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WASSER/166: Brasilien - Beim Staudammprojekt Itaipú sollen Fehler der Vergangenheit vermieden werden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Dezember 2013

Brasilien: Wasserschutz ein Muss - Beim Staudammprojekt Itaipú sollen Fehler der Vergangenheit vermieden werden

von Mario Osava


Bild: © Mario Osava/IPS

Der Fluss Paraná hat durch den Itaipú-Megadamm an Größe verloren
Bild: © Mario Osava/IPS

Foz de Iguaçú, Brasilien, 23. Dezember (IPS) - In Brasilien stößt der Bau riesiger Wasserkraftwerke bei Umweltschützern, Indigenen und Sozialaktivisten traditionell auf massiven Widerstand. Die Einbindung aller gesellschaftlichen Akteure in ein Programm zum Schutz des Wassers des binationalen Itaipú-Staudammprojekts soll nun weitere Fehler minimieren.

Staatliche Sektoren nutzen ein von Aktivisten unterstütztes Programm als Modell für die Durchführung von größeren Infrastrukturprojekten. Es soll die sozialen und ökologischen Negativauswirkungen und die Gefahr von Konflikten möglichst klein halten. 'Cultivando Agua Boa' ('Gutes Wasser kultivieren'), so der Name der Initiative, findet im Zusammenhang mit dem Itaipú-Riesenstausee in 65 Aktivitäten seinen Niederschlag.

"Verglichen mit dem, was sich im restlichen Wasserkraftsektor abspielt, ist das ein Riesenschritt vorwärts", meint Robson Formica, Leiter der Bewegung der von Dämmen betroffenen Menschen (MAB) im südbrasilianischen Bundesstaat Paraná an der Grenze zu Paraguay, wo sich der Megakomplex befindet.

Das Unternehmen, dass den Staudamm betreibt, heißt 'Itaipú Binacional'. Es hat sich zu einer effizienten und langfristigen Stromgewinnung entschlossen. Ziel ist es deshalb, die Wassermenge und -qualität des Paraná-Flusses zu schützen. Damit waren die Weichen für eine Zusammenarbeit mit der Umweltbewegung gestellt.


Flüsse sind Hauptstromlieferanten

Brasilien bezieht mehr als 80 Prozent seiner Energie aus Flüssen. Die energetische Sicherheit hängt somit von der Menge der Niederschläge und der nachhaltigen Nutzung der Wassereinzugsgebiete ab.

Das Itaipú-CAB-Programm wurde 2003 gestartet, zwei Jahrzehnte nach der Vertreibung tausender ländlicher und indigener Familien. Sie hatten dem 1.350 Quadratkilometer großen Stausee weichen müssen. Das Megaprojekt ist der weltweit größte Produzent von Wasserkraft.

Formica zufolge sind die insgesamt 65 CAB-Aktivitäten zwar wichtig, sind aber noch viel zu begrenzt und isoliert. "Sie sind nicht geeignet, Strategien oder strukturelle Veränderungen nach sich zu ziehen", meint der MAB-Leiter. Er schätzt, dass bisher eine Million Menschen brasilianischen Wasserkraftwerken weichen mussten.

Da große Damm- und andere Entwicklungsprojekte Regenwälder und andere Habitate verändern, wird der Ruf immer lauter, die Konzerne stärker in die Verantwortung zu nehmen und die Gesetze anzuwenden, die Entschädigungszahlungen für die Leidtragenden vorsehen.

Betreiber des Itaipú-Wasserkraftwerks ist eine Firma, die von den Regierungen beider Länder - Brasilien und Paraguay - geführt wird. Die Einkünfte beliefen sich 2012 auf 3,8 Milliarden US-Dollar. Der territoriale Besitz umfasst die Ländereien und Flüsse im Grenzgebiet, das Kraftwerk, den Stausee, 104.000 Hektar Naturschutzgebiet, die Universität für Lateinamerikanische Integration und den Technologie-Park von Itaipú.

Das CAB-Programm wird in 29 brasilianischen Gemeindebezirken mit einer Bevölkerung von einer Million Menschen über eine Gesamtfläche von 8.339 Quadratkilometern umgesetzt. Es werden Maßnahmen zum Schutz der indigenen Gemeinschaften ergriffen, Umweltsensibilisierungskurse durchgeführt und die Vorteile des organischen Landbaus vermittelt.

