Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → LANDWIRTSCHAFT

EUROPA/271: Der Berg kreißte... - Gemeinsame EU-Agrarpolitik steht (Der Rabe Ralf)


DER RABE RALF
Nr. 177 - Dezember 2013 / Januar 2014
Die Berliner Umweltzeitung

Der Berg kreißte ...
Gemeinsame EU-Agrarpolitik steht

von Jörg Parsiegla



Seit der letzten ausführlichen Berichterstattung zum Thema GAP (DER RABE RALF Oktober/November 2012) sind eine gefühlte Ewigkeit oder fast drei EU-Ratspräsidentschaften (Zypern, Irland, Litauen) vergangen. Das Streiten über die Ausrichtung der GAP insgesamt liegt jetzt sogar mehr als zwei Jahre zurück, im Oktober 2011 hatte die EU-Kommission ihr unter Beteiligung der Zivilgesellschaft zustande gekommenes Vorschlagspapier präsentiert. Dieses Jahr nun erfolgte eine Grundsatzeinigung über die neue europäische Agrarpolitik am 26. Juni - nach rund 30 Sitzungen im sogenannten Trilog zwischen EU-Kommission, Agrarministerrat und EU-Parlament. Die vielen Sitzungen waren nötig, weil durch ein neues Entscheidungsverfahren, insbesondere das erstmalige Mitspracherecht des Parlaments bei einer Reform dieser Tragweite, eine Rekordzahl von über 8.000 (!) Änderungsanträgen zu den Vorschlägen der EU-Kommission durch das Parlamentssekretariat zugelassen wurden und somit etliche Kompromisse zwischen den Parlamentsfraktionen gefunden werden mussten. Zur Klärung der letzten offenen Fragen (im Zusammenhang mit dem Paket über den mehrjährigen Finanzrahmen) kam es schließlich am 24. September.

Was ändert sich?

Insgesamt sollte die künftige europäische Agrarpolitik grüner und gerechter werden. Mit diesem Anspruch warb Agrarkommissar Dacian Ciolos seit Beginn der Diskussion um "sein" Vorschlagspapier und kam damit der Forderung der Zivilgesellschaft, also der vielen nationalen und europäischen, mit Natur- und Umweltschutz sowie ökologischem Landbau und Entwicklungspolitik befassten Verbände entgegen, die auf die Bereitstellung öffentlicher Gelder nur für öffentliche Leistungen bestanden. Einige Vorschläge des Kommissionspapiers in diese Richtung haben trotz vielfacher konservativer Kritik tatsächlich überlebt, allerdings mit vielen Abschwächungen. Was also ist übrig geblieben von den einstigen Herzstücken der angestrebten Agrarreform, dem "Greening" und der Kappung der Direktzahlungen?

Greening

Europas Bauern sollen umweltschonender wirtschaften. Konform mit dem Kommissionsvorschlag werden künftig 30 Prozent der Direktzahlungen pro Betrieb an folgende drei Umweltauflagen gebunden:

- Anstatt der vorgeschlagenen sieben Prozent müssen nur noch fünf Prozent der Ackerfläche eines Betriebes ab 15 Hektar als ökologische Vorrangfläche genutzt werden. Auf sieben Prozent soll eventuell erst nach 2017 erhöht werden.

- Landwirtschaftliche Betriebe ab 10/30 Hektar müssen mindestens zwei/drei verschiedene Feldfrüchte im Jahr anbauen, wobei eine Frucht bis zu 75 Prozent, vorgeschlagen waren 70 Prozent, der Ackerfläche ausmachen darf.

- Dauergrünland muss, bezogen auf das Jahr 2014, regional erhalten werden.

