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BIENEN/093: Wenn Bienen vor Hunger schwärmen (Honighäuschen)


Imkerei Honighäuschen

NEWSLETTER - Freitag, 11. September 2009


Wenn Bienen vor Hunger schwärmen

Es gibt sie mancherorts noch, Bienenvölker, die ohne imkerliche Betreuung in hohlen Bäumen leben, unbenutzte Schornsteine oder Hohlräume hinter Fassaden beziehen. Kein Imker, der an ihre Honigvorräte geht und sich etwas davon nimmt. Aber auch kein Imker, der in Notzeiten das Bienenvolk durch Fütterung rettet. Wenn solche Bienenvölker dann im Sommer nicht genügend Nahrung finden, um ihre Wintervorräte aufzustocken, dann taucht das Phänomen des Hungerschwarms auf. Da raffen die Bienen dann die letzten Reserven zusammen, sozusagen als Reiseproviant, und gehen auf Wanderschaft, um eventuell an einem anderen Ort Nahrung und Quartier zu finden.

Auch im Raum Bonn, Rhein-Sieg bis in die Eifel hinein tritt dieses Phänomen momentan auf. Unlängst ließen sich gleich zwei solcher Schwärme in Alfter bei Bonn nieder, einer landete im Garten des Lehrers Michael Mälchers und und ließ sich dann endgültig in einem kleinen Quittenbaum bei Mälchers Nachbarin Margret Glatzel nieder.

Ein weiterer Bienenschwarm war tags zuvor in die Fassade eines anderen Hauses in Alfter eingezogen, direkt gegenüber des Gartens von Mälchers Nachbarin. Auch Friedel Mirbach, der Vorsitzende des Kreisimkerverbandes Rhein-Sieg, kennt solche Meldungen über Hungerschwärme im Raum Euskirchen. Im Veterinäramt des Rhein-Sieg-Kreises ist ein ebensolcher Fall aus Much bekannt, auch dort tauchte zu dieser unüblichen Jahreszeit ein Bienenschwarm auf.

Der Bienenschwarm im Garten von Margret Glatzel wurde von dem Bonner Imker Klaus Maresch geborgen und noch am Abend mit Futter versorgt. Die Bienen waren am Abend so entkräftet, daß sie mit Zuckerwasser besprüht werden mußten, so daß sie sich gegenseitig ablecken konnten. Den Weg zur Futterstelle hätte die etwa einem Handball entsprechende Menge Bienen nicht mehr bewältigt. Ob sie es noch schaffen, ein überwinterungsfähiges Volk aufzubauen, hängt vom Verlauf des Herbstes ab. Sie benötigen noch Blütenpollen, um ein Brutnest aufzubauen und um ihre Widerstandskräfte aufzubauen. Der Blütenpollen liefert neben dem enthaltenen Eiweiß auch weitere wichtige Inhaltsstoffe, die die Wiederstandskraft der Bienen gegenüber Krankheiten verbessern und ihre Langlebigkeit garantieren.

Wie eine Sahelzone für die Bienen

"In 30 Jahren Imkerei ist mir ein Bienenschwarm im September erst einmal untergekommen und jetzt häufen sich die Meldungen", so der Imker. "Das Phänomen des Hungerschwarms kannte ich bisher nur aus der Literatur. Ein weiterer Beleg, daß mit unserer einseitig auf Massenertrag und Monokulturen ausgerichteten Landwirtschaft etwas nicht stimmt. Diese Agrarwüsten sind für die Bienen das, was für die Afrikaner die Sahelzone ist."

Es ist aber nicht nur die Landwirtschaft, deren Strukturen das Nahrungsproblem für blütenbesuchende Insekten verschärfen. Auch der Klimawandel macht sich bemerkbar, insofern als der Blühzeitpunkt vieler Pflanzen sich nach vorn verschiebt und auch dadurch dann eine Lücke im Spätsommer entsteht.

"Wir brauchen ein Umdenken sowohl in der Landwirtschaft wie auch bei Kommunen und Gartenbesitzern. Auf öffentlichen Flächen müssen artenreiche Blühstreifen die langweiligen Rabatten aus Stiefmütterchen und Eisblumen ablösen, bei Baumpflanzungen sollten Bäume bevorzugt werden, die im Spätsommer blühen und Nektar und Pollen spenden. Gartenbesitzer sollten schon im eigenen Interesse ein- und mehrjährige Pflanzen setzen, die für blütenbesuchende Insekten interessant sind, denn alles, was satt und zufrieden auf einer Blüte sitzt oder dort auf die Jagd geht, belästigt im Spätsommer nicht die Kaffeerunde auf der Terrasse."

Maresch kritisiert in diesem Zusammenhang auch die Politik des Deutschen Bauernverbandes, der den Imkern gern entgegenhält, daß die riesigen Rapsflächen im Frühjahr doch eine ausgezeichnete Nahrungsquelle böten. Quasi sollten die Imker dafür dankbar sein. "Das ist so, als ob man eine Kuh einmal füttert und sie dann das ganze Jahr Milch geben soll."

Beim Auftreten der fast verhungernden Bienen sollte man nicht vergessen, daß von dem Hunger nicht nur die Honigbienen betroffen sind, solitär lebende Bienen, Wespen und Schmetterlinge sind gleichermaßen betroffen.


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Quelle:
Bioland-Imkerei Honighäuschen
Newsletter, 11. September 2009
Estermannstraße 139, 53117 Bonn
Tel.: 0228/4220850, Fax: 0228/4220860
E-Mail: imkerei@t-online.de
Internet: www.honighaeuschen.eu


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. September 2009