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POLITIK/402: Neue Düngeverordnung soll besseren Grundwasserschutz gewährleisten (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1051, vom 19. Dez. 2014 - 34. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Neue Düngeverordnung soll besseren Grundwasserschutz gewährleisten



Jahrelang ist im Bundeslandwirtschaftsministerium - als ausführendem Organ der Funktionärskaste im Deutschen Bauernverband - die dringend notwendige Überarbeitung der Düngeverordnung verschleppt worden (s. RUNDBR. 1045/3). Erst das Einschreiten der EU-Kommission hat den Blockadekurs im Landwirtschaftsministerium gebrochen. Wegen der Klageandrohung aus Brüssel ist seit Sommer 2014 der Druck so groß geworden, dass die Bundesregierung jetzt am 18.12.14 den Ländern einen Entwurf für die Novellierung der Düngeverordnung vorgelegt hat. Nachstehend unsere erste Analyse der gewässerschutzrelevanten Aspekte des Novellenentwurfs. Die Düngeverordnung (DüV) heißt übrigens ganz korrekt: "Verordnung über die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis beim Düngen".

Bei Redaktionsschluss für diesen RUNDBR. stand der Novellenentwurf auf der Homepage des Bundeslandwirtschaftsministeriums noch nicht zum download bereit. Solange das so bleibt, können RUNDBR.-Leserinnen den Verordnungsentwurf bei uns via nik@akwasser.de kostenlos anfordern.

DüV: Grundsätze der Düngung

In § 3 (1) formuliert der Verordnungsentwurf die Grundsätze einer sachgerechten Dünung. Danach ist die sachgerechte Anwendung von Düngemitteln "auf ein Gleichgewicht zwischen dem voraussichtlichen Nährstoffbedarf der Pflanzen, der Nährstoffversorgung aus dem Boden und aus der Düngung auszurichten". Wenn Ackerböden von Phosphaten nur so triefen, können die Behörden ab 2020 aus Gewässerschutzgründen nach § 3 (7) die weitere Anwendung von Phosphordüngern komplett untersagen. Kritisch ist folgende Abweichungsregelung von den zulässigen Standardwerten bei der Stickstoffdüngung in § 4 (1) zu betrachten: "Wenn Kulturen zur Ernteverfrühung mit Folie oder Vlies abgedeckt werden, sind Zuschläge zu den Stickstoffbe darfswerten von bis zu 20 Kilogramm Stickstoff je Hektar zulässig; (...)" Um den Erntezeitpunkt - beispielsweise bei Spargel und Frühkartoffeln - nach vorn zu puschen, haben diese Zuschläge in der Vergangenheit zu einer erheblichen Nitratbelastung des Grundwassers beigetragen.

Gülle auf Schnee - nur noch in Ausnahmefällen

In der Vergangenheit hat die Aufbringung von Düngern und Gülle auf einer Schneedecke immer wieder zur Abschwemmung von Gülle in den nächsten Bach geführt. In § 5 (1) im Verordnungsentwurf bestimmt, dass das Aufbringen von stickstoff- oder phosphathaltigen Düngemitteln, dann nicht erfolgen darf, "wenn der Boden überschwemmt, wassergesättigt, gefroren oder schneebedeckt ist". Allerdings folgt dann gleich eine umfangreiche Ausnahmeregelung: Denn abweichend von dem grundsätzlichen Verbot dürfen mit Dünger "bis zu 60 Kilogramm Gesamtstickstoff je Hektar auf trockenen, gefrorenen Boden aufgebracht werden, wenn

  1. der Boden durch Auftauen aufnahmefähig wird,
  2. ein Abschwemmen in oberirdische Gewässer oder auf benachbarte Flächen nicht zu besorgen ist,
  3. der Boden eine Pflanzendecke trägt und
  4. andernfalls die Gefahr einer Bodenverdichtung und von Strukturschäden durch das Befahren bestehen würde".
Koexistenz von Gewässerrandstreifenregelung und
Abstandsregelung

