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WALD/611: Internationale Waldpolitik - Bis zum Klimagipfel bleibt viel zu tun (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt und Entwicklung - Rundbrief 1/2009
Schwerpunkt

Internationale Waldpolitik mit Hoffnungsschimmer
Bis zum Klimagipfel in Kopenhagen bleibt viel zu tun

Von Martin Kaiser


Schaffen es die Staaten nicht, die globale Erwärmung auf weit unter 2 Grad Celsius in diesem Jahrhundert zu begrenzen, sind die Folgen für Mensch und Natur immens und katastrophal. Der Weltklimarat IPCC geht davon aus, dass bei einer Erwärmung von 2-3 Grad Celsius der Amazonas-Regenwald in Steppe umgewandelt wird mit erheblichen zusätzlichen CO2-Emissionen. Erst seit 2006 haben die Staats- und Regierungschefs verstanden, dass der globale Urwaldverlust massiv zu den beiden großen, globalen Umweltproblemen erheblich beiträgt: Dem Verlust der Biodiversität sowie dem Klimawandel. Allein die Entwaldung verursacht mehr CO2-Emissionen als der weltweite Verkehr. Ende 2007 wurde dann in Bali beschlossen, dass für den Schutz der letzten Urwälder im Rahmen der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) und der Post-Kyoto-Verhandlungen (REDD) ein Finanzierungsmechanismus etabliert werden muss, der die Entwicklungsländer im langfristigen Urwaldschutz unterstützt. Eine Entscheidung hierüber soll und muss im Dezember 2009 beim Klimagipfel in Kopenhagen getroffen werden.

Die Urwälder der Erde sind Lebensraum von etwa zwei Dritteln der an Land lebenden Pflanzen und Tiere. Sie bieten traditionell lebenden Völkern eine Heimat und sind deren kulturelle Wurzeln. Die meisten Urwälder werden durch industriellen Holzeinschlag und die Umwandlung in landwirtschaftliche Flächen zerstört. Der reale Waldverlust und die Degradierung der Wälder muss bis 2020 gestoppt werden. Alle 2 Sekunden verschwindet ein Stück Urwald, so groß wie ein Fußballfeld. Von den ursprünglichen Urwäldern der Erde sind nur noch rund ein Fünftel erhalten. In den letzten großen, zusammenhängenden Urwaldgebieten muss ein Netzwerk von Schutzgebieten ausgewiesen werden, um die rapide Vernichtung dieser einzigartigen Zentren der Biodiversität zu stoppen. Gegenwärtig sind allerdings nur 12% aller terrestrischen Ökosysteme, einschließlich der Urwälder, auf dem Papier zum Schutz ausgewiesen. Jede Nutzung von Wäldern muss im Einklang mit ökologisch verantwortungsvollen und sozial gerechten Kriterien erfolgen. Die Urwälder sind ein riesiger Speicher von Kohlenstoff. Fast die Hälfte des an Land gebundenen Kohlenstoffs ist in den Wäldern der Erde gespeichert. Dabei binden sowohl Pflanzen als auch der Boden den Kohlenstoff. Werden die Wälder durch Holzeinschlag oder Brandrodung zerstört, werden Millionen Tonnen des klimaschädlichen CO2 freigesetzt. Ein Fünftel aller freigesetzten Treibhausgase entsteht durch die Zerstörung der letzten Urwälder. Urwaldländer wie Indonesien und Brasilien gehören dadurch zu den weltweit größten CO2- Emittenten.


Die internationalen Waldverhandlungen: bisher ein zahnloser Tiger

Auf dem Weltgipfel zu Umwelt und Entwicklung 1992 im brasilianischen Rio de Janeiro trafen sich erstmals die Regierungen der Erde, um über globale Umweltkrisen zu beraten. Als Auslöser galten die drohende Klimaveränderung und der dramatische Verlust an Urwäldern auf der Erde. Abschließend wurde neben der Klimakonvention, die sich zunächst auf die Reduktion der Treibhausgase aus dem fossilen Bereich konzentrierte, unter anderem die CBD als völkerrechtlich verbindliches Instrument unterzeichnet. Ziel der CBD ist "die Erhaltung der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile" (Art. 1). Die Schwächen der CBD liegen in der nationalen Souveränität bei der Umsetzung, in viel zu geringen offiziellen Anreizen, sowie in den fehlenden Sanktionsmechanismen. Die UN hat darauf aufbauend auf dem Weltgipfel von Johannesburg 2002 beschlossen, das weltweite Artensterben bis zum Jahr 2010 deutlich zu reduzieren. 188 Staaten und die Europäische Gemeinschaft sind Vertragsparteien der CBD. Die USA haben die Konvention unterzeichnet, aber bis heute nicht ratifiziert.

