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VIELFALT/120: SAVE eNews 1/2012 - Sicherung der Artenvielfalt (SAVE)


SAVE eNews 1/2012 - Montag, 19. März 2012

Ein vierteljährlicher Informationsdienst der europäischen SAVE Foundation (Safeguard for Agricultural Varieties in Europe)

Inhaltsübersicht:
- Wildlebende Nutztierpopulationen in Europa
- Heritaste: Ergebnisse der öffentlichen Konsultation
- 6. Europ. Seminar zur Agrobiodiversität: "Der ökonomische Wert lokaler Rassen und Sorten"
- Europäischer Tag der Agrobiodiversität (EAD) 29. September 2012
- David gegen Goliath: Saatgut-Verkehrsgesetze infrage gestellt
- Das schwarze Castellana und Ganeca Huhn
- Transhumanz in Madrid: Demonstration im Oktober 2011
- Kurznachrichten (4)
- Auszug der wichtigsten Veranstaltungen


Wildlebende Nutztierpopulationen in Europa

Die weissen wilden Camargue Pferde sind eine weltbekannte Pferderasse aus Frankreich. Sie sind für die Besucher der Camargue im Mündungsgebiet der Rhône Sinnbild für Freiheit und Abenteuer. Gemeinsam mit den Betizu Rindern in den Pyrenäen, den Chillingham Rindern in England, den Sandsoya Ziegen in Norwegen und vielen weiteren Rassen und Varietäten haben sie, dass sie - ehemals Haustiere - wild und vom Menschen wenig beeinflusst existieren. Und das oft schon seit Jahrhunderten. Andernorts wurden Pferde, Rinder, Ziegen oder Schafbestände aufgrund von Landflucht, wegen kriegerischer Auseinandersetzungen oder einfach weil die Landwirtschaft aufgegeben wurde, sich selbst überlassen. Diesen wilden oder semi-wilden Populationen wurde bisher nur wenig Beachtung geschenkt. Es sei denn, sie stören Forst und Landwirtschaft durch Krankheiten, Verbiss, Verkreuzung, Futter- oder Wasserkonkurrenz. Aus Sicht des Naturschutzes werden diese Populationen ambivalent eingeschätzt: einerseits können unbeaufsichtigte Nutztierpopulationen massive Auswirkungen auf den Naturhaushalt eines Ökosystems haben. Andererseits werden semi-wild gehaltene Nutztiere bei der Erhaltung größerer Natur- und Parklandschaften eingesetzt. So weiden seit Jahrhunderten z.B. im "New Forest" in England Pferde, Rinder und Schweine und sorgen so für eine einmalige parkähnliche Landschaft mit einem einmaligen Ökosystem. Die Interaktion zwischen der Umwelt und dem Management von autochthonen Nutztierrassen ist in traditionellen Agrar-Ökosystemen von großem Nutzen für die Erhaltungsarbeit auf beiden Ebenen der Biodiversität, der der wildlebenden und der der domestizierten Arten.

Chillingham Rinder;Quelle: Chillingham Cattle Assoc.

Ein Überblick über die in Europa vorkommenden wilden und semi-wilden Nutztierpopulationen fehlt bisher. SAVE Foundation geht in dem Projekt "Der ökologische Wert wildlebender Nutztierpopulationen in Europa" der Problematik um diese vergessenen Populationen nach. Das Projekt zielt darauf ab, Daten und Informationen über das Vorkommen von wildlebenden Rassen und Varietäten von Nutztieren zu sammeln, die interdisziplinäre Vernetzung von Schlüsselpersonen aus der in-situ/on-farm Erhaltungsarbeit und aus dem Naturschutz zu fördern und Best-Practice Managementpläne zu entwickeln.


