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GENTECHNIK/765: Unvorhergesehene Effekte bei gentechnisch verändertem Reis und Weizen (epi-gen)


epi-gen - Wissenschafts- und Projektbüro - 18.08.2010

Unvorhergesehene Effekte bei gentechnisch verändertem Reis und Weizen

Von Andreas Bauer-Panskus


Seit vielen Jahren wird in der Wissenschaft über die Frage diskutiert, ob und in welchem Ausmaß der Einbau von transgenen Konstrukten in Pflanzen deren Stoffwechsel verändert. Aktuelle wissenschaftliche Studien zeigen, dass es zuweilen zu gravierenden Effekten auf Inhaltsstoffe, Krankheitsanfälligkeit, aber auch auf das äußere Erscheinungsbild von gentechnisch veränderten Pflanzen kommen kann.


Transgener Weizen: extreme Reaktionen unter freiem Himmel

Am Beispiel von transgenem Weizen konnte kürzlich gezeigt werden, dass gentechnisch veränderte Pflanzen auf unterschiedliche Umweltbedingungen völlig verschieden reagieren können (Zeller et al. 2010).
Die von Forschern der ETH Zürich erzeugten, gentechnisch gegen den Mehltau-Pilz resistent gemachten Weizenpflanzen lieferten im Gewächshaus zunächst doppelt so hohe Erträge wie die konventionellen Vergleichspflanzen. Außerdem produzierten sie mehr Biomasse und mehr Samen.

Auf freiem Feld brachen die gentechnisch veränderten Pflanzen dagegen aus nicht abschließend geklärter Ursache ein.
Die Erträge waren gegenüber den nichttransgenen Kontrollpflanzen um bis zu 56 Prozent reduziert,
bei einigen Linien bildete sich 40-mal mehr Mutterkorn (eine für den Menschen extrem giftige Pilzart),
es wurden weniger Samenkörner gebildet,
die Ährenform einiger transgener Weizenlinien war äußerlich deutlich verändert.

Als mögliche Ursachen für diese drastischen Effekte sehen die Forscher:

Stress durch die hohe Fungiziddosis im Freiland;
Wechselwirkungen mit dem verwendeten Fungizid: der Wirkstoff könnte die transgenen Pflanzen unter Stress gesetzt haben;
die transgenen Pflanzen könnten grundsätzlich anfälliger für Stressfaktoren wie Trockenheit sein.

Die verschiedenen transgenen Weizenlinien reagierten stark unterschiedlich auf die veränderten Umweltbedingungen. Auch über die Gründe für diese unterschiedlichen Reaktionen können die Schweizer Forscher nur Mutmaßungen anstellen:

bei der Aufzucht der Pflanzen in der Zellkultur könnte es zu so genannten somaklonalen Variationen gekommen sein;
da das Transgen in den verschiedenen Weizenlinien jeweils an verschiedenen Stellen im Genom eingebaut wurde, traten möglicherweise Positionseffekte auf;
das Transgen könnte die Funktion von benachbarten natürlichen Weizengenen gestört haben.

Die möglichen Konsequenzen der biolistischen Transformationsmethode (der so genannten Gen-Kanone) werden von dem Schweizer Wissenschaftlerteam allerdings nicht thematisiert. Auf deren unvorhersehbare Auswirkungen wurde in verschiedenen wissenschaftlichen Publikationen der letzten Jahre hingewiesen. Sie legen den Schluss nahe, dass es bei gentechnisch veränderten Pflanze, die mit Hilfe der Genkanone erzeugt werden, vermehrt zu starken Störungen der Pflanzen- DNA kommt (u.a. Latham et al. 2006). Auch bei den gentechnischen Konstrukten selbst kommt es bei Verwendung der Gen-Kanone offenbar vermehrt zu gravierenden Veränderungen (Makarevitch et al. 2003; Svitashev et al. 2002).


Transgener Reis mit geringerem Nährwert

Eine aktuelle Studie chinesischer Wissenschaftler zeigt, dass Phänomene wie beim gentechnisch veränderten Weizen kein Einzelfall sind. Die Forscher mussten feststellen, dass der Gehalt verschiedener Pflanzeninhaltsstoffe in transgenen Reispflanzen durch den gentechnischen Eingriff maßgeblich verändert wurde. In der Studie wurden drei Linien mit gentechnisch verändertem Reis getestet. Die mit Hilfe der Gen-Kanone erzeugten Reislinien waren resistent gegen verschiedene Pilze oder toxisch für bestimmte Schadinsekten gemacht worden.
Signifikante Veränderungen konnten in allen transgenen Pflanzenlinien nachgewiesen werden: Durchschnittlich variierte zum Beispiel der Gehalt an Aminosäuren um 20 bis 74 Prozent, von Fettsäuren um 19 bis 38 Prozent, von Vitaminen um 25 bis 57 Prozent und von Proteinen um 25 Prozent.

Als "alarmierend" bezeichnen die chinesischen Forscher vor allem, dass in einer gentechnisch veränderten Reislinie der Eisen- und Magnesiumgehalt im Vergleich zur nichttransgenen Ausgangslinie um die Hälfte zurück gegangen war.

Signifikante Unterschiede zwischen transgenen und nichttransgenen Pflanzen zeigten sich auch im äußeren Erscheinungsbild: Die Reiskörner von einer der drei untersuchten gentechnisch veränderten Linien waren größer, weicher und zeigten Farbveränderungen. Eine andere transgene Linie produzierte deutlich schwerere Körner.

Als Gründe für die inneren und äußeren Veränderungen an den transgenen Reispflanzen vermuten die Forscher:

Überexpression eines bestimmten Gens: Der Zellstoffwechsel könnte dadurch wie auf einen Befall mit Pathogenen reagiert haben;
für den Rückgang des im Gehalt zahlreicher Pflanzeninhaltsstoffe in einer transgenen Linie, die das insektizide Cry1Ac-Protein bildet, könnten Wechselwirkungen zwischen dem gentechnischen Konstrukt und dem natürlichen Stoffwechsel der Pflanze verantwortlich sein.


Literatur

Jiao, Z., Si, X., Li, G., Zhang, Z., Xu, X (2010). Unintended compositional changes in transgenic rice seeds (Oryza sativa L.) studied by spectral and chromatographic analysis coupled with chemometrics methods. J Agric Food Chem, 58, 1746-1754.

Latham, J.R., Wilson, A.K., Steinbrecher, R.A. (2006). The mutational consequences of plant transformation. J Biomed Biotech, 25376, 1-7.

Makarevitch, I., Svitashev, S.K., Somers, D.A. (2003). Complete sequence analysis of transgene loci from plants transformed via microprojectile bombardment. Plant Molecular Biology, 52(2), 421-432.

Svitashev, S., Powlowski, W. P., Makarevitch, I., Plank,D. W., Somers. D.A. (2002). Complex transgene locus structures implicate multiple mechanisms for plant transgene rearrangement. The Plant Journal, 32, 433-445.

Zeller, S.L., Kalinina, O., Brunner, S., Keller, B., Schmid, B. (2010). Transgene x environment interactions in genetically modified wheat. PLoS ONE 5(7), e11405.


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Quelle:
epi-gen, 18.08.2010
© Andreas Bauer-Panskus
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2010