Nach der rechtlich unverbindlichen Walderklärung von Rio 92 hat sich bezüglich der Wälder ein zäher Konferenzmarathon bis heute ergebnislos gestaltet. Den großen Waldnationen - Kanada, USA, Brasilien, Malaysia, Indonesien, Finnland und Russland - und der dahinter stehenden, einreichen Holz- und Papierindustrie gelang es, völkerrechtlich verbindliche Beschlüsse zum Schutz von Wäldern zu verhindern und somit bestehende Konventionen, wie die Konvention zur Biologischen Vielfalt (CBD), zu marginalisieren.

Von 1995-1997 traf sich der Intergovernmental Panel on Forests (IPF) und scheiterte 1997 bei der Rio plus 5 Konferenz mit einer rechtlich verbindlichen Waldkonvention. Mit dem Intergovernmental Forum on Forests (IFF) wurde ein erneuter Versuch von 1997-2000 gestartet. Ergebnis war das 2000 gegründete unverbindliche Politikforum, UN Forum on Forests.

Obwohl die CBD von Ländern wie Kanada, USA, Finnland, Deutschland und Malaysia, jahrelang bezüglich Wäldern blockiert wurde, konnte 2002 ein Waldarbeitsprogramm verabschiedet werden. Mit dem 2010-Ziel sowie dem Arbeitsprogramm zu Schutzgebieten (2004) sind weitere Meilensteine für den Erhalt der Biodiversität, also auch der Urwäldern, beschlossen worden. Bis 2010 soll es ein globales Netz von Schutzgebieten geben, das zum Biodiversitätserhalt stark beiträgt. Allerdings fehlt hierfür eine ausreichende Finanzierung.


Kyoto-Protokoll: Schlupflöcher durch 'Wälderprojekte'

Die Wirkung von Waldprojekten als langfristige Senken ist hoch umstritten. Die Einbeziehung solcher Waldprojekte in den Clean Development Mechanism (CDM) war jedoch ein großer Fehler des Kyoto-Protokolls. Hat Kyoto das Ziel, die Emission von fossilen Brennstoffen zu reduzieren, bringt eine Anerkennung von Projekten mit biologischem Kohlenstoff im CDM eine gegenteilige Wirkung. Zudem werden über den CDM umwelt- und sozial schädliche Projekte nicht ausgeschlossen; es fehlt die Kohärenz und Verbindung zur CBD. Die fehlenden Verbote von genmanipulierten Organismen und invasiven Arten in CDM-Projekten sind völlig inakzeptabel. Die Beteiligung der Stakeholder vor Ort ist nur schwach vorgeschrieben. Für große Projekte ist ein Zugewinn der lokalen Bevölkerung nicht vorgeschrieben. Waldbezogene Projekte sollten deshalb im CDM von den Einzelstaaten nicht akzeptiert werden.

Was jedoch weder in der Klimarahmenkonvention noch im Kyoto-Protokoll ausreichend adressiert wurde, ist die Rolle der Wälder, und dabei speziell der borealen, temperierten als auch der tropischen Urwälder, als großer natürlicher Speicher von Kohlenstoff und anderen klimawirksamen Gasen. Ohne einen Anreizmechanismus zum großflächigen Erhalt der Urwälder, werden andere Landnutzungsformen ökonomisch attraktiver bleiben und so zur Entwaldung führen. Die Klimaerwärmung würde durch die Konversion dieser riesigen Speicher langfristig zusätzlich angeheizt.


