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LAIRE/138: Abbau von Ölsanden - Schwermetalle und PAKs in der Umwelt (SB)


Schwerwiegende Umweltschäden durch Abbau und chemische Behandlung von Ölsanden in Kanada


Solange Wachstum als Kennzeichen des Wohlstands angesehen und Produktivität an der Bewegung von Kapital bemessen wird, gehört die Verwertung menschlicher Arbeit und die Zerstörung der natürlichen Lebensvoraussetzungen zum Geschäft. In diesem negativen Sinne hat das fossile Energiezeitalter enorme Fortschritte gebracht: Die Erdatmosphäre wird als ungeregeltes Endlager für Verbrennungsgase benutzt, was den Treibhauseffekt verstärkt, die urbanen und industriellen Zentren werden in Feinstaubpartikeln erstickt und die Ozeane zum Versauern gebracht. In Kanada, so lesen wir, hat der Abbau von Ölsanden zu sehr viel umfangreicheren Schwermetallbelastungen der gesamten umliegenden Region geführt, als man bislang angenommen hat. Der Ökologe David Schindler von der Universität von Alberta in Edmonton und sein Team haben die Angaben der Regierung und der Teersandunternehmen zur toxischen Belastung des Athabasca Rivers in der Provinz Alberta überprüft und festgestellt, daß die Meßwerte häufig deutlich über den bisherigen Angaben lag und vor allem daß die Belastung nicht, wie behauptet, natürlichen Ursprungs ist, sondern von der Ölgewinnung stammt. [1]

Ein einfaches Indiz für diese These: Stromabwärts von den Rückhalte- und Absetzbecken und anderen Produktionseinrichtungen der Ölunternehmen liegen die Konzentrationen von PPEs (priority pollutants) deutlich höher als in anderen Regionen. Dreizehn verschiedene Elemente, die von der Umweltschutzbehörde als PPEs ausgewiesen wird, sind dort nachweisbar. Und in der Schneebedeckung wurden erhöhte Konzentrationen von Schwermetallen, darunter Cadmium und Kupfer, entdeckt, was auf einen Eintrag aus der Luft schließen läßt. Alles in allem übersteigen die Belastungen die Grenzwerte zum Schutz aquatischen Lebens in Kanada deutlich. Bei der Frühjahrsschmelze ist mit erhöhten Todesraten unter den Tieren zu rechnen. Darüber hinaus stießen die Ökologen stromabwärts der Ölsandabbaugebiete auf erhöhte Werte an Polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAKs). Diese wie auch die Schwermetalle sind gesundheitsgefährlich.

Der "Syncrude Mildred Lake" in der Nähe von Fort McMurray ist der größte Giftsee der Welt. In ihn und andere solcher Becken - Tailing Ponds - fließen täglich rund 250 Millionen Liter Giftmüll. In den Athabasca und ins Grundwasser gelangen nach Experteneinschätzung täglich rund zwölf Millionen Liter. [2]

Von dieser Umweltkatastrophe sind nicht allein die Bewohner der Region betroffen, obgleich die erhöhte Krebsrate unter kanadischen Ureinwohnern, die in der Nähe der Ölgewinnungsgebiete leben, ein Hinweis auf die vermehrte Umweltbelastung sein dürfte. Doch wenn man schon eine globalisierte Welt propagiert, dann sollte man so konsequent sein und auch die Folgeschäden einer Welt, in der Warenströme rund um den Globus ein so geringer Kostenfaktor sind, daß das Öl in Kanada abgebaut und hierzulande verbrannt wird und Krabben in der Nordsee gefangen, in Marokko gepult und in Deutschland verzehrt werden, beim Namen nennen: Globalisierung bedeutet offensichtlich, daß die Welt grundsätzlich lebensunwirtlicher wird.

Das gilt zumindest für die große Mehrheit der Menschen. Einige wenige Profiteure sichern sich die ökologisch interessantesten Gebiete, versehen sie mit dem Stempel des privaten Eigentums und haben jederzeit einen Rückzugsraum, den sie aufsuchen können, während sich um sie herum die Lebensvoraussetzungen verschlechtern. Nicht zuletzt darauf gründet sich ihre Reichtumsanhäufung. Da können die Milliardäre die Hälfte ihres Vermögens abgeben, es ist eben nur die Hälfte dessen, was die vorherrschende Gesellschaftsform ihnen zu akkumulieren gestattet hat. Ein Räuber wird nicht dadurch nett, weil er den Beraubten einen Teil der maximal möglichen Beutemenge übrigläßt. Maßnahmen wie die Milliardenspenden dienen der allgemeinen Befriedung und damit rückwirkend letztlich der Sicherung der eigene Privilegien.

Das gilt auch für den Erwerb von artenreichen oder in anderer Hinsicht ökologisch einzigartigen Hot spots, um sie vor dem allgemeinen Zugriff zu bewahren. Naturschutzgebiete sind positiv konnotiert. Sie sind aber fester Bestandteil des oben beschriebenen Systems der Entwertung von Regionen unter anderem durch die Ölgewinnung aus Sanden in Kanada und andere umweltzerstörenden Folgen der sozialhierarchischen Wachstums- und Konsumgesellschaft.


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Anmerkungen:

[1] "River metals linked to tar sand extraction. Researchers find that pollutants in Canada's Athabasca River are not from natural sources", Hannah Hoag, Nature online, 31. August 2010, doi:10.1038/news.2010.439
http://www.nature.com/news/2010/100831/full/news.2010.439.html

[2] "Ölsand", ZDF, 25. Februar 2009
http://abenteuerwissen.zdf.de/ZDFde/inhalt/27/0,1872,7527099,00.html

14. September 2010