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MEDIEN/008: Themenheft "Klimawandel im Industriezeitalter" (idw)


Goethe-Universität Frankfurt am Main - 15.09.2009

Klimawandel: Konsequenzen und Anpassungsstrategien

Das Themenheft "Klimawandel im Industriezeitalter" fasst den aktuellen Wissensstand für Laien verständlich zusammen


FRANKFURT. Der Mensch ist nicht allein für den Klimawandel verantwortlich, aber die globale Erwärmung der letzten Jahrzehnte ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf menschliche Aktivitäten, insbesondere den Ausstoß von Treibhausgasen, zurückzuführen. Über Konsequenzen, Abwehrmaßnahmen und Anpassungsstrategien gibt es derzeit eine Flut an Publikationen unterschiedlicher Qualität. Den aktuellen Stand des Wissens fasst das soeben erschienene Themenheft "Klimawandel im Industriezeitalter" der "Geographischen Rundschau" in einer für Laien verständlichen Form zusammen. Die renommierten Autoren decken darin das gesamte Spektrum ab: von der Meteorologie über wirtschaftliche Folgen und landwirtschaftliche Erträge bis hin zu gesundheitlichen Schäden.

Das im Westermann Verlag erschienene Heft entstand mit der wissenschaftlichen Beratung von Prof. Christian Schönwiese vom Institut für Atmosphäre und Umwelt der Goethe Universität, der auch den einführenden Beitrag dazu geschrieben hat. Darin geht es zunächst um die Fakten des Klimawandels in der Vergangenheit, insbesondere hinsichtlich Temperatur und Niederschlag, einschließlich Extremereignissen. Schönwiese betonte, dass der Klimawandel langzeitlich gesehen grundsätzlich nichts Neues ist und aus den unterschiedlichsten Gründen zu den Charakteristika unseres Planeten gehört.

Im Industriezeitalter ist jedoch eine ungewöhnlich rasche und ausgeprägte Erwärmung aufgetreten, die zwar nach wie vor von natürlichen Fluktuationen und erheblichen regionalen Unterschieden überlagert ist. Doch die Analyse dieser Beobachtungsdaten lässt in Übereinstimmung mit Klimamodellrechnungen keinen Zweifel daran, dass zumindest die globale Erwärmung der letzten Jahrzehnte hauptsächlich auf den Klimafaktor Mensch zurückgeht. Die Folgen sind zum Teil dramatisch, wie beispielsweise der Rückgang der Gebirgsgletscher und der arktischen Meereisbedeckung zeigt. Zudem nimmt vielfach die Häufigkeit und Intensität von Extremereignissen wie Hitzesommern, Starkniederschlägen und Dürren zu, was sowohl die Überschwemmungs- als auch die Waldbrandgefahr erhöht.

Wie sicher sind die Vorhersagen von Klimamodellen angesichts der komplexen Wechselwirkungen von Luft, Ozeanen, Eisflächen, Boden und Vegetation? "Zeitgemäße Klimastudien greifen niemals auf ein einzelnes Klimamodell zurück, sondern verknüpfen mehrere Klimasimulation mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen", erläuterte Prof. Heiko Paeth vom Institut für Geographie der Universität Würzburg. Aber egal wie man die unterschiedlichen Klimamodelle kombiniert und welche Emissionsszenarien man durchspielt: Das Ergebnis ist immer eine Erwärmung, die proportional zum Ausstoß von Treibhausgasen ansteigt.

Um herauszufinden, ob diese Erwärmung nicht allein durch natürliche Faktoren wie Vulkanausbrüche oder Sonnenaktivität erklärt werden kann, haben Meteorologen auch Szenarien berechnet, in denen menschliche Faktoren außen vor gelassen werden. "Die Irrtumswahrscheinlichkeit, dass der Mensch nicht Hauptverursacher der globalen Erwärmung ist, beträgt fünf bis zehn Prozent", erklärt Paeth. Müssten bei einer vorliegenden Irrtumswahrscheinlichkeit überhaupt Anstrengungen im Klimaschutz unternommen werden? Dazu führte Paeth das Beispiel der Irrtumswahrscheinlichkeit bei Eheschließungen an. Diese betrage 51 Prozent. Dennoch würden sich viele Menschen zu diesem Schritt entschließen.

Eine Prognose für das Auftreten extremer Wetterereignisse wie Hitze- und Kälteperioden, Dürren und Starkniederschläge in Deutschland stellte Prof. Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Gemeinsam mit Prof. Peter Werner analysierte der Forscher Daten von 265 Klimastationen und 2072 Niederschlagsmessstellen in Deutschland, die im Zeitraum von 1951 bis 2006 aufgenommen wurden. Die Entwicklung ist regional verschieden: Während der Sommer in einigen Regionen wie Nordostdeutschland, Ostbayern und dem Münsterland inzwischen meist 10 Tage früher beginnt, verzögert er sich in Norddeutschland um bis zu 20 Tage. Parallel dazu haben die Kälteperioden im Mittel um bis zu 10 Tage pro Jahr abgenommen. Für die Zukunft prognostizieren die Meteorologen eine Zunahme der Hitzeperioden und in einigen Regionen sogar Dürren, während in anderen Regionen gehäuft starke Regenfälle und Überschwemmungen auftreten werden. Die Häufigkeit sehr kalter Tage wird im Mittel weiter zurückgehen.

