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FORSCHUNG/408: Feuerwerk vertreibt Wasservögel (Ala)


Ala - Schweizerische Gesellschaft für Vogelkunde und Vogelschutz

Medienmitteilung - Montag, 25. Juli 2016

Feuerwerk vertreibt Wasservögel


Sempach, 25. Juli 2016. Nicht nur Haustiere reagieren panisch auf explodierende Knallkörper. Grossfeuerwerke verscheuchen auch Wasservögel, wie zwei Studien zeigen. Am Tag nach dem Zürcher «Silvesterzauber» halten sich jeweils ein Drittel weniger überwinternde Wasservögel am unteren Zürichsee auf. Und ein Feuerwerk Anfang September vertrieb gar über 95 Prozent aller Wasservögel rund um die Insel Mainau am Bodensee. Besonders problematisch ist Feuerwerk im August, wenn Haubentaucher und Enten Junge führen oder während der Mauser teilweise flugunfähig sind. Die Studien erschienen in der Zeitschrift «Der Ornithologische Beobachter» der Ala, der Schweizerischen Gesellschaft für Vogelkunde und Vogelschutz.

Mit Böllern und Raketen werden heute Vögel von Weinreben, Apfelplantagen oder Flugplätzen ferngehalten. Besonders effektiv ist eine solche akustische Abschreckung, wenn sie selten und überraschend durchgeführt wird - das schreibt der Zürcher Ornithologe Martin Weggler im «Ornithologischen Beobachter». Und selten, überraschend und laut, das sind eben auch unsere Silvester- und August-Feuerwerke.

Um die Auswirkungen des Zürcher Silvesterfeuerwerks auf Wasservögel zu studieren, beobachtete Martin Weggler in zwei aufeinanderfolgenden Jahren das Verhalten der Tiere zum Jahreswechsel. Am Neujahrstag 2015, nach dem Grossfeuerwerk «Silvesterzauber», zählte er insgesamt nur 1750 Lachmöwen, Stockenten und Reiherenten. Damit hatte im Vergleich zum Vortag ein Drittel der Wasservögel das untere Zürichsee-Becken verlassen. «Der deutliche Effekt des Silvesterfeuerwerks überraschte mich, weil die hier anzutreffenden Arten eigentlich Kulturfolger sind», so der Ornithologe. «Die Störung durch das Feuerwerk war offenbar so gross, dass selbst die störungstoleranten Wasservögel in die Massenflucht getrieben wurden». Innerhalb der nächsten drei Tage sind die verscheuchten Tiere dann wieder zurückgekehrt.

Noch problematischer sind wohl die Auswirkungen der Feuerwerke zum 1. August, so Martin Weggler, denn sie fallen in die Zeit, wenn zum Beispiel Haubentaucher und Reiherente Junge haben, und wenn etwa die seltene Kolbenente mausert und deswegen teilweise flugunfähig ist. «Wir vermuten, dass junge Wasservögel besonders gefährdet sind und zum Beispiel von Hechten gefressen werden, wenn sie nach Störungen durch Feuerwerk von ihren Eltern getrennt schwimmen», sagt der Ornithologe. Weil Feuerwerke bei Dunkelheit gezündet werden, sind die Folgen für Wildtiere für uns ohne Hilfsmittel allerdings kaum wahrnehmbar.

Die Auswirkungen von Feuerwerk am Ende der Brut- und Mauserzeit untersuchte Stefan Werner am Bodensee mit Hilfe von Nachtsichtgeräten. Ein achtminütiges Feuerwerk Anfang September verscheuchte rund 95 Prozent aller Wasservögel aus den unter Naturschutz stehenden Buchten rund um die Insel Mainau. «Nach den ersten Lichtblitzen flohen 1600 Blässhühner und 1300 Kolbenenten zunächst schwimmend», berichtet Stefan Werner. «Als einige Sekunden später die Schallwellen eintrafen und die ersten Explosionen zu hören waren, brachten sich die Vogel fliegend in Sicherheit». Die anwesenden Höckerschwäne seien aufgrund der Mauser aber noch nicht voll flugfähig gewesen, blieben deshalb im Gebiet und versuchten panisch, in das dichte Röhricht zu entkommen.

Da solche mausernden Wasservögel nicht fliegend fliehen können, dürften sie durch Feuerwerk besonders gestresst werden. Starker Stress kann aber das Immunsystem schwächen und zu Todesfällen führen. Aus Sicht des Naturschutzes sollte deshalb auf Feuerwerk in der Nähe von Feuchtgebieten mit grossen Vogelansammlungen besonders zur Brut- und Mauserzeit im Frühjahr und Sommer, am besten aber ganzjährig verzichtet werden. Die in den Schutzgebieten schwimmenden Vogel werden offenbar selbst dann noch gestört, wenn ein Grossfeuerwerk einige Kilometer entfernt ist. Wo ein Verzicht nicht durchsetzbar ist, konnten geräuscharme Feuerwerke einen vielversprechenden Lösungsansatz bieten. Erste Beobachtungen auf der Insel Mainau deuten darauf hin, dass solche Feuerwerke mit geringer Lärmentwicklung nur geringe Störungen der Wasservögel verursachen.


Die Ala - Schweizerische Gesellschaft fur Vogelkunde und Vogelschutz
  • wurde 1909 in Basel gegründet
  • zählt 1300 Mitglieder, sowohl Amateurornithologinnen und -ornithologen wie auch Wissenschaftler
  • ist Herausgeberin der wissenschaftlichen Zeitschrift «Der Ornithologische Beobachter»
  • betreut 16 Reservate. Darunter sind einige der wichtigsten Feuchtgebiete der Schweiz
  • gründete 1924 die Schweizerische Vogelwarte Sempach
  • ist als Landesorganisation Mitglied des Schweizer Vogelschutzes SVS/BirdLife Schweiz



Download der Studien:

Martin Weggler (2015): Effekt von Silvesterfeuerwerk auf überwinternde Wasservögel im unteren Zürichsee-Becken. Der Ornithologische Beobachter 112: 211-218.
https://www.ala-schweiz.ch/index.php/zeitschrift/online-index-ornithol-beob?indexid=16247

Stefan Werner (2015): Feuerwerk verursacht starke Störung von Wasservögeln. Der Ornithologische Beobachter 112: 237-249.
https://www.ala-schweiz.ch/index.php/zeitschrift/online-index-ornithol-beob?indexid=16252

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Quelle:
Medienmitteilung, 25.07.2016
Herausgeberin:
Ala - Schweizerische Gesellschaft für Vogelkunde und Vogelschutz
CH-6204 Sempach
Tel.: +41(0)71 636 10 76 (Sekretariat)
E-Mail: sekretariat@ala-schweiz.ch
Internet: www.ala-schweiz.ch


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juli 2016

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