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WILDNIS/014: Film auf DVD. Andreas Kieling - "Expeditionen zu den Letzten ihrer Art" (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 157 - August/September 2010
Die Berliner Umweltzeitung

Atemlose Abenteuer
Neu auf DVD: Andreas Kieling auf "Expeditionen zu den Letzten ihrer Art", Teil 1

Von Angelika Nguyen


Andreas Kieling, der Akteur dieser zweiteiligen Filmreise, ist ein echter Abenteurer. Atemlos, oft im Laufen, Klettern, Rudern spricht Kieling mit der Kamera, also mit den Zuschauern und erklärt Notwendiges zum Verständnis seiner Aktionen. Dabei ist Furchtlosigkeit die hervorstechende Eigenschaft des eher schmächtigen jungenhaften Mannes. So provoziert Kieling im Regenwald Australiens die Begegnung mit einem Urvieh, dem Salzwasserkrokodil, einem Überlebenden der Dinosaurierausrottung oder er läuft fast nackt umher, wo gefährliche Spinnenarten hausen, fünf der giftigsten Sorte.

Auch vor einem Tauchgang mit einem ausgewachsenen Krokodilmännchen scheut sich Kieling nicht und er begibt sich unter Wasser zu dem Riesenreptil, "in der Hoffnung, dass es satt ist". Andererseits erklärt Kieling, das Krokodile immer eine gewisse Zeit brauchen, um ein neues Beuteschema auszumachen. Er als Mensch, meint Kieling, wäre für das Krokodil etwas völlig Neues. Bis es überlegt, wie Kieling vielleicht schmeckt, gelte es, die Zeit für die Filmerei zu nutzen. Diese humorvolle, lockere Art, mit der Kieling auch die Gefahren seiner Erkundungen beschreibt, macht den Film unterhaltsam.

Das Dabeisein mit der bewegten Handkamera betont das Unsichere und Gefährliche von Kielings Aktionen und macht eine gewisse Spannung aus.

Krasse Klimawechsel erfolgen per Filmschnitt. So folgt im Film auf Australien Kirgisien, wo Kieling nach dem größten Schaf der Welt fahndet, dem Marco-Polo-Argali. Gefrorene Zahnpasta und Haarewaschen im Eisloch sind Alltag. Aber Kielings Kommentar erwähnt auch Angst, die er zum Beispiel vor der reißenden Strömung hat, als er zu Pferd einen Fluss im Tienschangebirge überqueren muss. In einer Jurte wird ausgeruht und gekocht, Kielings Kommentar: "Das erste gehaltvolle Essen seit drei Wochen."

Der Aufstieg ist anstrengend, dünne Luft und das Gewicht der Kameraausrüstung machen Kieling zu schaffen, aber, so meint er, "es muss ja einen Grund geben, weshalb die Argalis noch nie gefilmt worden sind." Als er sie dann endlich vor die Kamera bekommt, würdigt der Film das mit pathetischer Musik in der Art von Hollywood-Komponist Hans Zimmer im "Gladiator". Dass Andreas Kieling tatsächlich allein ist bei den Argalis, obwohl er gefilmt wird, liegt daran, dass er sich hier mit einer fixierten Kamera selbst aufnimmt.

Auch eine Art Resignation gehört zu Kielings Expeditionen. Als der Abstand zwischen den gut trainierten Agalis und ihm immer größer wird, gibt er auf und münzt den Misserfolg geschickt in eine Respektbezeugung vor der Natur um: "Hier gehört der Mensch nicht hin." erklärt er, nach Höhenluft ringend.

Gelassen schauen die Argalis noch einmal in Kielings unscharf aufnehmende Kamera und drehen ihm dann ihre Hinterseite zu.

Danach geht es nach Rumänien, wo Andreas Kieling in den abgelegenen Bergregionen Transsilvaniens den in Europa fast ausgerotteten Braunbären sucht - und zunächst nur zutrauliche Wildschweine und nervöse Wölfe trifft. Nachrichten über häufige Abschüsse der Bären haben Andreas Kieling in die Gegend gelockt. Mit der Auslegung eines toten Rehbockes gelingt es schließlich, eine Braunbärenmutter mit zwei Jungen vor die Kamera zu bekommen.

Die Spur der Bären führt Andreas Kieling wieder in jene Stadt, aus der er in die Wildnis aufbrach. Unfreiwillig wurden die Bären zu urbanen Müllsammlern - immer, wenn sie zu wenig wilde Beute finden.

Letzte Station des ersten Teils ist Westindien. Zwischen Wüste und Meer befindet sich das letzte Rückzugsgebiet des Asiatischen Löwen. Dorthin begibt sich, optimistisch wie immer, Andreas Kieling mit Kamera und Stativ, um den Löwen zu filmen. Dazu gibt es Wissenswertes über das Tier, von dem nur noch 300 Exemplare in jenem kleinen indischen Wald leben. Hier gibt es genug Wild, das die Löwen jagen können, leider auch die großen Wasserbüffel, die ein wichtiges Nutztier für die indischen Bauern sind. Trotz starker Bewachung gelingt es den Löwen immer wieder, einen Wasserbüffel, viel größer als sie selbst, zu reißen.

Der Film "Expeditionen zu den Letzten ihrer Art" ist ein engagierter Beitrag zum globalen Naturschutz, indem er auf bedrohte Tierarten aufmerksam macht - und Bekanntschaft mit ihnen schließt. Andreas Kieling geht mit solidem Wissen auf seine Reisen und vermittelt alles sehr natürlich. Anders als beim Schauspieler Hannes Jaenicke wirkt hier nicht die Selbstinszenierung des harten Kerls, sondern der sympathisch unspektakuläre Charme eines Jungen von nebenan.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Andreas Kieling traut sich nah an einen Braunbären heran
andreas Kieling in Kirgistan mit dem Schädel eines Widders


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Quelle:
DER RABE RALF - 21. Jahrgang, Nr. 157, August/September 2010, S. 21
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de

Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: 10 Euro/halbes Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. September 2010