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SCHUTZGEBIET/741: Sachsen-Anhalt - Die NABU-Stiftung will den Salzigen See kaufen (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 2/12
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Eine runde Sache
Die NABU-Stiftung will den Salzigen See kaufen

von Helge May



Einst erstreckte sich der Salzige See östlich von Eisleben über mehr als acht Quadratkilometer, das machte ihn zum größten See Mitteldeutschlands. Doch dann kam das Jahr 1892. Innerhalb weniger Monate sank der Wasserspiegel um vier Meter, Millionen Kubikmeter Wasser verschwanden im Untergrund. Das Mansfelder Land im Süden Sachsen-Anhalts ist durchzogen von mächtigen Steinsalzformationen. Im Lauf der Zeiten waren offensichtlich große Auslaugungen entstanden, in die nun Seewasser abfloss.

Im 19. Jahrhundert fand im Mansfelder Land noch in großem Stil Kupferschiefer-Bergbau statt. Um dessen Stollen vor Wassereinbrüchen zu schützen, entschloss man sich schließlich, den Restsee komplett abzupumpen. Ein Großteil des trockengefallenen Seebodens wurde zu Ackerland, die für das Binnenland äußerst seltenen, vom Salzeinfluss geprägten Lebensräume mit ihrer angepassten Tier- und Pflanzenwelt verschwanden fast vollständig.

Den Bergbau überlebt

Als Ende der 1960er Jahre der unrentabel gewordene Bergbau eingestellt wurde, spross am Salzigen See neues Leben. Die Pumpen standen weitgehend still und langsam stieg das Wasser wieder an. Der alte See wird im vollen Umfang wohl nie wieder entstehen, entsprechende Pläne wurden aufgegeben.

Zehn Jahre Naturerbe-Stiftung
Am 9. April jährte sich die Gründung der NABU-Stiftung Nationales Naturerbe als rechtlich selbständige Stiftung zum zehnten Mal. Ihre Aufgabe ist vorrangig der Erwerb von Naturschutzflächen, um diese dauerhaft für bedrohte Tiere und Pflanzen zu bewahren und zu entwickeln. Inzwischen hat die NABU-Stiftung bereits 12.100 Hektar Land für die Natur erworben, eine Fläche so groß wie die Müritz in Mecklenburg-Vorpommern oder die Inseln Sylt und Amrum zusammen.
"Zehn Jahre sind für eine Stiftung ein kleiner Schritt, für die Natur konnten wir aber bereits einen riesengroßen machen", findet der Stiftungsvorsitzende Christian Unselt. Der Besitz der NABU-Stiftung verteilt sich auf rund 200 Schutzgebiete in ganz Deutschland. Zwei Drittel ihrer Flächen entlässt die Stiftung langfristig aus der Nutzung, so dass sich naturnahe Wälder, kleinere Seen, Schilfröhrichte und Moore frei entwickeln können. Ihre Landwirtschaftsflächen lässt die NABU-Stiftung nach Naturschutz-Vorgaben durch ortsansässige Betriebe bewirtschaften.
Getragen wird der Flächenbesitz unter anderem durch das Stiftungskapital, das dank Zustiftungen naturverbundener Menschen auf mittlerweile 3,9 Millionen Euro gewachsen ist. Für ihre Naturschutzarbeit erhielt die NABU-Stiftung seit ihrer Gründung zudem rund 5,1 Millionen Euro Spendengelder.

Heute präsentiert sich am Salzigen See ein vielfältiges Lebensraum-Mosaik. "Der kleinräumige Wechsel aus Feuchtlebensräumen wie Salzwiesen, Röhrichten, Seggenrieden und Flachwasserseen einerseits und Trockenlebensräumen wie Magerrasen, Gebüschen, Weinbergen und Streuobstwiesen andererseits verursacht eine enorme Artenvielfalt auf engstem Raum", erläutert Gebietskenner Martin Schulze. Spezialisierte Salzpflanzen wie Queller, Strand-Milchkraut und Meerstrand-Dreizack kommen ebenso vor wie Frühlings-Adonisröschen, Tragant und Küchenschelle.

Rohrdommel und Wendehals

Als hervorragendes Beobachtungsgebiet ist der Salzige See unter Vogelkundlern deutschlandweit bekannt. Über 120 Arten brüten hier, dazu kommen Herbst- und Wintergäste wie Kiebitz und Flussregenpfeifer, aber auch Bekassine, Rotschenkel und Alpenstrandläufer, nordische Gänse, Enten und Säger. "Es gibt wohl nur wenige Plätze in Deutschland, an denen man auf einem Streifzug so verschiedene Arten wie Wendehals und Rohrweihe, Blau- und Schwarzkehlchen oder Sperbergrasmücke und Bartmeise innerhalb kürzester Zeit beobachten kann", schwärmt Schulze. "Und wenn abends Bienenfresser, Rohrdommeln und Wechselkröten zusammen ein Konzert geben, fühle ich mich hier mitten in Deutschland wie in die ungarische Puzsta versetzt."

Kein Wunder also, dass das Gebiet unbedingt bewahrt werden soll. "Seit Jahren führen wir Verhandlungen zum Salzigen See", erläutert Christian Unselt, Vorsitzender der NABU-Stiftung Nationales Naturerbe. "Wir waren daher begeistert, als uns nun im Februar der Bund 470 Hektar zur Übernahme anbot. Hiervon können wir 419 Hektar See, Schilffläche, Brache und Feuchtwiese als Nationales Naturerbe ohne Zahlung eines Kaufpreises erhalten."

Schädliche Einflüsse abhalten

Weitere 51,6 Hektar Ackerland, ebenfalls im Angebot, müssen allerdings ganz normal bezahlt werden. Die Äcker grenzen direkt an die empfindlichen Feuchtlebensräume und gehören zum historischen Seeboden. Erst sie machen aus dem Gebiet eine im wahrsten Sinne runde Sache. "Wir wollen Seen und Röhricht dauerhaft mit extensiv genutztem Feuchtgrünland umgeben und dafür einen Teil der Äcker umwandeln", so Unselt. "An den Seen und im Schilf soll völlige Ruhe einkehren. Wenn es uns gelingt, alles gemeinsam mit einem anerkannten Bio-Betrieb zu bewirtschaften, könnten höher gelegene Flächen weiterhin beackert und ein Refugium für Feldlerchen und Ackerwildkräuter werden."

Wegen der guten Böden beträgt der Kaufpreis für das Ackerland stolze 18.000 Euro je Hektar. Angesichts des enormen Flächenbedarfs für Energiepflanzen ist die Nachfrage nach Ackerland groß. "Bei einem Verkauf an Dritte könnte direkt neben den Seen und Röhrichten intensiver Ackerbau betrieben werden, sorgt sich Christian Unselt.

http://www.nabu.de/nabu/nh/2012/2/14889.html

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 2/12, S. 20-21
(Text in der Internet-Fassung)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juli 2012