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SCHUTZGEBIET/645: Mertinger Höll - größtes Naturschutzprojekt des Bund Naturschutz in Schwaben (BN)


Bund Naturschutz in Bayern e.V. - München, 19. Juli 2010

Mertinger Höll das derzeit größte Naturschutzprojekt des Bund Naturschutz in Schwaben


Das Mertinger Ried, ein ausgedehntes Niedermoorgebiet südlich von Donauwörth ist ein Eldorado für seltene Tier- und Pflanzenarten. Seit 1970 engagiert sich dort die Bund Naturschutz Kreisgruppe mit Biotoppflege, Flächenankauf und Fachgutachten. Die Maßnahmen zeigen Erfolg. Seltene Arten wie Moorveilchen und Riedteufel nehmen wieder zu. Der Rückgang von Wiesenbrütern, wie Brachvogel und Kiebitz konnte gestoppt werden. Das typische Landschaftsbild des Donauried mit seinen extensiven und ehemals kleinteiligen Wiesenflächen wird erhalten.

Insgesamt sollen ca. 150 ha Flächen durch Ankauf dauerhaft für den Naturschutz gesichert werden. Damit ist dieses Projekt das bayernweit größte Flächenankaufsprojekt in der Geschichte des Bund Naturschutz. Prof. Dr. Hubert Weiger dankt der BN-Kreisgruppe Donau-Ries bei seinem Besuch am 19. Juli 2010 in der Mertinger Höll für Ihren Einsatz.

Das Projekt Mertinger Höll ist ein Beispiel für erfolgreichen Naturschutz. "Um die Ziele der von der bayerischen Staatsregierung verabschiedeten Bayerischen Biodiversitäts- strategie zu erreichen, müssen die Anstrengungen aber noch erheblich ausgeweitet werden," sagt Prof. Dr. Weiger, "denn wesentliche Ursache für den Rückgang heimischer Tier- und Pflanzenarten ist die Verarmung und der Verlust der Lebensräume."

Von seinen Gründerjahren bis heute kauft der Bund Naturschutz wertvolle Naturflächen, um sie dauerhaft zu schützen. So wichtig diese Ankäufe sind, sie entlassen den Staat nicht aus seiner Verantwortung, die Natur auf ganzer Fläche zu bewahren.

Seit dem ersten Ankauf im Jahr 1933 im Landkreis Erding hat der BN rund 1850 Hektar erworben. Viele der Flächen waren Keimzellen für Schutzgebiete, wie beispielsweise das Murnauer Moos. Derzeit legt der BN einen Schwerpunkt seiner Ankaufsbemühungen in die »Mertinger Höll« im Landkreis Donau-Ries und teils Dillingen, wo er bereits circa 120 Hektar besitzt. In den nächsten Jahren sollen 30 Hektar dazukommen, wieder mit Förderung des Bayerischen Naturschutzfonds und der Heinz-Sielmann-Stiftung. Der BN will so eines der letzten ursprünglichen Wiesengebiete Bayerns durch Ankauf von Schlüsselflächen erhalten - ein FFH-Gebiet mit so seltenen Arten wie dem Schmetterling »Riedteufel«, dem vom Aussterben bedrohten Moorveilchen oder dem Großen Brachvogel. Insgesamt kommen in dem Gebiet 25 Vogelarten der Roten Liste als Brutvögel vor, dazu eine große Zahl an Durchzüglern und Wintergästen.


Projektziele

Wesentliche Ziele sind der Erhalt und die Optimierung der Nieder- und Anmoorkomplexe, der offenen Riedlandschaft, des niedermoortypischen Wasserhaushaltes, der Überschwemmungsdynamik von Donau und Zusam sowie der Lebensräume der charakteristischen Tier- und Pflanzenarten. Die Pflegemahd von Streu- und Extensivwiesen erhält den Lebensraum z.B. für Knabenkräuter, Große Goldschrecke oder Bekassine (Himmelsziege). Mit Hilfe eines Trittsteinverbundsystems soll ein Austausch unter den Tier- und Pflanzenarten des Rieds gewährleistet werden. Die Feuchtgehölze der Ruten werden z.B. für Nachtigall oder Blaukehlchen erhalten. Durch die Auflichtung und Entbuschung von Heckenriegeln wird der Lebensraum für Wiesenbrüter wie den Großen Brachvogel, Kiebitz oder Wachtelkönig offengehalten. Die Anlage von Flachmulden schafft Brut- und Nahrungsräume z.B. für Weißstorch, Laubfrosch und Lebensräume für bedrohte Pflanzenarten wie die Schwertlilie.


