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WALD/676: Faszination Moose (Unser Wald)


Unser Wald - 2. Ausgabe, März/April 2013
Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald

Faszination Moose

Von Oliver Röller



Wenn man mit offenen Augen durch den Wald geht, bleibt gerade in der vegetationslosen Zeit - oft der Blick auf den verschiedenen Moosen hängen. Über 16.000 Moosarten gibt es weltweit. Vor langer Zeit haben sie sich aus den Grünalgen der Gezeitenzone der Meere entwickelt. Im Folgenden stellt Ihnen der "Moos-Experte" Oliver Röller einige interessante Moosarten vor und weist auf das Artenfinderprojekt in Rheinland-Pfalz hin.

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Wer sich die Zeit nimmt, Moose etwas genauer zu betrachten, zum Beispiel ein stattliches Frauenhaarmoos, entdeckt sowohl die Ästhetik dieser Pflanzen als auch viele spannende Details. Ihre Ästhetik inspiriert Künstler, sich mit Moosen zu beschäftigen. Nicht nur in Gedichten, sondern auch in Novellen, wie z.B. "Moos" von Klaus Modick. Empfehlenswert! Einst lag Annette von Droste Hülshoff im Wald "Im Moose", wie ihr gleichnamiges Gedicht verrät.

Ihr Haupt auf Moos gebettet hatten früher allerdings weit mehr noch die armen Menschen. Während die Kopfkissen des Adels mit Daunen gefüllt wurden, stopfte das gemeine Volk sie mit getrocknetem Moos. Daher hat das Zypressen-Schlafmoos, eines unserer häufigsten Waldbodenmoose, auch seinen Namen. Apropos Namen: Die meisten heimische Moose haben keine gebräuchlichen deutschen Namen. Eine Ausnahme ist das Wellenblättrige Katharinenmoos. Es wurde von dem Apotheker und Botaniker Jakob Friedrich Ehrhart 1780 nach der russischen Zarin Katharina der Großen benannt, da ihn die gewellten Moosblättchen an die Haarpracht der Zarin erinnerten. Ob er damit ihre Gunst gewinnen konnte, ist nicht bekannt.


Aber was sind eigentlich Moose?
Moose sind vergleichsweise kleine Pflanzen, die im Gegensatz zu den Blütenpflanzen zur Vermehrung keine Samen und Früchte, sondern Sporen bilden. Dies verbindet sie mit den Farnpflanzen, die sich ebenfalls über Sporen vermehren. Während Blütenpflanzen in der Regel Wurzel, Stamm und Blätter besitzen, fehlen den Moosen echte Wurzeln. Bei genauer Betrachtung findet man viele weitere Merkmale, die Moospflanzen von Farn- und BIütenpflanzen unterscheiden. Dementsprechend können wir festhalten, dass Moose über einen langen Zeitraum eine eigenständige Entwicklung durchlaufen haben, getrennt von den anderen, höheren Pflanzen. Sie sind also keineswegs direkte Vorfahren unserer heutigen Blütenpflanzen, wie manch einer vielleicht vermuten möchte.

Das Frauenhaarmoos zeichnet sich u.a. durch einen aufrecht wachsenden, meist unverzweigten Stängel und spiralig daran ansitzende, schmal-lanzettliche Blätter aus. Im Winterhalbjahr finden wir an einzelnen Pflanzen an der Spitze austretende, lange, dünne Stängel, auf denen Sporenkapseln sitzen. Diese werden bis zur Sporenreife von Hauben mit goldgelben Haaren bedeckt, die dem Moos seinen Namen verleihen.

Neben unverzweigten Laubmoosen wie dem Frauenhaarmoos, gibt es auch reich verzweigte Laubmoose. Das Rotstängelmoos, das auf mageren sauren Waldböden zwischen Kiefern wächst, ist unter Förstern bekannt - zeigt es doch magere, saure und aus forstwirtschaftlicher Sicht schlechte Bodenverhältnisse an.

Zu den rund 800 verschiedenen Laubmoos-Arten in Deutschland gesellen sich noch rund 300 Lebermoos-Arten. Diese bilden eine eigene Verwandtschaftsgruppe; viele besitzen weder Stängel noch Blätter, sondern lediglich einen mehr oder weniger wulstigen leberförmigen Pflanzenkörper. Ein bekannter Vertreter ist das Brunnenlebermoos.

Eine Kuriosität ist das Grüne Koboldmoos, das, obgleich es zu den Laubmoosen zählt, keine Blätter besitzt. Es besteht nur aus der Sporenkapsel und einem Stängel (Seta), der die Kapsel trägt und emporhebt. Die kräftige Kapsel kann bis zu 5 mm lang werden, ist dunkelgrün gefärbt und übernimmt die Fotosynthese, die bei anderen Arten in den Blättern stattfindet. In Deutschland gibt es zwei Koboldmoos-Arten, wovon das Grüne Koboldmoos besonders selten und europaweit streng geschützt ist. Die Art siedelt auf verrottetem Totholz in montanen Regionen. Etliche Vorkommen sind aus dem Südschwarzwald bekannt.