Erfassung

Es wurden bereits mehr als 65 Rassen und Populationen in 22 Ländern identifiziert. Dazu gehören auch verwilderte Nutztiere, die keiner Rasse zugeordnet werden können, wie z.B. die verwilderten Pferde im Axios Delta in Griechenland oder die Pferde im Schutzgebiet Hutovo Blato in Bosnien-Herzegowina. Gerade solche Populationen machen deutlich, dass die Begriffe wie wild, semi-wild und semi-domestiziert "Punkte auf einem Kontinuum von wilden zu domestizierten Species" (Prescott-Allen et al 1996) sind. Besonders in Süd- und Südost-Europa sind Bestände wild lebender Nutztierpopulationen oftmals kaum bekannt. Es ist oft eine Sisyphusarbeit, die allgemeinen Angaben zu verifizieren, geschweige denn, eine Rassenzuordnung vorzunehmen. So wird geschätzt, dass in Griechenland allein ca. 3.000 Pferde in diversen Regionen und auf den Inseln wild leben. In den Balkanländern ist die Situation ebenfalls nahezu unüberschaubar. Doch hier kann zumindest einigen Hinweisen nachgegangen werden. In den Pyrenäen sind einige Populationen sehr gut beschrieben. Dennoch treten Konflikte mit der lokalen Bevölkerung und mit dem Tourismus auf. Auch in anderen Ländern gibt es diese Konflikte. Ferner treten teilweise massive rechtliche Probleme und Probleme der Akzeptanz auf, die im Folgenden näher erläutert werden:


Vermarktung und Direktzahlungen

Die geltenden EU Bestimmungen schreiben eine klare Rückverfolgbarkeit vor. Das heißt, dass die Tiere markiert sein müssen. Markierungen bei wild und semi-wild weidenden Tieren sind jedoch schwierig anzubringen. Außerdem reißen Ohrmarken häufig ab. Die Fleischnutzung für den menschlichen Verzehr ist nur von registrierten Tieren möglich. Auch wenn es, wie im Fall des Chillingham Rindes, als Wildtier anerkannt ist, kann das Fleisch nicht als Wildbret genutzt werden, da es sich um "nicht jagdbares" Wild handelt. Eine Vermarktung als Nischenprodukt kann also nur bei semi-wilder Haltung mit entsprechender Markierung stattfinden. Unabhängig von diesen Regelungen werden insbesondere wild lebende Rinder oft illegal gejagt. Auch Direktzahlungen können nur für registrierte Tiere geleistet werden. Bei den Pferden ist die Markierung und Erstellung des im ganzen EU Raum geforderten Equidenpasses ebenfalls nahezu unmöglich. Es ist kaum bekannt, dass die relevanten EU Bestimmungen durchaus definierte Ausnahmen zulassen, die von den einzelnen Staaten definiert werden müssen. Der rechtliche Status der wilden und semi-wilden Populationen ist also bisher alles andere als befriedigend.

Letea Forest Pferde, Rumänien;Quelle: Kerkdijk-Otten


Naturschutz

Seit Ende 2010 haben auch Naturschutzflächen Anspruch auf Agrarförderung, denn der Europäische Gerichtshof stellte fest, dass bei der Förderung von Naturschutz und Landwirtschaft kein Zielkonflikt besteht. Der EuGH entschied, dass eine landwirtschaftliche Fläche "im Sinne der EU-Vorgaben auch dann vorliegt, wenn deren Nutzung zwar auch landwirtschaftlichen Zwecken dient, der überwiegende Zweck aber in der Verfolgung der Ziele der Landschaftspflege und des Naturschutzes besteht (Rechtssache C-61/09, NABU)". Dieser Entscheid muss allerdings noch auf Länderebene umgesetzt werden. Das "High Nature Farming" ist derzeit ein aktuelles Thema in der gemeinsamen Agrarpolitik der EU. Es handelt sich um großflächige extensive Kulturlandschaften, in denen teilweise auch semi-wilde Beweidung stattfindet. Es bleibt abzuwarten, ob für die semi-wilden Populationen in diesem Zusammenhang Sonderregelungen gefunden werden.


Waldweide

Ein weiteres heikles Thema ist die Waldweide. Meist gehören zu Groschutzgebieten auch Waldparzellen. Diese können den Tieren einen natürlichen Schutz vor Witterung und Insekten etc. bieten. Neben der Holzproduktion war die Waldweide im Mittelalter eine Hauptnutzung des Waldes. Mit Beginn der Forstwirtschaft im 19. Jahrhundert wurde Wald und Weide jedoch getrennt. So verbietet in vielen Ländern das Waldgesetz ausdrücklich eine Waldweide. Sonderregelungen für die Waldweide in Schutzgebieten sind immer noch Einzelfälle und müssen intensiv und sorgfältig mit den Interessengruppen abgestimmt werden. Der durchaus positive Einfluss einer angepassten Waldweide wurde erst in den letzten Jahren untersucht.

