen. Die Ausstellung kann auf Wunsch auch ausgeliehen werden.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

  • Salzsee in Sibirien. Nur die Salzkruste bleibt im heißen Steppenklima im Sommer zurück. Aufgenommen Sommer 2008, Transbaikalien/Ostsibirien. Foto: Katja Fleckenstein
  • Abb. 1: Schreibblock aus holzgewonnenem Zellstoff. (sst)
  • Abb. 2: Eukalyptus-Plantage. Foto: Yuttasak Jannarong (sst)
  • Abb. 3: Reifes Baumwollfeld. Foto: Microstock Man (sst)
  • Abb. 4: Der Aralsee verlandet zunehmend, wie die Bilder aus den Jahren 1989, 2003 und 2012 zeigen. Da die Landwirtschaft bereits in den 1960er Jahren begann, zeigt das Bild von 1989 nicht die ursprüngliche Größe. (Bilder: NASA, aufgenommen mit: Landsat, AQUA MODIS, TERRA MODIS)
  • Abb. 5 (links): Baumwoll-T-Shirt. (sst)
  • Abb. 6: Baumwollplantage mit Sprinkleranlage. Foto: Simeon Chatzilidis (sst)


(*) Anmerkung der SB-Redaktion:
Das Zukunftsforum "Wasser im Globalen Wandel" fand am 16. November 2012 statt...

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Quelle:
spektrum, Ausgabe 1, November 2012, Seite 12-15
Herausgeber: Universität Bayreuth
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Internet: www.uni-bayreuth.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. April 2013