Wichtig für den Gewässerschutz ist die "Abstandsregelung" in § 5 (2). Danach ist beim Aufbringen von stickstoff- oder phosphathaltigen Düngemitteln "ein direkter Eintrag oder ein Abschwemmen von Nährstoffen in oberirdische Gewässer durch Einhaltung eines Abstandes von mindestens vier Metern in Abhängigkeit von der Ausbringungstechnik zwischen dem Rand der durch die Streubreite bestimmten Aufbringungsfläche und der Böschungsoberkante des jeweiligen oberirdischen Gewässers zu vermeiden". Ferner ist "dafür zu sorgen, dass kein Abschwemmen von Nährstoffen auf benachbarte Flächen erfolgt". Damit soll verhindert werden, dass Gülle und Mineraldünger beispielsweise auf benachbarte Biotopflächen gelangt. Auch bei der "Vier-Meter-Abstandsregelung" gibt es wieder eine Ausnahmeregelung: Danach reicht bereits ein Abstandsstreifen von nur einem Meter aus, "soweit für das Ausbringen der Düngemittel Geräte verwendet" werden, "bei denen die Streubreite der Arbeitsbreite entspricht oder die über eine Grenzstreueinrichtung verfügen". Gemeint sind damit exakt arbeitende Düngerstreugeräte, bei denen keine Verdriftung der Düngemittel zu besorgen sind. Nach § 5 (3) gilt eine Sonderregelung für geneigte Flächen, wenn die Hangneigung im Durchschnitt mindestens zehn Prozent beträgt. Bei diesen Flächen muss ein düngerfreier Abstandsstreifen zum Gewässer von fünf Metern eingehalten werden. Auf den stark geneigten Flächen müssen in einem Abstand zwischen fünf und zwanzig Metern bis zum Gewässer zudem weitere Restriktionen beachtet werden. In § 5 (5) wird ferner bestimmt, dass "wasserrechtliche Abstands- und Bewirtschaftungsregelungen", die über die Anforderungen hinausgehen, "unberührt" bleiben. Das bezieht sich auf die Gewässerrandstreifenregelungen in den Bundesländern. Die Landeswassergesetze beinhalten in einigen Bundesländern "düngerfreie" Gewässerrandstreifenbeiten, die über die Abstandsregelungen der Düngeverordnung hinausgehen. Ist dies der Fall, dann gelten die Landesregelungen.

DüV: Nicht mehr als 170 kg Gesamtstickstoff pro Hektar und Jahr

Nach § 6 (1) sind Gülle und weitere flüssige Düngemittel "nach dem Aufbringen auf unbestelltes Ackerland unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb von vier Stunden nach Beginn des Aufbringens einzuarbeiten". Mit dem "Vier-Stunden-Gebot" soll insbesondere die Ausgasung von Ammoniak in die Atmosphäre minimiert werden. Festmist ist vom "Vier-Stunden-Gebot" ausgenommen. Nach § 6 (2) müssen Gülle und weitere Flüssigdünger ab 2020 direkt in den Boden eingearbeitet werden. Bei Grünland gilt das "Direkt-Einbringungs-Gebot" allerdings erst ab 2025. Nach § 6 (3) dürfen mit Düngern, Gülle und Gärsubstraten insgesamt nicht mehr als 170 kg Gesamtstickstoff pro Hektar aufgebracht werden. Der 170 kg-Wert orientiert sich an der EG-Nitratrichtlinie. Bei der Umsetzung der Nitratrichtlinie hatte die EU in der Vergangenheit für Grünland allerdings eine Ausnahme zugelassen: Nach der sogenannten Derogation waren bis zu 230 kg Stickstoff zulässig gewesen. Die Derogation hatte die EU-Kommission aber vor einiger Zeit aufgehoben. Das Bundeslandwirtschaftsministerium und die Lobby der Grünlandbauern kämpfen in Brüssel für die Wiederzulassung der Derogation. In der Hoffnung, dass diese Bemühungen Erfolg haben werden, wird in § 6 (5) des Verordnungsentwurfs »vorsorgend« bestimmt, dass speziell für Grünland und für Wirtschaftsdünger aus Tierhaltung (also für Gülle) nach Wiederzulassung der Derogation das 170 kg-Limit nach oben angehoben werden kann. Bei entsprechenden Ausnahmeregelungen "nach Landesrecht" sind jedoch die Bewirtschaftungsziele nach dem Wasserhaushaltsgesetz für die angrenzenden Gewässer zu berücksichtigen.

DüV: Sperrfristen

In § 6 (7) sind die Sperrfristen genannt, in denen aus (Grund-)Wasserschutzgründen keine Düngemittel ausgebracht werden dürfen: "Düngemittel mit wesentlichem Gehalt an Stickstoff dürfen zu den nachfolgend genannten Zeiten nicht aufgebracht werden:

  1. auf Ackerland nach der Ernte der letzten Hauptfrucht bis zum 31. Januar,
  2. auf Grünland und auf Flächen mit mehrjährigem Feldfutterbau bei einer Aussaat bis zum 15. Mai in der Zeit vom 1. November bis zum 31. Januar."