Gewinn für Natur und Landwirtschaft

Die vom BN gekauften Flächen werden dank einer Flurbereinigungsmaßnahme des Amtes für Ländliche Entwicklung in Krumbach in das wertvolle Gebiet hineingelegt. Landwirte mit Flächen in der Kernzone des Projektgebietes bekommen oft besser zu bewirtschaftende Flächen außerhalb diese Zone. Diese Maßnahme sichert sowohl Naturschutz als auch der Landwirtschaft die passenden Flächen für die Zukunft. Die BN-Flächen werden weiterhin bewirtschaftet, gepflegt oder zum Beispiel durch neue Flachmulden aufgewertet. Aktive des BN arbeiten daran genauso mit wie derzeit 22 Landwirte, die hier im Auftrag des BN tätig sind. Die Flächen würden sonst verbuschen und ihren ökologischen Wert verlieren. "Erste Erfolge zeigen sich bereits jetzt in der Zunahme seltener Arten wie Moorveilchen, Riedteufel, Ameisenbläuling, Laubfrosch, Braun- oder Blaukehlchen", erläutert Alexander Helber, der ehrenamtlich arbeitende Projektleiter der Bund Naturschutz Kreisgruppe Donau-Ries, seine Arbeit. "Bei den vom Aussterben bedrohten Wiesenbrüter-Vogelarten wie Kiebitz, Brachvogel oder Bekassine konnte der Bestand immerhin stabilisiert werden."


Ankauf bringt dauerhafte Verpflichtung

Der BN übernimmt mit jedem Ankauf eine große Verantwortung und Verpflichtung, die Flächen auf Jahrzehnte für den Naturschutz zu sichern. Insbesondere bei hoch bedrohten Lebensräumen wie extensiven Wiesen oder Mooren ist Flächenankauf oft die einzige Möglichkeit, sie vor intensiver landwirtschaftlicher Nutzung zu sichern. Ziel des BN ist es, möglichst größere zusammenhängende Flächen zu kaufen, um echte Gestaltungsmöglichkeiten zu haben.


Ein langer Weg zum Erfolg

Durch Donauregulierung, Drainage und Intensivierung der Landwirtschaft veränderte sich der Lebensraum Donauried so massiv, dass zahlreiche ehemals dort heimische Arten, wie Birkwild, Moorfrosch und andere Vogel-, Libellen, oder Heuschreckenarten dort im Laufe des 20. Jahrhunderts ausgestorben sind. Andere Arten, wie die Wiesenbrüter Kiebitz, Großer Brachvogel oder Bekassine haben überlebt, sind aber massiv vom Aussterben bedroht.

Der BN startete seinen Flächenankauf in den 70er und 80er Jahren. Die Flächen sollten damals primär als Sperrgrundstücke gegen das dort geplante Atomkraftwerk Pfaffenhofen und das Magnetschwebebahn-Forschungsgelände dienen. Diese Flächen wurden dann zum Grundstock für das Naturschutzprojekt Mertinger Höll. Nach jahrelangen Pflegemaßnahmen begann der BN zwischen 2001 und 2004 mit der ökologischen Optimierung der bestehenden Flächen und einem Ankauf weiterer Flächen. Das Projekt wurde erstmals durch den bayerischen Naturschutzfond gefördert. Seit 2009 werden erneut Flächen angekauft. Grundstücke außerhalb des Projektgebietes werden im Rahmen der Flurneuordnung in das Zielgebiet hineingetauscht.


Staat in der Verantwortung

Der BN kann aber nicht alle gefährdeten Gebiete aufkaufen, auch nicht in der Mertinger Höll. Für den Ankauf von einem Prozent der Landesfläche Bayerns wären schätzungsweise über eine Milliarde Euro nötig. Naturschutz muss Staatsaufgabe bleiben, weil er nur so auf der ganzen Fläche gesichert werden kann. Schwerpunkt der BN-Arbeit ist eine Änderung der Rahmenbedingungen, um die Bedrohungen der Lebensräume und Arten zu reduzieren. Natürlich wird der BN immer wertvolle Flächen als Beispiel für andere ankaufen und pflegen, doch wir können und sollten dem Staat seine Verpflichtung zum Naturschutz nicht abnehmen.

Um die bayerische Biodiversitätsstrategie umzusetzen sind zahlreiche politische Weichenstellungen notwendig. Der Bund Naturschutz fordert daher die bayerische Staatsregierung auf:

die landwirtschaftlichen Fördermittel (EU, Bundesmittel und Landesmittel) so umzuschichten, dass es in Bayern keine öffentlichen Subventionen für Arten und Lebensräume schädigende Bewirtschaftungsformen mehr gibt.
Bayerns Urnatur Platz zu geben. Dafür sind insbesondere in den Wäldern nutzungsfreie Räume unverzichtbar.
Abschied nehmen von immer neuen und nicht mehr finanzierbaren Landschaftseingriffen und einem ungebremsten Verbrauch an Freiflächen.

Ein umfangreicher Forderungskatalog des Bund Naturschutz zum Internationalen Jahr der Biodiversität ist im Internet abrufbar unter:
http://www.bund-naturschutz.de/fileadmin/download/naturschutz/BN%20Infoblatt%205%20Biodiversit%E4t%20Forderungen%20BN.pdf


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Quelle:
Presseinformation PM 25/2010/FA, 19.07.2010
Herausgeber:
Bund Naturschutz in Bayern e.V.
Landesgeschäftsstelle
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Tel. 0 941/ 2 97 20-0, Fax 0 941/ 2 97 20-30
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Internet: www.bund-naturschutz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juli 2010