Greenpeace Vorschlag für einen wichtigen Baustein: die Finanzierung

Greenpeace hat bei der UN-Klimakonferenz auf Bali im Dezember 2007 einen Mechanismus zur Reduktion der Emissionen aus Tropenwaldabholzung vorgestellt. Der vorgeschlagene Mechanismus sieht eine Verpflichtung der Industrieländer zum Kauf von CO2-Verschmutzungs-Zertifikaten vor, deren Preis an den Marktpreis für Kohlendioxid gekoppelt ist.

Wald-Entwicklungsländer mit verschiedenen offiziellen Möglichkeiten und Entwaldungsraten können in diesem Mechanismus adäquat berücksichtigt werden, wenn sie sich national zur Minderung der Endwaldung und Walddegradierung verpflichten. So könnte eine bedeutende und dauerhafte Finanzierungsquelle geschaffen werden. Durch die rechtlich verbindliche Definition von 'Plantagen' als 'Nicht-Waldflächen' könnten diese aus der Bilanzierung ausgeschlossen werden. Der Greenpeace-Vorschlag würde große Vorteile für Klima, Artenvielfalt, lokale Gemeinden und indigene Völker - letztere durch Mitbestimmung in den globalen und nationalen Fonds - schaffen. Durch Verbindung mit dem angestrebten globalen Netzwerk von Schutzgebieten bis 2010 unter starker Einbeziehung der indigenen Völker und der lokalen Bevölkerung könnte die vermiedene Entwaldung dauerhaft vor Ort rechtlich verankert werden. Um die geschätzten 30 Milliarden Euro pro Jahr zu bekommen, die notwendig sind, um die Real-Entwaldung bis 2020 zu stoppen, schlägt Greenpeace vor, dass der Erlös aus dem Kauf der CO2-Verschmutzungs-Zertifikate in einen globalen Waldfond gehen sollte. Unbedingt muss verhindert werden, dass die Wälder der Tropen in den CO2-Zertifikatehandel gegeben werden. Damit würde der Preis im Kohlenstoffmarkt zerstört und riesige Schlupflöcher für die Industrien der reichen Länder im Kyoto-Regime geschaffen. Die Emissionseinsparungen in Urwäldern dürfen den reichen Staaten keine Entschuldigung bieten, Treibhausgase zum Beispiel im eigenen Energiesektor nicht zu reduzieren. Es liegt nun an Bundeskanzlerin Merkel sich auf internationaler Ebene für einen internationalen Wald-Finanzierungsmechanismus stark zu machen, der die 30 Milliarden realisieren hilf. Ihre im Mai 2008 angekündigten 500 Millionen Euro bis 2012 und jährlich ab 2010 für Urwald- und Klimaschutz könnten ihr dabei helfen.


Konsum der Reichen auf Kosten der Urwälder: Was sonst noch zu regeln ist

Der Grund für das rasante Abholzen der Urwälder ist der weltweit wachsende Konsum und die Nachfrage nach Ressourcen. Oftmals wissen wir nicht, was das Steak, die Körpercreme, das Toilettenpapier, die Margarine oder die Tankfüllung mit dem Urwald zu tun hat. So werden z.B. in Indonesien Urwälder abgebrannt, um Platz für Palmölplantagen zu schaffen. Deutschland importiert gut 1 Mio. Tonnen Palmöl im Jahr, was für Lebensmittel, Kosmetik, zur Stromerzeugung und zukünftig vermehrt auch als Beimischung für Sprit verwendet wird. In Argentinien und Brasilien werden Wälder vernichtet, um Rinder zu halten und um Tierfutter wie Soja für Rinder, Schweine und Hühner in Europa anzubauen. Die nordischen Wälder in Europa und Kanada werden zu Taschentüchern, Zeitungspapier und Toilettenpapier verarbeitet. Edelhölzer aus Südostasien und Afrika landen aufgrund ihrer Härte und Witterungsbeständigkeit in Fenstern, Gartenstühlen und Terrassenböden. Ohne eine verbindliche Regelung von sozial-ökologische Import-Standards sowie eines nachhaltigen Konsummusters in den Industrieländern, kann ein Finanzierungsmechanismus alleine den Waldverlust nicht bis 2020 stoppen. Hier müssen sowohl im Rahmen der CBD, dem Welthandelssystem als auch auf nationaler Ebene verbindliche Regelungen getroffen werden.

Der Autor ist Koordinator der Klimapolitik für Greenpeace International.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2009