Neben den aufgeführten Problemen bieten die wilden und semi-wilden Nutztierpopulationen aber große Chancen: Ihr Wert als "Ersatz" für die in Europa ausgestorbenen Groherbivoren zur Offenhaltung der Landschaft und Bereicherung verschiedener Ökosysteme wird kaum mehr bestritten. In vielen Bereichen dienen sie als kostengünstige Landschaftspfleger und Attraktion für Touristen. Ferner ist ihr Wert als genetische Ressource bisher kaum beachtet worden. In der nun folgenden Projektphase wird eine Internetplattform geschaffen, in die die Daten und Informationen einfliessen. In einem Workshop mit Fachleuten aus Naturschutz, Landwirtschaft und verwandten Bereichen sollen Probleme diskutiert und Lösungsansätze erarbeitet werden. Best Practice Beispiele und Managementpläne sollen helfen, den fast vergessenen wild und semi-wild lebenden Nutztierpopulationen eine Stimme zu geben. Falls Sie Interesse haben, sich an diesem Prozess zu beteiligen, melden Sie sich!

Der Fragebogen ist unter http://www.save-foundation.net/temp/Feral_Pop_Survey.doc abrufbar. Wir freuen uns auf Ihr Statement! eMail: waltraud.kugler@save-foundation.net.

Das Projekt wird grosszügig unterstützt durch: Margarethe & Rudolf Gsell-Stiftung, Basel; Gerda Techow Stiftung, Vaduz, Liechtenstein, und Parrotia Stiftung, Zürich.


Heritaste®

Ergebnisse der öffentlichen Konsultation

Im letzten Jahr wurde über Heritaste®, das Label zur Vermarktung der Produkte und Dienstleistungen einheimischer Nutztierrassen und Kulturpflanzen, intensiv diskutiert. Zwischen September und Ende Dezember 2011 fand die öffentliche Konsultation für alle Interessierten statt. Ziel war es, genaue Nutzungsbedingungen für eine Zertifizierung zu erarbeiten. Die Konsultation fand im sozialen Netzwerk für Halter von lokalen Nutztierrassen und Anbauer alter Kulturpflanzen in Europa, den Variety Savers (http://variety-savers.net/), statt. Die problematischen Themen wurden diskutiert und ausgewertet und Entscheidungen wurden getroffen. Die Nutzungsbedingungen wurden gestrafft, um die Meinungen der Diskussionsteilnehmer und die Ziele der SAVE Foundation bei der Einführung dieses Labels zu reflektieren. Die resultierenden Entscheidungen und Bedingungen sind nachstehend aufgeführt. 2012 nun wird SAVE Foundation einen Vertrag mit unabhängigen Zertifizierungsstellen ausarbeiten, um einige Produkte und Dienstleistungen als Modelle zu zertifizieren, die dann zur Nachahmung empfohlen werden können. Wenn Sie sich mit Ihrem Produkt oder Ihrer Dienstleistung an diesem Modellprojekt beteiligen möchten, melden Sie sich unter office@save-foundation.net. Beachten Sie bitte, dass nicht alle Produkte und Dienstleistungen für dieses Modellprojekt gleichermaßen geeignet sind. SAVE muss daher eine sorgfältige Prüfung vornehmen, um das am besten geeignete Produkt oder die Dienstleistung als Modell aufzunehmen.


Die Rahmenbedingungen

- Das geografische Gebiet entspricht dem der Aktivitäten der SAVE Foundation.

- Produkte und Dienstleistungen (nicht ganze Betriebe) können zertifiziert werden.

- Nationale Organisationen (z.B. die SAVE Netzwerk Mitglieder) erstellen eine Liste von Rassen und Sorten, die sie als förderungswürdig erachten. Nur Produkte von Rassen und Pflanzensorten, die aufgelistet sind, können zertifiziert werden. Landwirte und Erzeuger sollen sich bei den nationalen Organisationen dafür einsetzen, "ihre" Rassen und Sorten auf diese Liste zu bekommen.