Für Festmist, feste Gärrückstände und Komposte gilt eine Sperrfrist von 15. Nov. bis zum 31. Jan. Für die Sperrfristen nach Abs. 7 wurden zahlreiche Abweichungsregelungen festgelegt. So können beispielsweise nach Abs. 9 "die nach Landesrecht zuständigen Stellen" die Verbotszeiträume zeitlich um jeweils bis vier Wochen nach vorn oder hinten verschieben. Bei der Genehmigung einer zeitlichen Verschiebung sollen "regionaltypische Gegebenheiten, insbesondere Witterung oder Beginn und Ende des Pflanzenwachstums, sowie Ziele des Boden- und des Gewässerschutzes" berücksichtigt werden.

DüV: Zulässige Verluste in der Nährstoffbilanz

In § 8 (1) wird bestimmt, dass die Landwirte zusätzlich zur Düngebilanz nach § 4 künftig auch einen Nährstoffvergleich vornehmen müssen (siehe Kasten auf S. 3). Bei der Stickstoffbilanzierung konnten die Landwirte bislang großzügige Verlustraten geltend machen - beispielsweise für die Ammoniakausgasungen aus der Gülle. Die Verlustraten waren für die Wasserversorger und die Umweltverbände immer wieder Anlass zu Kritik. Denn je größer die anrechenbaren Verlustraten, desto größer die faktische Überdüngung. Die zulässigen Verlustraten bei der Nährstoffbilanzierung sollen jetzt fallweise zumindest reduziert werden: So dürfen die Landwirte beim Anbau von Gemüse "unvermeidliche Verluste in Höhe von 60 Kilogramm Stickstoff je Hektar berücksichtigen".

§ 8 Nährstoffvergleich

(1) Der Betriebsinhaber hat jährlich spätestens bis zum 31. März nach Maßgabe der Anlage 5 einen betrieblichen Nährstoffvergleich für Stickstoff und für Phosphat für das abgelaufene Düngejahr als

  1. Vergleich von Zu- und Abfuhr für die landwirtschaftliche genutzte Fläche insgesamt oder
  2. Zusammenfassung der Ergebnisse der Vergleiche für jeden Schlag, jede Bewirtschaftungseinheit oder eine nach § 3 Absatz 2 Satz 3 zusammengefasste Fläche zu erstellen und zu einem jährlich fortgeschriebenen mehrjährigen Nährstoffvergleich nach Anlage 6 zusammenzufassen.
DüV: Milde Sanktionen bei Verstößen

Wenn festgestellt wird, dass Landwirte zu viel Dünger aufbringen, dann läuft eine dreijähriges Besserungsprogramm an: Stellt die nach Landesrecht zuständige Stelle eine Überschreitung der Kontrollwerte fest, muss sie nach § 9 (4) zunächst anordnen, "dass der Betriebsinhaber im Jahr der Feststellung an einer von der zuständigen Stelle anerkannten Düngeberatung teilzunehmen hat. Die Teilnahme ist der zuständigen Stelle vom Betriebsinhaber nachzuweisen. Die Düngeberatung ist auf die Einhaltung der zulässigen Kontrollwerte auszurichten."

Wenn dann trotz einer absolvierten Düngeberatung im folgenden Jahr erneut eine Überschreitung der Kontrollwerte bei der Düngung festgestellt wird, muss der sündige Landwirt seine Berechnungen zum Düngebedarf und zum Nährstoffvergleich der zuständigen Stelle vorlegen. Anschließend gilt: "Der zulässige Kontrollwert darf im darauffolgenden Jahr nicht überschritten werden." In der Begründung zum Novellenentwurf wird hierzu erwähnt, dass pro Jahr zwischen 5.000 und 6.000 Landwirtschaftsbetriebe kontrolliert werden. Es wird prognostiziert, dass in 30 Prozent der Fälle mit Überschreitungen der Kontrollwerte gerechnet werden müsse.

