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WASSER/140: Privatisierung im staatlichen Wassermanagement von Khartum (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum - Universität Bayreuth
8. Jahrgang. Ausgabe 1. November 2012

Wasser für 6 Millionen Einwohner
Privatisierung im staatlichen Wassermanagement von Khartum

von Anne-Sophie Beckedorf



Das von der DFG und der französischen Agence Nationale de Recherche finanzierte Forschungsprojekt ("WAMAKHAIR: Water Management in Khartoum International Research Project") beschäftigt sich mit der Wasserverteilung und ihren sozialen und politischen Hintergründen in der sudanesischen Hauptstadt. Das Projekt wird seit vier Jahren von Prof. Detlef Müller-Mahn (Lehrstuhl für Bevölkerungs- und Sozialgeographie) in Zusammenarbeit mit Partnern in Paris, Fribourg (Schweiz) und Khartoum koordiniert. Ziel des Projektes ist es, das urbane Wassermanagement und seine aktuellen Veränderungen im Zusammenhang mit sozio-ökonomischen und politischen Prozessen zu betrachten. Im Mittelpunkt stehen dabei Untersuchungen zur Privatisierung der Wasserversorgung und ihren Auswirkungen in der Stadtbevölkerung.

Das Fallbeispiel Khartum ist vor allem aus zwei Gründen interessant: Zum einen lassen sich hier einige der in vielen afrikanischen Großstädten gegenwärtig ablaufenden Stadtentwicklungs- und Urbanisierungsprozesse besonders markant beobachten; zum anderen werden durchaus auch Unterschiede zwischen dem Sudan und anderen Staaten deutlich. Beispielsweise ist das neoliberale Reformprogramm des Sudan im Gegensatz zu anderen afrikanischen Staaten nicht extern 'aufoktroyiert', sondern Resultat einer internen politischen Agenda, was zu einem tieferen Verständnis von 'lokalen' Initiierungen 'globaler' Reformprogramme beiträgt.

Khartum, die Hauptstadt des Sudan, ist in den letzten Jahrzehnten enorm gewachsen und hat gegenwärtig etwa sechs Millionen Einwohner. Die Ausdehnung der Stadt zeigt die Karte (Abb. 1). Hier ist auch die gegenwärtige Wasserversorgung in Khartum ersichtlich, die sich sowohl aus Nilwasser, gefördert von mehreren Wasserwerken am Nil, als auch aus Grundwasser aus mehreren hundert Brunnen zusammensetzt. Über Leitungsnetze oder über Eselskarren wird Wasser aus den Wasserwerken und Brunnen an die Haushalte weitertransportiert.

Ein Vergleich zwischen der Bevölkerung von Khartum und dem geschätzten Anteil der Bevölkerung, die an das staatliche Wassernetz angeschlossen ist, zeigt, dass insbesondere in den 1990er Jahren etwa die Hälfte der Menschen keinen Zugang zur staatlichen Trinkwasserversorgung hatte. Die Grafik (Abb. 4) veranschaulicht diese Versorgungslücke.

Diese Grafik macht auch deutlich, dass im letzten Jahrzehnt verstärkt Anstrengungen unternommen wurden, diese Versorgungslücke wieder zu schließen. So wurden seit 2001 zahlreiche Reformen in das Khartumer Wassermanagement eingeführt, unter anderem die Privatisierung von Teilbereichen der Versorgungskette. So wurden beispielsweise das Eintreiben von Wasserrechnungen, der Bau von Wasserleitungen und der Betrieb von Wasserwerken an Privatfirmen outgesourct. Während früher die staatliche Wasserbehörde Khartoum State Water Corporation (KSWC) für diese Aufgabenbereiche verantwortlich war, sind es nun Privatfirmen, die gegen eine Gebühr Wasserrechnungen im Auftrag von KSWC eintreiben oder Wasserleitungen legen.

Als Beispiel beschreibt die Abbildung 5 das System des Leitungsbaus über Investitionsfirmen. Diese leihen der KSWC Geld für ein Jahr, mit dem neue Wasserleitungen durch die Investitionsfirma gebaut werden können. Nach Ablauf eines Jahres zahlt die KSWC den ursprünglichen Kredit sowie einen Zinssatz zurück an die Investitionsfirma. Die Idee ist, dass KSWC dieses Geld durch neue Kunden rückfinanzieren kann, die sie durch den Bau neuer Leitungen gewonnen hat.

