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LAIRE/214: Keystone XL - Persilschein für Ölpipeline (SB)


Tanz auf zwei Hochzeiten

Beratungsfirma arbeitet für Pipeline-Unternehmen und erstellt für US-Außenministerium Umweltgutachten zur geplanten Pipeline



Anfang März hat das US-Außenministerium ein neues Gutachten zum Pipeline-Projekt Keystone XL vorgelegt. In diesem Supplemental Environmental Impact Statement (SEIS) kommen die Autoren zu dem Schluß, daß von der Pipeline "keine erheblichen Umweltschädigungen" und "keine substantielle Veränderung der globalen Treibhausgasemissionen" zu erwarten sind. [1]

Wie bitte? Diese mehr als 2500 Kilometer lange und 90 Zentimeter durchmessende Pipeline, in der täglich bis zu 830.000 Barrel Bitumen aus kanadischen Teersanden transportiert werden könnten, in denen mehr Kohlenstoff steckt, als in all dem Erdöl enthalten war, das jemals von Menschen verbrannt wurde, soll nicht umweltschädlich sein? Um diese absurd anmutende Einschätzung zumindest nachzuvollziehen, sollte man wissen, daß die Begutachtung der Umweltauswirkungen von Keystone XL größtenteils von der Beratungsfirma Cardno Entrix durchgeführt wurde. Dieser Umstand wurde von der internen Aufsicht des State Department, dem Office of Inspector General, kritisiert, denn ausgerechnet diese Firma unterhält auch weitreichende Verbindungen zum Unternehmen TransCanada, dem Hauptverantwortlichen für die Keystone XL-Pipeline. [2] Da liegt der Verdacht eines Interessenkonflikts nahe.

Außerdem besteht nach Ministeriumsangaben der Hauptzweck des Keystone-Projekts darin, die Infrastruktur bereitzustellen, um schweres Rohöl von Kanada zu bestimmten Verarbeitungsanlagen in den USA zu befördern. "Das vorgeschlagene Projekt soll den Marktbedarf von Raffinerien für schweres Rohöl bedienen", heißt es in der Stellungnahme des State Department. Mit solchen Erklärungen deuten die Autoren an, daß der Bedarf an schwerem Rohöl nicht gestillt werden kann, wenn Keystone XL nicht gebaut würde. Es würde dann lediglich auf anderen Wegen transportiert werden, zum Beispiel per Bahn oder Tankwagen. Diese Option wurde in der Stellungnahme unter dem Titel "The No Action Alternative" behandelt.

Der Auftrag des Weißen Hauses an das State Department mit der Bezeichnung Executive Order 13337 lautet, festzustellen, ob dieses grenzüberschreitende Pipelineprojekt "im nationalen Interesse" ist. Deshalb wird Keystone XL unter verschiedenen Aspekten begutachtet, da kommt den Umweltfragen nicht unbedingt die höchste Priorität zu. Obwohl im vorliegenden Gutachten geprüft wird, ob das Vorhaben mit dem National Environmental Policy Act (NEPA) vereinbar ist, dürften letztendlich Fragen der Wirtschaftlichkeit, der Versorgungssicherheit und geostrategische Interessen - Kanada gilt als verläßlicher Partner - im Vordergrund stehen.

Einen von zahlreichen Kritikpunkten an Keystone XL hat TransCanada in seinem modifizierten Antrag vom 4. Mai 2012 auf eine Presidential Permit (Präsidiale Genehmigung), die bei grenzüberschreitenden Projekten eingeholt werden muß, ausgeräumt: Bei der neuen Streckenführung wird die Sand Hills Region im Bundesstaat Nebraska, unter der der riesige Ogallala-Grundwasserspeicher verläuft, umgangen. Bei einem Unfall wäre die Gefahr einer Kontamination dieses überaus wertvollen Süßwasservorkommens unkontrollierbar gewesen, was in diesem Fall der auf künstliche Bewässerung angewiesenen Landwirtschaft im Mittleren Westen der USA - das größte Getreideanbaugebiet der Welt - einen schweren Schlag versetzen würde.

Ungeachtet der neuen Strecke, die etwa 35 Kilometer länger ist, liegen immer noch 2537 Trinkwasserbrunnen in einem Abstand von nur einer Meile (1,6 km) zum vorgesehenen Trassenverlauf. Unter diesen wiederum befinden sich 39 öffentliche und 20 private Brunnen keine 100 Fuß (30 Meter) entfernt. [3]

Es ist gut vorstellbar, daß Keystone XL der Umwelt rein rechnerisch nicht wesentlich mehr Schaden zufügen würde als der Rohöltransport per Bahn oder Lkw. Die Demonstrationen gegen das Projekt richten sich jedoch nicht allein gegen die Pipeline, sondern auch gegen den Abbau von Teersanden sowie die Verbrennung von aus Bitumen gewonnenem Treibstoff, ohne den die Pipeline gar nicht erst gebaut würde. Faßt man den Widerstand weiter, dann richtet er sich auch gegen einen Lebensstil, für den rücksichtslos sowohl gegenüber kommenden Generationen als auch ärmeren Ländern, die sich nicht oder kaum vor den Folgen der globalen Erwärmung schützen können, fossile "Energieträger" verbrannt werden.

Das Umweltgutachten des State Department ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine Administration die Bedenken breiter Bevölkerungsschichten ausmanövriert: Da wird ein Umweltgutachten erstellt, aber die Grundsatzfrage, wozu überhaupt Teersande abgebaut werden, bleibt außen vor, als sei sie niemals gestellt worden. Indem das State Department konstatiert, daß von Keystone XL keine substantiellen Veränderungen der Treibhausgasemissionen zu erwarten sind, zieht es einen Vergleich zu anderen umweltschädlichen Technologien, nicht aber dazu, den Teersand überhaupt nicht anzurühren, wie es auf vielen Plakaten der Demonstrierenden von Texas bis Alberta gefordert wird.


Fußnoten:

[1] http://keystonepipeline-xl.state.gov/documents/organization/205719.pdf

[2] http://ens-newswire.com/2012/02/10/oig-report-state-departments-keystone-xl-environmental-review-flawed/

[3] http://ens-newswire.com/2013/03/04/keystone-xl-pipeline-gets-upbeat-analysis-from-state-department/

5. März 2013