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CHEMIE/287: Gefährliche Pestizide - Natürliche Vielfalt schützen (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 4/2011
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

ZUR ZEIT
Gefährliche Pestizide
Natürliche Vielfalt schützen

von Thomas Brückmann


Pestizide werden häufiger verwendet, als vielen bekannt ist. In einem Bereich vor allem hat ihr Einsatz in den letzten Jahren deutlich zugenommen: in der Landwirtschaft.

Viele Ackerkulturen werden heute von der Aussaat bis zur Ernte über ein Dutzend Mal mit Pestiziden behandelt. Selbst um eine möglichst homogene Ernte zu erzielen, finden Pflanzengifte Verwendung. 43.000 Tonnen Pestizide bringen deutsche Landwirte jedes Jahr auf ihren Äckern aus - etwa ein Fünftel mehr als noch vor zehn Jahren. Laut EU-Kommission ist der tatsächliche Verbrauch noch um ca. 30 Prozent höher.

Viele Wissenschaftler haben belegt: Pestizide beeinträchtigen ganz erheblich die biologische Vielfalt. So wird das globale Amphibiensterben Pestiziden zugeschrieben. Besonders macht sich ihr Einsatz natürlich in der Agrarlandschaft bemerkbar - die immerhin die Hälfte der Fläche Deutschlands umfasst. Zwei Drittel aller Arten dieses Lebensraums stehen schon als »gefährdet« auf der Roten Liste. Neben bestimmten - für den Anbau schädlichen - Pflanzen und Insekten eliminieren viele Pestizide auch alle übrigen Wildkräuter und Insekten. Sie werden mit weggespritzt - und fehlen höheren Tieren dann als Nahrung. Etliche Arten der Feldvögel haben daher in den letzten Jahren radikal abgenommen.

Offiziell verwendete Pestizide müssen vom Bundesagrarministerium amtlich zugelassen sein. Von ihnen darf weder für Mensch noch Umwelt eine Gefahr ausgehen, so die Theorie. In Wirklichkeit sind Rückstände von Pestiziden in Nahrungsmitteln, im Grund- und Oberflächenwasser wie auch im menschlichen Körper zu finden.

So wird die Stoffgruppe der Neonikotinoide für das Bienen- und das Vogelsterben in der Agrarlandschaft verantwortlich gemacht. Glyphosat, der Wirkstoff im Totalherbizid Round-up und etwa 70 weiteren Präparaten, gilt beim Menschen als keimschädigend. Er wurde u. a. im Urin eines sächsischen Rinderzüchters nachgewiesen, der chronisch an Botulismus erkrankte. Aktuell bereitet das Totalherbizid Clomazon große Probleme. Anwohner klagen über Atemnot, auch Gartenpflanzen werden durch die Abdrift geschädigt.

Das amtliche Zulassungsverfahren ist offenbar mangelhaft - und muss dringend verändert werden. Hinzu kommt, dass bei der Nutzung von Pestiziden Theorie und Praxis stark voneinander abweichen. Das Umweltbundesamt schätzt: Jeder zweite Einsatz von Pestiziden erfolgt nicht fachgerecht. Der BUND fordert daher, den Einsatz von Pestiziden stark zu reduzieren und ihre Anwendung häufiger und schärfer zu kontrollieren.

Thomas Brückmann ...verantwortet das BUND-Projekt »Pestizide und Biodiversität«.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Der immer häufigere Einsatz von Pestiziden nimmt dem Raubwürger die Nahrung.


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Vom BUND herausgegeben
Das Ende der Artenvielfalt

2010 veröffentlichte der holländische Toxikologe Henk Tennekes ein international beachtetes Fachbuch mit dem Titel »Desaster in the Making«. Er beschreibt das extreme Artensterben bei Insekten und Vögeln der Agrarlandschaft - in England genauso wie in Holland oder Deutschland. Rebhühner, Kiebitze, Haubenlerchen und Braunkehlchen und selbst die früher so häufige Feldlerche werden immer seltener. Tennekes belegt das Artensterben mit vielen wissenschaftlichen Publikationen, die er in seinem Buch vorstellt. Die Ursache sieht der Toxikologe in einer Gruppe neuer Pestizide, den Neonikotinoiden. Diese fordert er sofort zu verbieten.
Der BUND stellt sich hinter Tennekes Forderung. Gemeinsam mit dem Autor haben wir sein Buch ins Deutsche übersetzt. Noch vor Weihnachten kommt es mit dem Titel »Das Ende der Artenvielfalt - Neuartige Pestizide töten Insekten und Vögel« zum Preis von 29,95 Euro auf den Markt. Der Vertrieb läuft ausschließlich über den BUNDOnlineshop. Bestellen Sie sich ein Exemplar unter www.bundladen.de


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Quelle:
BUNDmagazin 4/2011, S. 32
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
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Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2012