Welche Auswirkungen der Klimawandel auf die landwirtschaftlichen Erträge in Deutschland hat, erklärte Privatdozent Frank Chmielewski vom Institut für Pflanzenbauwissenschaften an der Humboldt Universität, Berlin. Winterweizen und -gerste, Zuckerrüben und Kartoffeln sind erdgeschichtlich an einen höheren CO2-Gehalt der Atmosphäre angepasst und dürften daher künftig höhere Erträge abwerfen. Mais, Zuckerrohr und Hirse sind dagegen weniger gut an angepasst, so dass mit geringeren Erträgen zu rechnen ist. Die Anbaugrenzen für viele mitteleuropäische Getreidepflanzen und Hackfrüchte werden sich mit steigender Temperatur nach Norden und in höhere Lagen verschieben. Auch mancher Schädling wird sich mit ihnen ausbreiten. Die zunehmende Trockenheit wird die Landwirtschaft in Regionen erschweren, deren Bodenspeicherkapazität schon heute gering ist (Brandenburg und Niedersachen). Schäden durch Pilzerkrankungen, die durch feuchtes Wetter begünstigt werden, dürften dagegen zurückgehen.

Gesundheitliche Auswirkungen wird der Klimawandel in den mitteleuropäischen Breiten vor allem wegen der zunehmenden Hitzeperioden haben. Wie Daten zu Sterblichkeitsraten belegen, sind besonders ältere Menschen, Kinder, und solche, die an Herz-Kreislauferkrankungen leiden, betroffen. Prof. Gerd Jendritzky vom Meteorologischen Institut der Universität Freiburg forderte deshalb Anpassungsstrategien wie die Einführung geeigneter Hitzewarnsysteme, die Alarm auslösen, sobald der von den Gesundheitsbehörden festgelegte biometeorologische Schwellenwert für Hitzebelastung überschritten ist. Weitere Interventionen sind in einem, an die jeweiligen lokalen Bedingungen angepassten Notfallplan festgehalten. Als langfristige Anpassung sei eine klimaorientierte Stadtplanung vonnöten. Als weitere, durch den Klimawandel verursachte Gesundheitsschäden nannte er Ertrinken, Verletzungen und psychische Störungen durch Hochwasser und Überschwemmungen nach starken Regenfällen.

Da die Überträger von Infektionskrankheiten wie Stechmücken, Läuse, Ratten oder Mäuse sich verhältnismäßig schnell an veränderte Umweltbedingungen anpassen, ist mit einer Ausbreitung von Krankheiten wie Malaria in nördliche Gebiete zu rechnen. Auch Zecken, die aufgrund langer Sommer und milder Winter länger überleben, verbreiten sich vom gesamten Mittelmeerraum bis nach Südskandinavien und mit ihnen Krankheiten wie Lyme-Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis.

Krankheiten, wie das vermehrte Auftreten von Asthma oder Todesfälle und Sachschäden durch extreme Wetterereignisse, bringen auch hohe wirtschaftliche Kosten mit sich. Prof. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung an der Humboldt Universität, Berlin, verdeutlichte anhand des globalen Simulationsmodells WIAGEM die langfristig geschätzten, ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels. Bei einer Temperaturänderung von 4,5 Grad Celsius bis zum Jahr 2100 errechnete sie allein für Deutschland volkswirtschaftliche Kosten in Höhe von 800 Milliarden US-Dollar in den kommenden 50 Jahren. Chancen sieht Kemfert in einer CO2-freien Energieversorgung, die zudem eine zeitgleiche Förderung der Wirtschaft beinhalte: Die Passivbauweise könnte die Baubranche fördern, innovative Energietechniken zum weltweiten Absatzschlager werden.

Informationen: Dr. Anne Hardy, Wissenschaftskommunikation, Campus Riedberg, Tel.: (069) 798-29228, hardy@pvw.uni-frankfurt.de. Rezensionsexemplare des Themenheftes schicken wir Ihnen gern zu.

Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt am Main. 1914 von Frankfurter Bürgern gegründet, ist sie heute eine der zehn größten Universitäten Deutschlands. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein einzigartiges Maß an Eigenständigkeit. Rund um das historische Poelzig-Ensemble im Frankfurter Westend entsteht derzeit für rund 600 Millionen Euro der schönste Campus Deutschlands. Mit über 50 seit 2000 eingeworbenen Stiftungs- und Stiftungsgastprofessuren nimmt die Goethe-Universität den deutschen Spitzenplatz ein. In drei Forschungsrankings des CHE in Folge und in der Exzellenzinitiative zeigte sie sich als eine der forschungsstärksten Hochschulen.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Goethe-Universität Frankfurt am Main, Dr. Anne Hardy, 15.09.2009
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2009