- Ein Leitungsausschuss bestehend aus SAVE Mitarbeitern und SAVE Netzwerk Mitgliedern wird gebildet. Der Leitungsausschuss tritt einmal jährlich als Teil der SAVE Jahrestagung im Rahmen der kombinierten Sitzung der Projektkommission (PC) und des Rates der Kooperationspartner (CCP) zusammen. An dieser offenen Sitzung sind nur die Mitglieder der PC und des CCP stimmberechtigt. Die endgültigen Entscheidungen hinsichtlich Heritaste® werden vom SAVE Stiftungsrat getroffen. Der Leitungsausschuss gibt Empfehlungen und Anträge in der gleichen Weise an den Stiftungsrat, wie die übrigen SAVE Gremien.

- Jegliche regionalen oder nationalen Abweichungen werden mit der unabhängigen Zertifizierungsstelle diskutiert und eine genaue Vorgehensweise erarbeitet.

- Nur Produkte und Dienstleistungen von reinrassigen Tieren können zertifiziert werden.

- Heritaste® ist ein Qualitätslabel. Dies sollte in die
Nutzungsbedingungen einfliessen.

- Hinsichtlich der Nutzungsbedingung Punkt 3 (traditionelle Haltung): Für jede Art werden die Bedingungen mit den unabhängigen Inspektoren besprochen und eine exakte Vorgehensweise wird erarbeitet werden.


Die Nutzungsbedingungen

1. Die Tierrasse- und/oder Kulturpflanze muss dokumentiert sein (Herdbuch/genehmigte Datensätze) und auf den nationalen Listen für Heritaste© aufgeführt sein.

2. Die Produktion muss auf lokaler Ebene, extensiv und nicht industriell stattfinden.

3. Die Tiere müssen in Übereinstimmung mit dokumentierten traditionellen Methoden gehalten werden, soweit dies nicht modernen Tierschutzbestimmungen zuwiderläuft.

4. Traditionelle Herstellung ist anzuwenden und die Qualität ist garantiert (saisonale Abweichungen sind für natürliche Produkte akzeptiert).

5. Ökosystemleistungen (z.B. Beweidung) ist nachweislich von Vorteil für das lokale Ökosystem.

6. Andere Dienstleistungen müssen nachweislich von Nutzen für die in-situ/on farm Erhaltung sein.

7. Die Produktion und Distribution muss die Regeln des fairen Handels einhalten und lokale Wirtschaftsstrukturen unterstützen.

8. GMOs sind nicht zulässig.


6. Europäisches Seminar zur Agrobiodiversität 2012

"Der ökonomische Wert lokaler Rassen und Sorten"

SAVE Foundation freut sich, zur Jahrestagung 2012 und dem 6. Seminar zur Agrobiodiversität ihre Partner, Akteure und Interessenten in die Schweiz einzuladen. Die Veranstaltung findet am 14.-16. September 2012 in Urnäsch im Kanton Appenzell statt. "Der ökonomische Wert lokaler Rassen und Sorten" soll in diesem Jahr intensiver beleuchtet werden. Neben Präsentationen und Erfahrungen aus verschiedenen Ländern kann das Engagement der Schweiz, insbesondere im Kanton Appenzell, durch Exkursionen und Aktivitäten erlebt werden.

Die Schweiz hat bereits einen reichen Erfahrungsschatz bei der Inwertsetzung traditioneller Rassen und Sorten, aber auch bei der Vermarktung von traditionellem Handwerk und Brauchtum. Appenzell in der Ostschweiz ist international bekannt für sein Brauchtum, seine Produkte wie z. B. Käse und seine typische Landschaft. Vorgesehen sind Exkursionen zur "Appenzeller Ziegenprodukte AG", einem Ziegenmilch und -produkte herstellenden Betrieb, der Besuch eines Arche-Hofes sowie die Besichtigung des Hochstamm Obstgartens und Obstlehrpfades "Höri", der mit seinen über 250 Sorten eine anerkannte Primärsammlung des Nationalen Aktionsplanes zur Erhaltung der pflanzengenetischen Ressourcen der Schweiz ist.


