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FISCHEREI/200: Fisch im Ausverkauf - Geschichte einer schwierigen, aber notwendigen Wahl (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2010


Fisch im Ausverkauf
Die Geschichte einer schwierigen, aber notwendigen Wahl für zukünftige Generationen

von Iris Menn


Die Welternährungsorganisation (FAO) schätzt, dass von den weltweit kommerziell genutzten Fischbeständen 52 Prozent bis an ihre Grenze genutzt, 19 Prozent überfischt und 8 Prozent bereits erschöpft sind. Wissenschaftler warnen, dass große Raubfische wie Thunfisch, Schwertfisch oder Kabeljau bereits zu 90 Prozent dezimiert sind.

Die Europäische Union (EU) resümiert, dass 88 Prozent der europäischen Speisefischbestände überfischt und 30 Prozent dieser Bestände außerhalb sicherer biologischer Grenzen sind, so dass möglicherweise keine Erholung mehr erfolgt. Dreiundneunzig Prozent des Nordseekabeljau werden gefangen, bevor sie die Möglichkeit zur Fortpflanzung hatten [1]. Diese Liste lässt sich nahezu beliebig weiterführen und zeigt, dass ein konsequentes Handeln notwendig ist, um die Fischbestände zu schützen, aber auch um ihre langfristige Nutzung zu gewährleisten.

Diese Krise lässt sich nur gemeinsam bewältigen: Neben der Politik sind die Fischer, die Fischindustrie, der Lebensmittelhandel und nicht zuletzt der Verbraucher gefordert. Er kann gegen den Raubbau an den Fischbeständen aktiv vorgehen, indem er seltener und bewusster Fisch isst. Wenn er Fisch kauft, sollte es Fisch aus gesunden Beständen, der mit schonenden Methoden gefangen wurde, sein.


Fischkonsum

Derzeit isst jeder Deutsche im Jahr durchschnittlich 15,7 Kilogramm Fisch [2], nach Wünschen des Fischhandels soll sich dieser Wert auf 17,5 kg im Jahre 2014 erhöhen. Besonders bevorzugt wird Fisch aus der Tiefkühltheke. Alaska-Seelachs, Hering und Lachs zählen zu den Favoriten der Deutschen.

Der Greenpeace Ratgeber "Fisch - beliebt, aber bedroht"[3] bietet dem Verbraucher die notwendigen Informationen, welche Fischbestände/Fischereien empfehlenswert sind. Zugleich findet der Konsument in den Supermärkten immer mehr Fischprodukte mit der notwendigen Kennzeichnung, um die richtige Wahl treffen zu können. Neben dem lateinischen Fischnamen gehören die Angabe des genauen Fanggebiet und die Fangmethode dazu.

Seit 2007 bewertet Greenpeace die Fischprodukte, die sich in den Regalen, Tiefkühltruhen und Frischfischtheken der Supermärkte und Discounter befinden. Seitdem hat sich einiges getan: Alle elf von Greenpeace bewerten Lebensmittelhändler haben mittlerweile eine Einkaufspolitik für Fisch und andere Meeresfrüchte erstellt und bereits einige Produkte aus nichtnachhaltigen Fischereien aus ihren Sortimenten ausgelistet, wie auch die Kennzeichnung einiger Produkten verbessert. Aber noch sind die Schritte zu zögerlich. Die dramatische Situation der Fischbestände erfordert von den Unternehmen eine zügige und konsequente Umsetzung der Einkaufpolitik zusammen mit einer stetigen Verbesserung ihrer Umsetzung.


Gütesiegel

Neben einer besseren Kennzeichnung von Fischprodukten findet der Verbraucher in den vergangenen Jahren immer häufiger Gütesiegel auf den Verpackungen. Letztere versprechen ein Produkt aus nachhaltigem Fischfang bzw. nachhaltiger Aquakultur. Oft handelt es sich um selbst entwickelte Siegel der Produzenten, es gibt auch Gütesiegel, die von externen Institutionen bzw. Organisationen vergeben werden. Bei Fisch aus Wildfang sind die derzeit verbreitetsten Zertifizierungen "Marine Stewardship Council" (MSC) und "Friend of the Sea" (FOTS). Letztere zertifiziert auch Aquakulturen, die ebenfalls von Naturland und "GLOBALG.A.P." zertifiziert werden. Seit Jahresmitte ist das EU- Biosiegel auch auf Fische aus Aquakulturen anwendbar. Das Siegel "Dolphin Safe" beinhaltet spezielle Richtlinien für Thunfisch- Fischereien.

Die große Vielfalt an Siegeln führt zu der Frage nach der Glaubwürdigkeit des einzelnen Siegels. Ein Gütesiegel wird anhand speziell entwickelter Standards verliehen. Somit ist jedes Gütesiegel nur so gut wie die Standards, die ihm zugrunde liegen. Greenpeace hat sich die Zertifizierungen von MSC, FOTS und GLOBALG.A.P. im Detail angeschaut und mit einem von externen Experten entwickelten Schema bewertet [4]. Die Stärken und Schwächen variieren zwischen den Siegeln. Zusammenfassend gibt es aus Greenpeace-Sicht augenblicklich kein Siegel für nachhaltige Fischprodukte, das uneingeschränkt zu empfehlen ist. Obgleich die vorhandenen Zertifi-zierungen einen Schritt in die richtige Richtung darstellen, können sie dennoch nicht garantieren, dass alle zertifizierten Produkte aus wirklich nachhaltigen Fischereien bzw. Aquakulturen stammen.

So bleibt aus Greenpeace Sicht die Wahl beim Fischeinkauf nicht einfach, aber auch nicht unmöglich. Der Ratgeber "Fisch - beliebt, aber bedroht" liefert die notwendigen Informationen für die richtige Wahl. Und diese ist von uns allen gefordert, denn unsere heutigen Bedürfnisse dürfen nicht die Zukunft nachfolgender Generationen gefährden.

Die Autorin ist Meeresexpertin bei Greenpeace e.V..

[1] http://eur- lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2009:0163:FIN:DE:PDF
[2] Bundesverband der deutschen Fischindustrie und des Fischgroßhandels e.V.: Fischindustrie und Fischgroßhandel erwarten weiteren Zuwachs des Fischkonsums! Presseerklärung vom 18. Juni 2010. www.fischverband.de/presse/pressemitteilungen/pm_2010_01.html
[3] www.greenpeace.de/themen/meere/fischerei/
[4] www.greenpeace.de/themen/meere/fischerei/artikel/zertifizierungen_glaubwuerdige_standards_fuer_die_nachhaltigkeit_von_fischprodukten/


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2010, S. 13
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Dezember 2010