Um einer Verseuchung des Stausees vorzubeugen, steht im Rahmen von CAB die ökologische Landwirtschaft im Vordergrund. "Wir haben mit 186 Familien begonnen, heute sind es 1.180, die an dem Programm teilnehmen und 2.000 Ökogärten kultivieren", berichtet Nelton Friedrich von der Koordinierungs- und Umweltabteilung von Itaipú Binacional.

Die Itaipú-Plattform für erneuerbare Energie wiederum wandelt Viehdung in Biogas um. Von der Maßnahme profitieren Mensch und Natur gleichermaßen: So haben die Bauern Zugang zu einer alternativen Einnahmequelle, während das Wasser nicht mehr mit Viehmist kontaminiert wird.


Gefahr durch Dung

Im Umfeld des großen Stausees halten die Kleinbauernfamilien auf ihren 26.000 kleinen Höfen Millionen Schweine, Rinder und Hühner. Gelangte ihr Dung in den Stausee, würde dies die Bildung von Wasserpflanzen anregen, was wiederum mit einem Verlust des Sauerstoffgehalts im Wasser einherginge.

"Die Verseuchung durch organische Rückstände ist viel verbreiteter als durch giftige Agrarchemikalien", erläutert Cícero Bley, bei Itaipú Binacional Leiter der Abteilung für erneuerbare Energien. Diese Verunreinigungen mit Dung machten eine konstante Säuberung der Stauseen erforderlich, die im Fall des Itaipús sogar bis zu 30 Tagen dauern könnte.

Am Madeira-Fluss im nordbrasilianischen Amazonas-Bundesstaat Rondônia, wo die beiden Wasserkraftwerke Santo Antonio und Jirau kürzlich in Betrieb genommen wurden, lassen sich die Stauseen dem gegenüber in nur zwei bis drei Tagen reinigen, wie Domingo Fernandez, bei Itaipú Binacional Leiter der Fischforschungsabteilung, erläutert.

Säuberung und Wiederaufforstung des Stauseeufers sind für die Gewährleistung einer gesunden Wasserqualität unverzichtbar. Im Rahmen des CAB-Programms wurden um das Itaipú-Reservoir mehr als 24 Millionen Bäume gepflanzt. Solche Initiativen wurden inzwischen auf das gesamte Wassereinzugsgebiet der Region unter Beteiligung aller lokalen Akteure - von öffentlichen und privaten Unternehmen, über zivilgesellschaftliche Organisationen und Universitäten bis zur Beteiligung der Gemeinden - ausgeweitet.

In den 29 Gemeindebezirken waren nach Gesprächen über mögliche Probleme Verwaltungskomitees aus jeweils bis zu 57 Vertretern der unterschiedlichen Sektoren gegründet worden. Die sogenannten Wasserpakte, feierlich eingegangene Verpflichtungen der Gemeinden, sehen die Entwicklung und kollektive Durchführung von Projekten vor.

Solche Initiativen gingen in die richtige Richtung, seien aber noch weit davon entfernt, die soziale Schuld, die durch den Itaipú-Staudamm entstanden sei, zu begleichen, meint Aluizio Palmar, Gründer des Zentrums für Menschenrechte und Volksgedächtnis und ein ehemaliger Umwelt- und Kommunikationsminister des Verwaltungsbezirks Foz de Iguaçú, dem Standort des Wasserkraftwerks.

Der Bau des Megaprojekts hat zwischen 1975 und 1983 Bauernfamilien vertrieben, die oftmals keinen Entschädigungsanspruch geltend machen konnten, weil sie über keine regulären Landtitel verfügten. Außerdem haben Armut und Gewalt in Foz de Iguaçú zugenommen. Von finanziellen Entschädigungen und den Lizenzgebühren profitierten in der Regel die Bürgermeisterämter, die eher in Prestige- und Tourismusprojekte investieren als die Entwicklung der lokalen Bevölkerung. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.cultivandoaguaboa.com.br/
http://www.itaipu.gov.br/
http://www.ipsnews.net/2013/12/caring-water-must-brazils-energy-industry/
http://www.ipsnoticias.net/2013/12/en-brasil-cuidar-el-agua-es-un-deber-energetico/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 23. Dezember 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Dezember 2013