Vorläufige Agenda:

Donnerstag, 13. September

Bis 14.00 Ankunft und Registrierung
14.00 6. Seminar zur Agrobiodiversität "Der ökonomische Wert lokaler Rassen und Sorten"
17.30 Bio-Arche-Hof Mühlstatt
20.00 Abendessen

Freitag, 14. September

8.30 - 10.30 Sitzung der Projektkommission und des SAVE Länderrates
11.00 Abfahrt zum Sortengarten und Obstlehrpfad Höri (Mosterei Brunner)
Mittagessen
16.00 Schwägalp mit Möglichkeit einer Seilbahnfahrt auf den Säntis (auf eigene Kosten)
geschlossene Sitzung des SAVE Stiftungsrates
19.00 Abendessen auf Schwägalp Passhöhe
21.00 Verleihung der Arca Deli Awards

Samstag, 15. September

10.30 Alp-Abtrieb Urnäsch
12.00 Exkursion nach Gonten "Appenzeller Ziegenprodukte AG" mit Apero
14.00 Farewell

Die Veranstaltung findet mit freundlicher Unterstützung des Schweizerischen Bundesamtes für Landwirtschaft statt.

Download Informationen und Anmeldung:
www.save-foundation.net/pdf/SAVE_2012.pdf


Europäischer Tag der Agrobiodiversität (EAD) 29. Sept. 2012

Das Thema des Europäischen Tages der Agrobiodiversität (EAD) ist analog zum Thema "Der ökonomische Wert lokaler Rassen und Sorten" - korrespondierend mit dem Thema des 6. Seminars Argrobiodiversität.

Das öffentliche Bewusstsein ist sehr wichtig! Es gibt immer noch zu wenig Bewusstsein für die enorme Vielfalt der Rassen und Sorten in der europäischen Landwirtschaft und deren Erhaltung - Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für unser Thema nützt auf allen Ebenen: Es hilft Herstellern von traditionellen Produkten einen Markt zu finden und erinnert unsere Politiker, ihre internationalen Verpflichtungen zur Agrobiodiversität wahr zu nehmen.

Bitte teilen Sie uns Ihre Aktivitäten und Vorhaben zur Förderung der Agrobiodiversität mit. Vielleicht haben Sie eine Veranstaltung für den Newsletter oder eine Website, die für unsere Leser interessant sein könnte?

Unterstützen Sie den 29. September, den Europäischen Tag der Agrobiodiversität!


David gegen Goliath: Saatgut-Verkehrsgesetze infrage gestellt

Die Association Kokopelli, eine französische Nichtregierungsorganisation zur Erhaltung und Verbreitung von alten, lokalen Sorten und Varietäten, führt 461 nicht zugelassene Sorten in ihrem Sortiment, wie Graines Baumax SAS, ein renommiertes Saatgutunternehmen in Nancy, Frankreich, feststellte. Baumax SAS erhob deshalb im Jahr 2005 Klage gegen Kokopelli wegen unlauteren Wettbewerbs. Das Unternehmen fordert einen pauschalen Schadensersatz sowie die Einstellung der Werbung für diese Sorten. In erster Instanz sprach das Tribunal de Grande Instance in Nancy Graines Baumaux einen Schadenersatz zu und wies die Klage im Übrigen ab. Kokopelli legte Revision beim Cour d'Appel Nancy ein. Das Verfahren gelangte an den Europäischen Gerichtshof.

Nun hat die Generalanwältin beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) Juliane Kokott in ihrem Schlussantrag am 19. Januar 2012 gefordert, das Vermarktungsverbot aufzuheben, das gegenwärtig für Saatgut von Pflanzensorten gilt, die nicht in offiziellen Sortenkatalogen eingetragen sind. Darin heißt es wörtlich: "Das .. Verbot, Saatgut von Sorten zu verkaufen, die nicht nachweislich unterscheidbar, beständig und hinreichend homogen sind ... ist wegen Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, (...) ungültig." Ferner bestätigt die Generalanwältin, dass einerseits die Zulassungsbedingungen des offiziellen Saatgutkatalogs "keinen Bezug zur Pflanzengesundheit" haben, andererseits "es grundsätzlich Aufgabe der Landwirte ist, darüber zu entscheiden, welche Sorten sie anbauen" und dass diese Gesetzgebung die Konsumentenfreiheit auf das Äußerste reduziert, denn "sie erhalten weder Zugang zu Lebensmitteln oder anderen Produkten aus Sorten, die nicht den Zulassungsbedingungen entsprechen, noch können sie sie selbst - etwa in ihren eigenen Gärten - anbauen."

