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ENERGIE/080: Bioenergie - Auf dem Irrweg (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 4/2010
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

Bioenergie
Auf dem Irrweg

Von Reinhild Benning und Adrian Bebb


Als Teil ihres nationalen Energiekonzeptes geht die Bundesregierung von einem enormen Anstieg der Biogas-Erzeugung aus. Doch schon in den letzten Jahren entstanden riesige Maisfelder zur Energiegewinnung, mit allen negativen Folgen für Natur und Landschaft.

Einen Hektar Acker kann man jedes Jahr nur einmal nutzen: zum Anbau von Grundnahrungsmitteln wie Getreide, zum Futteranbau für die Fleisch- und Milchgewinnung - oder zur Energiegewinnung, etwa für Agrosprit und Biogas. Über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat die Bundesregierung 2005 begonnen, einen Bonus für nachwachsende Rohstoffe in Biogasanlagen zu zahlen. Dies führte zu einer rapiden Ausweitung monotoner Maisäcker. Gegen diese »Vermaisung« hat sich vielerorts eine regelrechte Anti-Biogas-Bewegung gebildet. Auch BUND-Gruppen wehren sich dagegen, dass Abertausende Hektar Wiesen intensiv gespritzten Maisäckern weichen.

Doch nicht die Biogaserzeugung an sich ist das Problem, sondern mit welchen Rohstoffen Biogas erzeugt wird. Biogas ist ein wichtiger Baustein für die Ära der postfossilen Energieversorgung. Deutschlands Biogasanlagen produzieren heute schon so viel Strom wie zwei durchschnittliche Atomkraftwerke. Und noch gibt es gewaltige Potenziale an biogenen Reststoffen, die zur Energiegewinnung herangezogen werden könnten. Besser im Einklang mit dem Umwelt- und Naturschutz ist der Anbau von Wildkräutermischungen, von Durchwachsener Sylphie, Rübsen oder Grasgemenge, die dem Biogasertrag von Mais oft nur wenig nachstehen.

Der BUND kritisiert speziell, dass der Maisanbau in zu enger Fruchtfolge von der »guten fachlichen Praxis« gedeckt wird - unabhängig davon, ob der Mais später als Futtermittel, Energielieferant oder Industrierohstoff dient. Gegen die Vermaisung setzen wir uns in Brüssel für deutlich höhere gesetzliche Mindeststandards ein.


Biogas oder Massentierhaltung

Dieser Bauer ist kein Einzelfall. Wer sich mit Investitionen in Ställe auf viele Jahre verschuldet und vorwiegend auf Maisanbau und Importfuttermittel setzt, wird von den Banken und Schlachthöfen eng ins Korsett genommen. Bauern, die Biogas erzeugen, sind flexibler im Anbau. Sie lassen sich von Genehmigungsbehörden, Bürgerinitiativen, Verpächtern oder Nachbarn durchaus mal mit guten Argumenten für eine vielfältige Fruchtfolge gewinnen. Greift dieser Druck nicht, sollte sie Biogasbauern auch verordnet werden können - dafür setzt sich der BUND in Brüssel und Berlin ein.

»Meine Biogasanlage ist ein nicht gebauter Schweinestall«, erklärt ein Bauer aus dem Münsterland. »Bei den Niedrigpreisen für Agrarprodukte muss ich sehen, wie ich meine Familie versorge. Also investiere ich entweder in die Mast von Schweinen oder Hühnern, für die es hier Abnehmer gibt - oder in Biogas. Für Ökolandbau gibt es in meiner Region keine Verarbeiter.«


Fruchtfolge vorschreiben

Die Biogaserzeugung kann - anders als sonstige konventionelle Investitionsvorhaben in der Landwirtschaft - kurzfristig von Mais auf andere Rohstoffe umgestellt werden. Das EEG und die »gute fachliche Praxis« müssen verbindliche Abstände bei der Fruchtfolge vorgeben, damit Mais höchstens alle drei Jahre auf einer Fläche wächst. Zudem müssen heimische Eiweißpflanzen wie Ackerbohnen, Erbsen und Lupinen in die Fruchtfolge integriert werden, um mehr Vielfalt auf die Äcker zu bringen und den Regenwald vom Landhunger der Soja-Bauern zu entlasten. Genau darüber diskutiert derzeit das Europäische Parlament, beraten von Friends of the Earth und BUND. Auf nationaler Ebene ist die Bundesregierung gefordert, den Bonus für nachwachsende Rohstoffe zu senken und nur bei einer Fruchtfolge von mindestens vier verschiedenen Feldfrüchten zu gew0ähren. Bioenergie für Kraftstoffe im Verkehr einzusetzen erweist sich als folgenschwerer, klimaschädlicher Irrweg. Dennoch hat die EU festgelegt, dass bis 2020 zehn Prozent des Sprits vom Acker kommen sollen. Friends of the Earth Europe belegt in einer Studie (www.foeeurope.org/agrofuels/FoEE_Africa_up_for_grabs_2010.pdf), dass auch deutsche Unternehmen in Afrika Hunderttausende Hektar für Agrosprit in Beschlag nehmen, auf Kosten der Lebensmittelversorgung vor Ort.

Reinhild Benning ist BUND-Agrarexpertin und Adrian Bebb ist Campaigner des BUND-Netzwerks Friends of the Earth Europe.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Schöne neue Kulturlandschaft?

Studie: Landraub für Agrosprit in Afrika


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Quelle:
BUNDmagazin 4/2010, S. 17
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
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Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Februar 2011