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WALD/691: Vermittler des Waldes - Die vernachlässigte Welt der Pilze (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2014
REGulIEREN - ABER WIE?
Vom Sinn und Unsinn der (De-)Regulierung

Vermittler des Waldes
Die vernachlässigte Welt der Pilze

von László Maráz



Pilze zählen zu den artenreichsten Gruppen von Organismen. Alleine in Deutschland sollen zwischen 10.000 und 12.000 Arten vorkommen. Ihre Bedeutung für das Funktionieren ganzer Ökosysteme wird aber in der Regel übersehen. Wer sich Einblick in die faszinierende Welt der Pilze verschaffen will, dem seien zwei Bücher empfohlen. Das Buch "Fadenwesen - Fabelhafte Pilzwelt" von Heinrich Holzer, das mit faszinierenden Fotos und Geschichten einen wunderbaren Einstieg in das Thema bietet. Und der "BLV Pilzführer" von Erich Gerhardt.


Pilze sind ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Umwelt und der biologischen Vielfalt unserer Waldökosysteme. Die Bedeutung vieler Großpilze im Wald liegt ja nicht darin, dass wir im Herbst leckere Pilze sammeln können. Sie sind vielmehr wichtiges Bindeglied zwischen Bäumen und dem Boden. Zahllose Pilze bilden mit ihren Fäden ein Geflecht um die Feinwurzeln von Bäumen, Sträuchern, Gräsern, Kräutern und Blumen, mit denen sie in einer Symbiose leben. Diese Mykorrhizapilze liefern der Pflanze Nährsalze und Wasser und erhalten von ihr einen Teil der durch die Photosynthese der (grünen) Pflanzen erzeugten Assimilate. Denn im Gegensatz zu anderen Bodenpilzen fehlen vielen von ihnen Enzyme, mit denen sie komplexe Kohlenhydrate abbauen könnten. Der Anteil der Primärproduktion, der an den Pilz weitergegeben wird, kann bis zu einem Viertel betragen! Die Mykorrhizapilze können dank ihrer feinen Pilzfäden im Vergleich zur Pflanze viel besser Mineralstoffe und Wasser aus dem Boden lösen. Damit wird die Wasser-, Stickstoff- und Phosphat-Versorgung der besiedelten Pflanzen verbessert.

Strategische Überlebenskünstler und ihre Bedeutung für die Humanmedizin

Im Buch von Heinrich Holzer werden Pilze noch in zwei weitere Gruppen eingeteilt: neben den Symbionten gibt es Parasiten und Zersetzer (Destruenten). Die Parasiten ernähren sich von lebenden Pflanzen, anderen Pilzen oder von Tieren, die sie schädigen oder töten. Illustriert wird das mit dem faszinierenden Beispiel der Puppenkernkeule (Cordyceps militaris). Wird eine ihrer Pilzsporen von einer Raupe aufgenommen, sendet die Spore einen Botenstoff an das Immunsystem der Raupe, der ihr signalisiert, dass keine Gefahr besteht. Erst wenn die Raupe sich verpuppt und zum Schmetterling verwandeln will, frisst sich der Pilz durch die Puppe. Anschließend durchbrechen seine Fruchtkörper die Hüllreste der Raupe, um seine Millionen von Sporen zu verbreiten.

Für die Medizin ist der Pilzfund ein Segen: Der Botenstoff wird heute unter dem Namen Cyclosporin dazu verwendet, bei Menschen, die ein fremdes Organ eingepflanzt bekommen, das Immunsystem zu unterdrücken. Cyclosporin ist nämlich ein Immunsuppressivum, das bei Organtransplantationen und bei Autoimmunkrankheiten eingesetzt wird, damit das fremde Organ nicht abgestoßen wird.

Wichtige Nährstofflieferanten

Als Destruenten vollziehen Pilze den Abbau von Totholz, Streu und anderem organischem Material und führen es wieder in den Nährstoffkreislauf zurück. So kann der Holzstoff Lignin nur durch Pilze natürlich abgebaut werden. Von den Zersetzungsprodukten und den Pilzen lebt wiederum eine Vielzahl anderer Organismen.

Solche Zusammenhänge und die wichtige Bedeutung der Pilzwelt für Waldökosysteme werden in forstpolitischen Debatten leider sehr vernachlässigt. Dabei wäre es wichtig, vor vielen Entscheidungen zur Art und Weise der Waldbewirtschaftung diese Zusammenhänge zu beachten. Welche Auswirkungen haben Luftschadstoffe, Pestizide, die "Bodenschutzkalkung" oder das Befahren der Waldböden mit schweren Maschinen auf die Pilzwelt und wie wichtig ist das Belassen ausreichender Mengen an Holz für deren Gedeihen?

Unterschätzte Vielfalt

Das Reich der Pilze wird rund zehn Mal größer geschätzt als das der Pflanzen. Immer wieder werden neue Arten entdeckt und neue Erkenntnisse gewonnen, zum Beispiel über das Klima, die Bodenbeschaffenheit oder über die Wald- und Pflanzengesellschaften. Heinrich Holzer hat den Bildband nicht für Spezialisten geschrieben, sondern er richtet sich mit seinen faszinierenden Bildern und den gut verständlichen Texten an ein breites Publikum. Das zweite Buch sei hier nur zur Ergänzung für diejenigen erwähnt, die Pilze nicht nur bestaunen, sondern näher kennenlernen wollen. Mit über 1.000 Farbfotos werden mehr als 1.200 heimische Pilzarten vorgestellt. Eine schier unübersehbare Vielfalt tut sich auch hier auf.


Autor László Maráz ist Koordinator der Dialogplattform Wald beim Forum Umwelt und Entwicklung.



Fadenwesen: Fabelhafte Pilzwelt
von Heinrich Holzer.
150 Seiten, Edition Lichtland.
ISBN 3942509113.
29,90 Euro.

Der große BLV Pilzführer für unterwegs,
von Ewald Gerhardt.
1200 Arten, 720 Seiten, 1026 Farbfotos,
160 Zeichnungen, 10,2 x 19,5 cm,
Flexcover/Integralband,
ISBN: 978-3-8354-1124-1.
19,90 Euro.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2014, Seite 38
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. November 2014