Juliane Kokott würdigt nicht zuletzt in ihrem Schlussantrag auch den Internationalen Vertrag über die pflanzengenetischen Ressourcen (ITPGRFA) als Rechtsquelle. Folgt der Europäische Gerichtshof den Anträgen der Generalanwältin, so wird die EU-Kommission ihre Richtlinien anpassen und die Mitgliedsstaaten auffordern müssen, ihre Regelungen anzupassen. Damit wären die Einschränkungen der Saatgutverkehrsgesetze hinfällig.

Mehr Informationen unter:
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=118143&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=66802
und http://www.saatgutkampagne.org/PDF/Kokopelli_EuGH_DT.pdf
und auch http://www.kokopelli.asso.fr/proces-kokopelli/baumaux.html

Kontakt:
Blanche MAGARINOS-REY,
Kokopelli's Anwältin,
contact@avocat-magarinos-rey.com


Das schwarze Castellana und Ganeca Huhn

José Luis Yustos (President) GANECA, Amigos de la gallina castellana negra
ganecastellananegra@googlegroups.com; facebook: Amigos de la gallina castellana negra

Herkunft und Situation

Das schwarze Castellana ist eine der ältesten spanischen Hühnerrassen. Christoph Kolumbus nahm diese Rasse im 15. Jahrhundert mit in die Neue Welt, denn sie war die Favoritin von Königin Isabel. Ferner wurden die schwarzen Castellana aufgrund eines Ediktes von Charels V. nach Flandern exportiert. Viele der heutigen europäischen schwarzen Hühnerrassen stammen von den Castellanas ab. Diese Einschätzung wurde in den letzten Jahren durch genetische Studien belegt. Bereits 1926 wurde ein Standard erstellt. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die Castellanas zur Produktion von weissen Eiern genutzt. Mit dem Aufkommen der industriellen Geflügelzucht in Käfigen und den Hybrid-Rassen gerieten die Castellanas in Vergessenheit. Heute ist diese Rasse im nationalen spanischen Erhaltungsprogramm zur Erhaltung, Verbesserung und Förderung der Nutztierrassen enthalten (Königliches Dekret 2129/2008). Im offiziellen Katalog der spanischen autochthonen Rassen werden sie im Anhang I als gefährdet geführt.


Rassebeschreibung

Die Farbe ist schwarz und blau-grün schillernd, besonders beim Hahn. Es ist leicht, dynamisch, kräftig und stolz. Es ist so leicht, dass es zum Schlafen auf Bäume flattert, um sich vor Raubtieren zu schützen. Der Hahn-Standard umfasst ein rotes Gesicht mit weißen Ohrlappen, einen tiefroten, mittelgroßen, aufrechten und geraden Kamm mit 5-6 Zacken. Die Augen sind groß mit einer rötlichen bis orange-braunen Iris. Der Schwanz ist fast im rechten Winkel nach oben (Eichhörnchenschwanz). Das Gewicht beträgt ca. 3 kg.


GANECA: Vereinigung der Züchter des Schwarzen Castellana

Der Verein "Gesellschaft der Freunde des Castellana Negra Huhnes", GANECA, umfasst Mitglieder der Region Kastilien und Léon, aber auch aus der Region Madrid, Extremadura und Andalusien. Zur Erhaltung und Verbesserung der Qualität werden die Tiere jährlich selektioniert und bewertet. Nur die besten Tiere werden zur Zucht zugelassen. Mit dieser Selektion bleiben die herkömmlichen Merkmale der Rasse erhalten und das Eierlegen wird erhöht, um den Level zu erreichen, den die Rasse im frühen zwanzigsten Jahrhundert hatte. GANECA beteiligt sich an Ausstellungen und Messen, bei denen sich besonders ältere Besucher gerne daran erinnern, dass ihre Groeltern auch derartige Hühner hatten. Aber GANECA Hennen sollen nicht nur schön aussehen. Die Lebensfähigkeit der Rasse muss entsprechend einer nachhaltigen Agrarökologie auch einen realen Wert erzielen. Zwei Partner produzieren und verkaufen daher bereits gemäss den Bio-Richtlinien der Regierung von Kastilien und Léon zertifizierte Bio-Eier.