Das Greening soll über die ersten vier Jahre der GAP phasenweise eingeführt werden. Bei Nichteinhalten dieser Umweltstandards können die Beihilfen nach einer Übergangszeit um bis zu 37,5 Prozent gekürzt werden (37,5 Prozent wovon? - ursprünglich waren auch die 70 Prozent nicht beauflagter Direktzahlungen an die Einhaltung der Umweltauflagen gekoppelt). Ausgenommen von diesen Auflagen sind Betriebe mit vielen Dauerkulturen oder solche, die andere äquivalente Umweltleistungen erfüllen. "Sollen", "können", "nach einer Übergangszeit" - Umweltverbände sehen durch die vielen Ausnahmeregelungen bis zu 60 Prozent der deutschen Ackerflächen von diesen schwachen Anforderungen ausgenommen. Bei den Vorrangflächen kommt hinzu, dass jetzt nicht nur Hecken, Brachland, Pufferstreifen, Feldgehölze und Biotope, sondern auch Leguminosen- und Zwischenfruchtanbau ("nach den Regeln der guten landwirtschaftlichen Praxis", das heißt, auch unter Einsatz von Dünger und Pestiziden) als solche zählen - verkehrte Welt!

Der Vorschlag zur Fruchtfolge wurde ebenfalls weiter ausgehöhlt. Mit nun 75 statt den ohnehin zu hohen 70 Prozent für eine Frucht wird dem Anbau von Monokulturen, Stichwort Vermaisung, noch weiter Tür und Tor geöffnet.

Und schließlich die Fristverlängerung um ein Jahr bei Grünland. Das kann jetzt also fleißig noch bis 31. Dezember 2014 umgebrochen werden.

Kappungsgrenzen

Laut Papier der EU-Kommission sollten die Direktzahlungen an landwirtschaftliche Großbetriebe, die mehr als 150.000 Euro erhalten, in Abhängigkeit von den betrieblichen Lohnkosten, progressiv gekürzt und bei 300.000 Euro gedeckelt werden. Auch dieser Vorschlag wurde erheblich aufgeweicht. Jetzt sollen bei Zahlungsbeträgen jenseits 150.000 Euro nur noch Abschläge von jährlich fünf Prozent getätigt werden, die Deckelung ist ganz vom Tisch. In Deutschland sind von den Kürzungen rund 2.400 Betriebe betroffen, die meisten davon in den neuen Bundesländern.

Neu ist immerhin eine europaweit verpflichtende und national ergänzbare schwarze Liste, mit deren Hilfe Einrichtungen wie Flughäfen, Eisenbahndienste und permanente Sport- und Freizeitanlagen automatisch von der EU-Agrarförderung über Direktzahlungen ausgenommen werden sollen - "vorausgesetzt die landwirtschaftliche Produktion macht keinen substantiellen Anteil ihres Umsatzes aus." Letztere Formulierung und Ausnahmeregelungen lassen jedoch ein Zusammenschmelzen der Liste befürchten.

Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass als Novum bis zu 30 Prozent der nationalen Direktzahlungssumme aus der allgemeinen Verteilung herausgenommen und als Prämienaufschlag für die ersten Hektar (für kleine und mittlere Betriebe) umgeschichtet werden können. Außerdem soll es über spezielle Zuschläge eine Junglandwirteförderung und Unterstützung für Kleinlandwirte geben.

Die GAP soll darüber hinaus eine bessere europaweite Verteilung von Agrarförderungen durchsetzen. Im Jahr 2020 sollen Landwirte in allen Mitgliedstaaten mindestens 72 Prozent der durchschnittlichen EU-Direktzahlungen erhalten.

Die neuen Regelungen sollen zwar generell am 1. Januar 2014 in Kraft treten, einige wichtige Elemente wie auch das Greening sollen aber erst ab 2015 gelten. Denn europaweit und in den einzelnen Mitgliedsstaaten müssen zur Umsetzung noch viele administrative Verfahren durchlaufen werden. Die Kommission schlug deshalb insbesondere für die Direktzahlungen Übergangsregeln für 2014 vor. Das Ziel einer gerechten und ökologischen Agrarpolitik bleibt weiterhin bestehen.

*

Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)

Sie ist einer der ältesten und wichtigsten Politikbereiche der Europäischen Union und macht mehr als 40 Prozent ihres Haushalts aus. Nur alle sieben Jahre wird die Agrarpolitik reformiert; die kommende Periode läuft von 2014 bis 2020. Dabei geht es im Wesentlichen um zwei Bereiche: die Unterstützung der Landwirte durch Direktzahlungen (1. Säule) und die Förderung der ländlichen Räume (2. Säule).

*

Quelle:
DER RABE RALF - 24. Jahrgang, Nr. 177 - Dezember 2013 / Januar 2014, Seite 21
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Januar 2014