Auch die Torfmoose, die zu den Laubmoosen zählen, besitzen eine einzigartige Wuchsform. Obgleich die rund 40 europäischen Arten teilweise sehr schwer zu unterscheiden sind, kann auch ein Laie ohne viel Aufwand lernen, wie man Torfmoose von anderen Moosen unterscheidet: Die einzelne Torfmoos-Pflanze besitzt ein unverzweigtes Stämmchen, das mit seitlichen Ästen besetzt ist und an der Spitze eine "Endknospe" bildet. Die Seitenzweige werden in Büscheln an jedem vierten Stammblatt gebildet; zwei bis sieben Seitenzweige, einige abstehend, einige hängend, bilden ein Büschel. Die meisten Torfmoose leben in nassen, nährstoffarmen, sauren Habitaten. Die Pflanzen sterben an der Basis ab und wachsen an der Spitze weiter. Besonders im Sommer und im Herbst zeichnen sich einige Arten durch charakteristische Braun- und Rottöne aus.

Herausragend ist die ökologische Bedeutung der Torfmoose in nährstoffarmen Mooren. Sie bilden hier nicht nur mehrere Quadratmeter große Polster aus, sondern können sogar ganze Moorlandschaften formen - sofern man ihnen genügend Zeit lässt. Dabei hilft ihnen ihre Eigenschaft, sich selbst zu überwachsen: Sie wachsen auf ihren eigenen abgestorbenen Teilen ständig weiter. Über Jahrtausende können dadurch Hochmoore mit mehreren Metern mächtigen Torfauflagen entstehen.


Torfmoosfunde melden
Die Kartierung von Moosen muss weitgehend Experten überlassen werden. Mit Ausnahme der Torfmoose, die, wie beschrieben, auch von Laien gut zu erkennen sind. In Rheinland-Pfalz können deshalb Waldbesucher wertvolle Hinweise zu interessanten Moosstandorten liefern, indem sie Torfmoosvorkommen an Wegrändern und in Gräben melden. Torfmoos-Funde sollten nach Möglichkeit flächenscharf und mit einem Foto des Wuchsplatz gemeldet werden, damit sich die Experten ein Bild der Lage machen und entscheiden können, ob sich ein Aufsuchen des Wuchsortes und eine Probenahme lohnt. Das Sammeln der unter Naturschutz stehenden Torfmoose bedarf einer Genehmigung durch die Obere Naturschutzbehörde. Die sichere Bestimmung der Art erfolgt über die mikroskopische Untersuchung.

Erleichert wird das Melden von geschützten Arten durch das Internet-Meldeprojekt Artenfinder (www.artenfinder.rlp.de), mit dem Tiere und Pflanzen deutschlandweit punktgenau erfasst und mit Fotodokument gemeldet werden können. Das Artenfinder-Projekt wird im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie durch die Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz gefördert. In Rheinland-Pfalz werden eingehende Daten auf ihre Richtigkeit geprüft und an die Landesdatenbank übertragen. Damit wird gewährleistet, dass die Meldungen auch im behördlichen Naturschutz berücksichtigt werden. Ein Projekt, das möglicherweise auch in anderen Bundesländern Schule macht!


Autor Dr. Oliver Röller ist Geschäftsführer der POLLICHIA, Verein für Naturforschung und Landespflege und Leiter des Artenfinder-Projektes in Rheinland-Pfalz.
E-Mail: roeller@pollichia.de, www.artenfinder.rlp.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Das Zypressen-Schlafmoos ist typisch für bodensaure Wälder.
- Waldwegböschung mit Gewöhnlichem Frauenhaarmoos und dazwischen verschiedenen Lebermoosen
- Das fünfzeilige Torfmoos
- Das Brunnenlebermoos ist eins der größten heimischen Lebermoose.
- Das Grüne Kolboldmoos wächst auf stark zersetztem Totholz in Bergwäldern.

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Quelle:
Unser Wald - Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald
2. Ausgabe, März/April 2013, S. 18 - 19
Herausgeber:
Bundesverband der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald e.V., Bonn
Redaktion: Meckenheimer Allee 79, 53115 Bonn
Telefon: 0228 / 945 98 30, Fax: 0228 / 945 98 33
E-Mail: unser-wald@sdw.de
Internet: http://www.sdw.de
 
Erscheinungsweise: zweimonatlich
Bezugspreis: Jahresabonnement 17,50 Euro
einschl. Versandkosten und 7% MwSt.
Einzelheft: Preis 3,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. August 2013