Transhumanz in Madrid: Demonstration im Oktober 2011

Spanische Hirten haben im Oktober 2011 Schaf-und Rinderherden auf ihren ursprünglichen Viehtriebwegen durch die Straßen von Madrid geführt, um auf die Rechte des Viehtriebs aufmerksam zu machen. Durch die Besiedlung und somit durch den Menschen geschaffene, künstliche Grenzen ist die Transhumanz heute gefährdet.

Jesus Garzon, Präsident des seit 1273 bestehenden Hirtenrates, sagte, dass 5000 Schafe und 60 Rinder die Stadt durchquerten, um auf die Wegrechte der Viehtriebrouten aufmerksam zu machen, die schon bestanden, bevor Madrid von einem Bauerndorf zur Hauptstadt heranwuchs.


Kurznachrichten

EU-Richtlinie 2008/90 (Inverkehrbringen von Obstgehölzen)

Es liegt ein neuer Entwurf für die Umsetzung seitens des Ständigen Ausschusses Obst bei der Europäischen Kommission vor. Nach diesem Entwurf soll lediglich das Inverkehrbringen neuer Sorten für den kommerziellen (und übernationalen) Obstanbau EU-weit geregelt werden. Für die alten Sorten wird lediglich geregelt, dass diese zu registrieren sind. Das 'Wie' einer Registrierung - so der jetzige Entwurf - sollen die Mitgliedsstaaten eigenständig regeln können.

(Quelle: H.-J. Bannier, Pomologen-Verein e.V., Deutschland, Dachverband Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt e.V.; Web: www.kulturpflanzen-nutztiervielfalt.org; http://ec.europa.eu/food/fs/rc/scpfgs/summary08062011_en.pdf


Neue Geschäftsführung des Sekretariats des Übereinkommens für die biologische Vielfalt (CBD)

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon ernannte im Januar den Brasilianer Braulio Ferreira de Souza Dias als neuen Executivsekretär des Sekretariats der CBD. Er tritt die Nachfolge von Ahmed Djoghlaf an. Herr Dias bringt für diese Position umfangreiche Erfahrungen in der Politik und in der Koordination der Umsetzung der biologischen Vielfalt, deren Strategien, Programme und Projekte auf nationaler und internationaler Ebene mit.


Agrobiodiversity and the Law

Dieses Buch analysiert den Einfluss der Rechtssysteme auf die Agrobiodiversität. Mit seinem interdisziplinären Ansatz nimmt es das Konzept der Agrobiodiversität und seine Beziehungen zu Ernährungssicherheit, Ernährung, Gesundheit, ökologische Nachhaltigkeit und Klimawandel auf und beurteilt die wichtigsten Rechtsinstrumente einschließlich der Saatgutgesetzgebung, die Internationale Konvention zum Schutz von Pflanzenzüchtungen, Sortenschutz, das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (in Bezug auf deren Auswirkungen auf die Agrobiodiversität) und den Internationalen Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft. Ferner werden die Möglichkeiten der Umsetzung und Schnittstellen dargestellt und untersucht.

Schließlich wird die Rolle von Schutzgebieten und die Möglichkeit der Verwendung von geografischen Angaben, um den Wert der Agrobiodiversität, deren Produkte und Prozesse zu verbessern analysiert. ("Agrobiodiversity and the Law; Regulating Genetic Resources, Food Security and Cultural Diversity", Juliana Santilli ISBN: 978-1-84971-372-6, Routledge - 348 pages, £60.00).


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Veranstaltungen (Auszug):

21.- 23. März:
Konferenz "Europäische Perspektiven für die Zukunft der Biodiversität & Ökosysteme" Zürich, Schweiz.
www.ecochange-project.eu/Conference_Programme.pdf

30. März - 1. April:
City Farm Jahrestreffen in der Pietersheim City Farm in Lanaken, Belgien,
Web: http://www.cityfarms.org/

13. April:
NATUR Kongress "Landschaft im Spannungsfeld von Schutz und Nutzung", Basel, Schweiz.
Im Rahmen der NATUR Messe (13-16 April).
Web: http://www.natur.ch/

13.- 14. April:
4. Internat. Konferenz zur Entwicklung der Bio-Branche in Zentral-/Osteuropa und den zentralasiatischen Ländern. Izmir, Türkei.
Kontakt: conference@eto.org.tr, Web: http://turkey.organic-conference.info