In der Praxis funktioniert dieses System jedoch nicht immer. Der Bau von Wasserleitungen ist um einiges teurer als der Wasserpreis, den neue Kunden an die KSWC bezahlen müssen. Deshalb kann keine komplette Refinanzierung erfolgen, sondern es sind Subventionen durch die Khartumer Stadtregierung notwendig, die jedoch nicht immer dazu gewillt ist. Zusätzlich verschwindet viel Geld durch Privatgeschäfte zwischen einigen Entscheidungsträgern in der KSWC und einigen Investitionsfirmen. Auch werden manche Wasserleitungen gar nicht erst fertig gestellt, so dass die Wasserversorgung stagniert. Insgesamt kann man zusammenfassen, dass Privatisierungsmaßnahmen im Khartumer Wassermanagement zwar Investitionen geschaffen und den Leitungsausbau vorangetrieben haben, dass jedoch hierbei auch ein großer Anteil an Investitionen versickert und der Leitungsausbau zu einem (zu) hohen Preis geschieht.

Ein Ergebnis dieser Untersuchung ist folglich, dass es, um eine Verbesserung der Trinkwasserversorgung zu erreichen, weniger auf den Modus von Wasserversorgungssystemen ankommt - wie Privatisierung oder Verstaatlichung - als vielmehr auf die Art und Weise, wie Wassermanagement konkret abläuft. Mit anderen Worten: Ob die Wasserversorgung funktioniert, ist zum Großteil unabhängig davon, wie sie organisiert ist - ob dezentral oder zentral, privat oder öffentlich, kommerziell oder gemeinnützig. Worauf es jedoch ankommt, ist die jeweilige institutionelle Steuerung (governance), die nur im empirisch-lokalen Rahmen erfasst werden kann. Insofern ist dieser Beitrag auch als ein Plädoyer zu verstehen für eine Forschung, die sich nicht (nur) an 'globalen' Konzepten und Debatten orientiert, sondern (auch) Raum lässt für 'lokale', detaillierte, mikropolitische und kontextbezogene Studien und Erkenntnisse.


AUTORIN

Anne-Sophie Beckedorf studierte von 2003 bis 2006 Geographische Entwicklungsforschung an der Universität Bayreuth. Nach ihrem Bachelor-Abschluss absolvierte sie von 2006 bis 2008 am Institut für Internationale Beziehungen und Entwicklungsstudien (HEID) in Genf einen Masterstudiengang auf dem Gebiet der Entwicklungsstudien. 2008 bis 2011 folgte die Promotion am Lehrstuhl für Bevölkerungs- und Sozialgeographie bei Prof. Dr. Detlef Müller-Mahn an der Universität Bayreuth. Gleichzeitig war Anne-Sophie Beckedorf Mitarbeiterin im Projekt "Water Management in Khartoum International Research Project (WAMAKHAIR). Für ihre Dissertation, die 2012 unter dem Titel "Political waters. Governmental water management and neoliberal reforms in Khartoum" als Buch erschien, erhielt sie den Dissertationspreis der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Vorderer Orient (DAVO).


INFO

Projekt WAMAKHAIR
Gegenwärtig wird an einem gemeinsamen Buch gearbeitet, das die Ergebnisse des Projektes zusammenfasst und im Jahr 2013 erscheinen soll.
Im Rahmen von WAMAKHAIR entstehen an der Universität Bayreuth auch mehrere Dissertationen. Die Doktorarbeit von Anne-Sophie Beckedorf mit dem Titel "Political waters. Neoliberal reforms and governmental water management in Khartoum" ist im September 2012 im Lit-Verlag erschienen. Eine weitere Dissertation von Salma Abdalla, die sich mit der Bedeutung von islamischen Institutionen bei der Wasserverteilung beschäftigt, steht kurz vor dem Abschluss. Eine dritte Arbeit von Azza Mustafa behandelt den Zusammenhang von Identitätskonstruktionen und Wasser unter den Bewohnern der in Khartum liegenden Insel Tuti Island.
Ausführliche Informationen sind auch auf der Webseite des Projekts zu finden:
www.wamakhair.uni-bayreuth.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Rohre für den Wasserleitungsbau in Thoura.
Abb. 1: Städtische Entwicklung und Wasserversorgung von Khartum.
Abb. 2: Wassertransport durch Eselskarren in Dar Essalam, März 2010.
Abb. 3: Wasserwerk Betelmal, September 2009.
Abb. 4: Einwohner und staatliche Wasseranschlüsse in Khartum, 1950 bis 2010.
Abb. 5 (links): System der Finanzierung von Wasserleitungen über Investitionsfirmen.
Abb. 6: Wasserleitungen in Thoura, November 2009.
Abb. 7: Installation von Wasserleitungen in Thoura, Dezember 2009.
Abb. 8: Installation von Wasserleitungen in Thoura, September 2010.

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Quelle:
spektrum, Ausgabe 1, November 2012, S. 36 - 39
Herausgeber: Universität Bayreuth
Stabsstelle Presse, Marketing und Kommunikation
95440 Bayreuth
Telefon: 0921/55-53 56, -53 24, Fax: 0921/55-53 25
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Internet: www.uni-bayreuth.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2013