DüV: Ganz viel Ausnahmeregelungen und lange Übergangszeiträume

Der Verordnungsentwurf beeindruckt mit einer Fülle von Ausnahmeregelungen. Damit will man auf die unterschiedliche Struktur der Landwirtschaftsbetriebe und der räumlichen und klimatischen Unterschiede in Deutschland Rücksicht nehmen ("Regionalisierung der Vorschriften"). Die Genehmigung der Ausnahmen obliegt den zuständigen Behörden der Bundesländer. Damit sich die Landwirte auf die Verschärfungen gegenüber der bislang gültigen Düngeverordnung einstellen können, wurden großzügige Übergangsvorschriften eingeführt: Einige der Verschärfungen gelten erst ab 2018, 2020 oder gar erst 2025. Generell gilt, dass die neue Düngeverordnung erst zum 1. Januar 2016 in Kraft gesetzt werden soll. Bis dahin sind die Regelungen der alten Düngeverodnung anzuwenden. Diese stammt von 1996 und wurde letztmals im Jahr 2003 substanziell modifiziert. Dass die neue Düngeverordnung erst Anfang 2016 wirksam werden kann, liegt u.a. auch an der Strategischen Umweltprüfung. Einer Strategischen Umweltprüfung müssen nach EU-Recht "Umweltaktionsprogramme" unterworfen werden. Und die Düngeverordnung gilt als "wesentlicher Bestandteil" des deutschen Umweltaktionsprogramms zur Umsetzung der EG-Nitratrichtlinie. Die Strategische Umweltprüfung der neuen Düngeverordnung wird mindestens drei Monate dauern. Parallel dazu muss auch noch das Düngegesetz geändert werden. Denn erst eine Änderung des Düngegesetzes wird es juristisch einwandfrei ermöglichen, in der Düngeverordnung die nährstoffträchtigen Gärsubstrate aus den Biogasanlagen zu reglementieren. Im Bundeslandwirtschaftsministerium beteuert man bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass die besondere Fürsorge des Ministeriums den kleinen Landwirten gilt. Deshalb hat man auch mehrere Ausnahmetatbestände formuliert, von denen insbesondere die Landwirte mit wenigen Tieren und/oder wenig Land profitieren werden.

DüV: Hoftorbilanz in eckigen Klammern

Ab dem Jahr 2018 sollen die Nährstoffvergleiche durch eine Hoftorbilanz ersetzt werden. Dabei geht es um einen Vergleich der Nährstoffmengen, die mit Futter, Düngemitteln usw. in einen Landwirtschaftsbetrieb hineingehen und ihn mit dem Erntegut, abgegebener Gülle usw. - durch das Hoftor - wieder verlassen. Auf die Einführung einer Hoftorbilanz hatten vor allem die Umweltverbände und die Verbände der Trinkwasserversorgungswirtschaft Wert gelegt. Die Einführung der Hoftorbilanz ist im Entwurf der Düngeverordnung in § 15 (2) allerdings noch in eckiger Klammer enthalten. Das bedeutet, dass die Hoftorbilanz weiterhin zur Disposition steht.

DüV: Auf die Anhänge kommt es an!

Ob die neue Düngeverordnung tatsächlich zu einem wesentlich verbesserten Grundwasserschutz beitragen wird, hängt entschieden von den Werten ab, die in die zahlreichen Tabellen in den rund 40seitigen Anlagen eingetragen sind. Beispielsweise wird in Anlage 1 (Tab. 1) angenommen, dass eine Legehenne nicht nur 17,6 kg "Eimasse" produziert, sondern in ihrem kurzen Leben auch 0,764 kg Stickstoff kackt. Rechnet man das auf eine Million Legehennen hoch - eine Zahl, die in einigen Landkreisen nicht unüblich ist - machen sich Änderungen an der zweiten oder dritten Stelle hinter dem Konto in vielen Tonnen stickstoffträchtiger Hühnerkacke mehr oder weniger bemerkbar. Da der Entwurf der neuen Düngeverordnung erst am 18. Dez. 2014 veröffentlicht worden ist, sind wir noch nicht dazu gekommen, die Anlagen im Detail zu prüfen.

Düngeverordnung für Bauern mit Jurastudium

Der Entwurf der Düngeverordnung ist ein neuer Höhepunkt von unverständlichem Gesetzgebungsslang. Keine Spur von Lesefreundlichkeit; keinerlei Versuch, sich auf die Lesegewohnheiten von Landwirten einzustellen. Kostprobe:

"§ 6 (3) Aus organischen und organisch-mineralischen Düngemitteln, einschließlich Wirtschaftsdüngern, auch in Mischungen, dürfen unbeschadet der Vorgaben nach §§ 3 und 4 Nährstoffe nur so aufgebracht werden, dass die aufgebrachte Menge an Gesamtstickstoff im Durchschnitt der landwirtschaftlich genutzten Flächen des Betriebes 170 Kilogramm Gesamtstickstoff je Hektar und Jahr nicht überschreitet. Für die Ermittlung der aufgebrachten Stickstoffmenge sind die im Sinne des § 3 Absatz 4 bekannten, ermittelten oder festgestellten Gehalte, bei im Betrieb anfallenden Wirtschaftsdüngern tierischer Herkunft einschließlich des Weideganges mindestens die Werte nach Anlage 1 Tabelle 1 und Anlage 2 Zeilen 5 bis 8 Spalte 2 oder 3 anzusetzen ..."