15.-17. April:
Konferenz über nachhaltige Landnutzung und ländliche Entwicklung in Berggebieten; Stuttgart, Deutschland.
Kontakt: uplands2012@uni-hohenheim.de, Web: https://uplands2012.uni-hohenheim.de/

17.-18. April:
6. Europ. Bio-Kongress; Kopenhagen, Dänemark. Mail: info@ifoam-eu.org

19.- 20. April:
Die Gestaltung der Zukunft der Landwirtschaft: Die Rolle von Vielfalt in lowinput und organischen Anbausysteme. Rom, Italien.
Kontakt: r.bocci@aiab.it, Web: http://www.solibam.eu

21.-23. April:
Internationale Saatgut-Tage in Griechenland in Paranesti (Drama), Griechenland.
Kontakt: info@peliti.gr, Web: http://www.peliti.gr

7.-9. Mai:
7. Organic Marketing Forum: "Verarbeitung und Marketing von Bio-Produkten und Rohmaterialien". Warschau, Polen.
Web: www.organic-marketing-forum.org, Kontakt: info@ekoconnect.org

8. Mai:
Konferenz zu Eseln und Mauleseln, London, UK.
ed.emery@thefreeuniversity.net

19.-23. Mai:
Trockenrasen in Europa: Beweidung und Ecosystem Services. Prespa-See, Griechenland.
mvrahnak@teilar.gr, http://www.edgg.org/edgg_meeting_2012.html

21.-23. Mai:
2. Nordland-Konferenz zu ländlicher Forschung "Land auf der Schneide" in Joensuu, Finnland.
Web: http://www.mua.fi

28. Mai - 2. Juni:
BALWOIS 2012 Internationale Konferenz: "Umwelt & menschliches Handeln", Ohrid, Mazedonien (FYROM).
Web: http://www.balwois.com/2012/

6.-7. Juni:
Rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen für die Märkte für Ökosystem-Dienstleistungen;
Internationale Interdisziplinäre Konferenz in Surrey, UK.
Web: http://www.ias.surrey.ac.uk/workshops/ecosystem

14.-16. Juni:
ELN-FAB Europa-Seminar mit besonderem Blick auf Anliegen und Lösungen im Mittelmeer-Raum und dortiger Pflanzen. Avignon, Frankreich.
www.eln-fab.eu

4.-8. Juli:
SEEmore Konferenz: Bergebiets-Ressourcen und ihre Möglichkeiten im "Global Change"; Ankara, Türkei.
Web: http://csaum.ankara.edu.tr/index_en.php

26. August:
Levend Erfgoed Expo in der Provinciaal domein Puyenbroeck-Wachtebeke, Belgien.
Kontakt: staf.vandenbergh@skynet.be, Web: http://www.sle.be

27.-31. August:
63. Jahrestreffen der europ. Vereinigung für Tierzucht (EAAP) in Bratislava, Slovakei.
Web: http://www.eaap.org/

31. Aug. - 4. Sept:
"Für eine glänzende Zukunft mit der dunklen Biene", Internat. Konferenz am Plantahof, Landquart, Schweiz.
Web: http://www.sicamm.org

Weitere Daten siehe: http://www.save-foundation.net/deutsch/aktuell.htm


Sie können die SAVE eNews auch von folgender URL als PDF herunterladen:
http://www.save-foundation.net/deutsch/PDF/news/SAVE_eNews_12_1de.pdf

Den Inhalt des Newsletters finden Sie zudem auf der Aktualitätenseite unseres Webauftrittes:
http://www.save-foundation.net/deutsch/aktuell.htm

Arche-Netzwerk: http://www.arca-net.info
ELBARN Net: http://www.elbarn.net
Agrobiodiversity.Net: http://www.agrobiodiversity.net
SAVE Website: http://www.save-foundation.net


*


Quelle:
SAVE eNews 1/2012, 19.03.2012
Elektronischer Infodienst der SAVE Foundation
Herausgeber:
SAVE Foundation, Head Office
Joseph-Belli-Weg 5, D-78467 Konstanz, Deutschland
E-Mail: office@save-foundation.net
Internet: http://www.save-foundation.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. März 2012