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LAIRE/229: Wohin führt die "Brückentechnologie" der Braunkohle-Kraftwerke? (SB)


Ab über die Planke!



Vertreibung und Landraub werden normalerweise nicht mit Deutschland assoziiert und doch finden sie hier und heute statt. Ausgerechnet für einen der schmutzigsten Energieträger überhaupt verlieren Menschen Haus und Hof, werden gewachsene Unternehmensstrukturen vernichtet, komplette Dörfer dem Erdboden gleichgemacht, ganze Landschaften weggerissen. Die Rede ist von der Braunkohle und ihrem Abbau in riesigen Tagebauen.

Deutschland ist Weltmeister im Verbrennen von Braunkohle, die noch immer rund 25 Prozent der Bruttostromerzeugung ausmacht. Der Anteil ist aber nicht deshalb so hoch, weil die Bundesrepublik als einer der führenden Industriestandorte der Welt so viel Energie braucht, damit die Fließbänder auch nachts und am Wochenende nicht stillstehen, sondern weil Energiekonzerne mit Braunkohlekraftwerken satte Profite einfahren, indem sie den elektrischen Strom exportieren. Beispielsweise in die Niederlande, wo wegen des deutschen Stromexports schon die vergleichsweise klimafreundlicheren und leichter zu regulierenden Gaskraftwerke ins Aus befördert wurden. [1]

Trotz der unvermeidlichen Leitungsverluste ist der mit deutscher Braunkohle produzierte Strom bei unserem Nachbarn preiswerter als der Strom aus eigener Erdgasverbrennung. Wer behauptet, so funktioniere der Markt nun mal, der unterschlägt, daß die deutsche Braunkohle nur deshalb so billig ist, weil sie Stromkonzernen wie Vattenfall kostenlos überlassen wird. Es unterliegt der Länderhoheit, ob eine Regierung von einem Bergbauunternehmen "den Zehnten" für den Rohstoff abverlangt oder nicht. Die Landesregierung von Brandenburg verzichtet darauf und überläßt dem schwedischen Staatskonzern Vattenfall die Braunkohle in der Lausitz zum Nulltarif. Einen ähnlich wirtschaftsfreundlichen Politikstil pflegt die nordrhein-westfälische Landesregierung gegenüber dem Stromriesen RWE.

Eines der Hauptargumente der Befürworter von Neuaufschlüssen von Braunkohletagebauen lautet, daß dadurch Arbeitsplätze erhalten werden. Es ist nachvollziehbar, daß diese Begründung besonders in den strukturschwachen ostdeutschen Bundesländern, in denen eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht, verfängt. Solange den Menschen keine Alternative angeboten wird, was durchaus machbar wäre, sprechen sie sich sogar für den Landraub und die Zwangsräumung ihrer Mitmenschen aus. Diese Einstellung wird von Seiten der Politik gefördert.

Sicherlich gibt es Menschen, die das Entschädigungsangebot der Stromkonzerne gerne annehmen und bereit sind, dem Tagebau zu weichen und woanders neu anzufangen. Andere jedoch wollen das nicht, sie werden vertrieben. Darüber hinaus geht es auch um die hohen externalisierten Kosten der Braunkohlegewinnung. Dazu zählen beispielsweise der kostenlose Verbrauch von Süßwasser zur Kühlung der Kraftwerksblöcke ebenso wie die Behebung der Bergbaufolgeschäden, die sich unter anderem aus dem Absenken des Grundwasserspiegels für den Tagebau, dem dauerhaften Verlust der gewachsenen Bodenstruktur und der Versauerung der Tagebauseen ergeben.

Für diese Schäden kommt nicht der Verursacher auf, sondern die Gesellschaft. Würde auch nur ein Bruchteil der Kosten für die Schadensbehebung in den Preis des Stroms aus Braunkohle einfließen, bliebe der Energieträger im Boden. Kein Dorf würde devastiert, kein uralter Waldbestand wie der des Hambacher Forstes vernichtet. Natürlich würden auch keine Profite gemacht. Muß man das bedauern?

Braunkohle-Kraftwerke stellen eine Brückentechnologie dar, behaupten die Befürworter dieser Technologie und lassen das Ende der Brücke im Nebel einer fernen Zukunft verschwinden. In Anbetracht des Klimawandels und seiner zu erwartenden katastrophalen Folgen noch im Laufe dieses Jahrhunderts wird die Menschheit womöglich viel zu spät feststellen, daß jene Brücke gar kein Ende hat, sondern daß es sich um eine Planke handelt, über die sie geschickt wurde ...


Fußnoten:

[1] http://www.heise.de/tp/blogs/2/154755

11. August 2013