Der Entwurf der Düngeverordnung ist durchgehend in diesem schwer verständlichen Juristendeutsch abgefasst worden. Wenn ein Landwirt derart abgehobenes Juristendeutsch zumindest nach drittem Mal Durchlesen kapieren will, muss er neben seinem Agrarstudium auch als Nebenfach Jura belegt haben. Hinzu kommt, dass die Verordnung mit ihren Anhängen immerhin 63 Seiten umfasst. Papierkram ist für die Bauern eh das Schlimmste. Da sind die Landwirte durchweg am Jammern und Klagen: "Die Hälfte der Arbeit geht für den Papierkram drauf. Das ist doch keine Arbeit für Bauern!"

Und jetzt noch ein kleiner Tipp am Rande: Wer unter unseren LeserInnen an Einschlafstörungen leidet, sollte sich so einen Verordnungsentwurf reinziehen. Beim Versuch, die Düngeverordnung konzentriert Satz für Satz zu lesen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass man nach spätestens zehn Minuten nicht mehr gegen das größer und größer werdende Schlafbedürfnis ankommt.

Unisex in der Düngeverordnung?

Alle neuen Gesetze und Verordnungen - und ihre Änderungen - müssen im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Gleichstellung von Männern und Frauen geprüft werden. Hierzu wird in der Begründung zur Neufassung der Düngeverordnung festgestellt:
"Auswirkungen des Verordnungsentwurfes von gleichstellungspolitischer Bedeutung sind nicht zu erwarten. Der Entwurf enthält keine Regelungen, die auf die spezifische Lebenssituation von Frauen und Männern Einfluss nehmen. Soweit Personen von den Regelungen der Verordnung betroffen sind, wirken sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise aus."

Das stimmt möglicherweise nicht ganz: Nicht unwahrscheinlich ist, dass der ganze bürokratische Aufwand im Gefolge der neugefassten Düngeverordnung (Aufzeichnungs- und Berichtspflichten) wohl wieder größtenteils an den Landwirtschaftsfrauen hängen bleiben wird. Ob diese "spezifische Lebenssituation" und Rollenverteilung auf den Bauernhöfen von den Abteilungsleitern und Referenten im Bundelandwirtschaftsministerium reflektiert wird?

NRW: Wir zahlen nix!

In einer ersten Reaktion hat NRW-Umweltminister JOHANNES REMMEL (Grüne), moniert, dass es "über drei Jahren intensiven Aufforderns durch die NRW-Landesregierung" bedurft hätte, um die Bundesregierung endlich dazu zu bewegen, einen Vorschlag zur Novellierung der Düngeverordnung auf den Tisch zu legen. Dies sei umso ärgerlicher, weil bereits ein EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen der mangelhaften Wirkung der geltenden Düngeverordnung laufe. Die EU-Kommission habe kritisiert, dass die derzeitige Düngeverordnung untauglich sei, die viel zu hohen Nitratkonzentrationen im Grundwasser einzudämmen. Die Novellierung der Düngeverordnung sei "dementsprechend schon lange überfällig". Die Bundesländer hätten "die Probleme schon lange erkannt und werden auch nicht für die Verfehlungen der Bundesregierung gerade stehen. Sollten wegen des EU-Vertragsverletzungsverfahrens Kosten entstehen, werden wir als Länder diese Kosten nicht tragen."

Des Weiteren erklärte REMMEL laut Pressemitt. vom 18.12.14: "Wir benötigen eine Düngeverordnung, die sich viel stärker am Schutz unserer Gewässer und unseres Grundwassers orientiert als bisher. Dies wird nur gelingen, wenn wir die Stickstoffeinträge effektiv verringern, beispielsweise indem wir in Zukunft wieder eine stärkere Flächenbindung in der Tierhaltung herbeiführen und die Sperrfristen zum Ausbringen von Gülle deutlich ausweiten." Zudem machte REMMEL auf weitere drohende Komplikationen aufmerksam: "Nach wie vor gibt es keinen Entwurf für eine Änderung des Düngegesetzes, die für die geplante Änderung der Düngeverordnung Voraussetzung ist. Ich weise ausdrücklich darauf hin, die Anpassung des Düngegesetzes parallel unter Beteiligung der Länder erfolgen muss, damit die Novellierung der Düngeverordnung nicht erneut verzögert wird."

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1051
Herausgeber:
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2015


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