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ANBAU/158: Alte Apfelsorten (Unser Wald)


Unser Wald - 4. Ausgabe, Juli/August 2013
Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald

Alte Apfelsorten

Von Dr. Markus Adams



Es gibt ihn noch, den "Jakob Fischer"! Nicht den Landwirt, der im Jahre 1903 durch Zufall die inzwischen berühmt gewordene und nach ihm benannte Apfelsorte entdeckt hat, sondern den Baum, den er damals als Wildling in seinen Garten pflanzte. Dies geschah in Rottum, rund 20 Kilometer westlich von Memmingen im Kreis Biberach in Baden-Württemberg. Heute ist "Jakob Fischer" eine der beliebtesten alten Apfelsorten.


Unter den sogenannten "alten ApfeIsorten" versteht man im Allgemeinen Sorten, die gar nicht mehr oder zumindest nicht mehr in größerem Maßstab gewerblich angebaut werden. Daher lässt sich vom Entstehungsalter der Sorten her kein fester Zeitraum definieren, manche Sorten werden viele Jahrzehnte lang angebaut, während andere schon nach kurzer Zeit wieder weitgehend vom Markt verschwinden. Das Entstehungsalter der alten Apfelsorten reicht daher etwa vom späten Mittelalter bis in das 20. Jahrhundert hinein. Für den gewerblichen Anbau, ist neben einem möglichst hohen und sicheren Ertrag, heutzutage insbesondere ein makelloses Aussehen der Früchte wichtig. Daher werden immer wieder Sorten mit besserer (und gleichmäßigerer) Optik gezüchtet (z.B. Golden Delicious, Fuji, Gala). Die neueren Sorten verdrängen dann oft recht schnell ältere Sorten vom Markt. Die Sortenliste der aktuell gewerblich angebauten und im Supermarkt verfügbaren Sorten ist, von wenigen Ausnahmen (z. B. Bio-Obst) abgesehen, recht übersichtlich. Dies hat dazu geführt, dass viele ältere Sorten bereits weitgehend verschwunden sind oder zumindest vom Verschwinden bedroht sind. Leider verlangen die meisten der gewerblich angebauten Sorten viel Pflege und chemischen Pflanzenschutz, so dass sie für naturnahe Anpflanzung nicht oder nur bedingt geeignet sind.

Seitdem Aspekte der Nachhaltigkeit wieder mehr in den Mittelpunkt rücken, wächst daher das Interesse an alten Sorten, nicht zuletzt auch, um einen Verlust an genetischer Vielfalt zu verhindern. Während alte Apfelsorten auch vom Aussehen oft nicht dem Idealbild entsprechen, was die meisten Kunden in den Geschäften kaufen möchten, so gelten sie im Allgemeinen doch als schmackhafter und robuster als die modernen Sorten. Bezüglich des Aromas und hinsichtlich der geschmacklichen Vielfalt ist diese Volksmeinung durchaus zutreffend. Diese Sorten heben sich wohltuend vom "Einheitsgeschmack" der üblichen Supermarktware ab. Es gibt auch Hinweise dafür, dass die alten Sorten besonders viele sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, also antioxidative Substanzen, die im menschlichen Körper zellschützend wirken. Die Robustheit gegenüber Krankheiten hingegen ist differenzierter zu bewerten. Nicht alle alten Sorten sind wirklich gegen alle Krankheiten robust. Hierbei spielen aber auch regionale Faktoren eine Rolle: zumeist haben sich in bestimmten Regionen früher, da es noch keinen chemischen Pflanzenschutz gab, diejenigen Sorten durchgesetzt, die bei dem örtlichen Klima und dem Bodentyp gesund wachsen konnten. Die Krankheitsanfälligkeit hängt nämlich auch innerhalb einer Sorte davon ab, wie ihr die regionalen Standortfaktoren zusagen. Dieses Bild ist natürlich im Wesentlichen für die Krankheiten gültig, die auch früher schon verbreitet waren (wie z. B. Schorf). Gegen neuere Krankheiten, wie z. B. dem gefürchteten Feuerbrand, sind einige der älteren Sorten leider als hochanfällig zu bewerten. Beispiele hierfür wären z. B. die Sorten Goldparmäne und James Grieve. Es gibt aber auch genügend alte Sorten, die insgesamt als relativ robust und an verschiedene lokale Bedingungen anpassungsfähig gelten. Hier wären Sorten erwähnenswert, wie Boskoop, Rheinischer Bohnapfel, Glockenapfel, Jakob Fischer, Schneiderapfel und Bittenfelder (letzterer wird gerne auch als Unterlage für Halb- und Hochstämme verwendet). Solche Sorten sind auf jeden Fall für Hobbygärtner zu empfehlen. Sie erzielen zwar keine Höchsterträge, lassen sich aber auch bei einem Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz zumeist erfolgreich anbauen. Das verfügbare Sortenspektrum reicht dabei von wohlschmeckenden Tafelsorten bis zu insbesondere für die Verarbeitung zu Saft oder Mus geeigneten Mostapfelsorten. Diese Sorten sind aber vor allem auch für den Einsatz auf Streuobstwiesen geeignet, da sie nach dem Einwachsen keinen intensiven Pflegeaufwand mehr benötigen.

Seit einiger Zeit konzentrieren sich die Züchtungsanstrengungen einiger Forschungsinstitute und Züchter zum Glück wieder mehr auf gute Geschmackseigenschaften und gute Krankheitsresistenz. Dies versucht man dadurch zu erreichen, indem man zwar anfällige, aber geschmacklich gute Kultursorten mit robusten Wildapfelformen kreuzt. Einige dieser neuen Sorten sind geschmacklich recht vielversprechend und scheinen auch für biologischen Anbau recht gut geeignet zu sein (z. B. Florina, Rubinola, sowie einige der sogenannten "Pillnitzer Obstsorten", deren Namen alle mit "Pi" oder "Re" beginnen und die in Dresden-Pillnitz gezüchtet wurden). Ob alle diese Apfelsorten auch langfristig die in sie gesetzten Erwartungen bezüglich Robustheit und Fruchtqualität erfüllen können, muss die Zukunft zeigen.

Diesen Beweis müssen viele der älteren und bewährten Sorten nicht mehr erbringen. Daher möchte ich am Schluß dafür plädieren, doch die alten Sorten bei Anlage eines Obstgartens oder einer Streuobstwiese in die engere Sortenwahl mit einzubeziehen. Die Chancen für eine erfolgreiche Anpflanzung bzw. einen erfolgreichen Anbau können dann als recht gut eingeschätzt werden. Durch geeignete Sortenwahl (Mischung von frühen, mittelfrühen und von späten, recht lang lagerbaren Sorten) kann man dann vom Sommer bis in das nächste Frühjahr hinein die eigenen Äpfel geniessen.



Autor

Dr. Markus Adams, Meteorologe und Stellv. Vorsitzender des Gartenbauvereins Bernried;
E-Mail: unser-wald@sdw.de

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Quelle:
Unser Wald - Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald
4. Ausgabe, Juli/August 2013, Seite 14 - 15
Herausgeber:
Bundesverband der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald e.V., Bonn
Redaktion: Meckenheimer Allee 79, 53115 Bonn
Telefon: 0228 / 945 98 30, Fax: 0228 / 945 98 33
E-Mail: unser-wald@sdw.de
Internet: http://www.sdw.de
 
Erscheinungsweise: zweimonatlich
Bezugspreis: Jahresabonnement 17,50 Euro
einschl. Versandkosten und 7% MwSt.
Einzelheft: Preis 3,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Oktober 2013