Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → MEINUNGEN


LAIRE/316: US-Pestizide - auf dem Rückwärtsgang ... (SB)



Die US-Umweltschutzbehörde EPA hat in den letzten Jahren über einhundert gefährliche Pestizide zugelassen, von denen einige sogar extrem gesundheits- und umweltschädlich sind. Nur sehr wenige Zulassungsanträge der Wirtschaft wurden abgelehnt. Zu den Pestiziden gehören Mittel, die in anderen Ländern streng verboten sind. Anstatt, wie eigentlich zugesagt, ältere, besonders schädliche Pflanzenschutzmittel vom Markt zu nehmen, wird deren Verwendung gefördert, kritisiert die US-Naturschutzorganisation Center for Biological Diversity (CBD) das Verhalten der Behörde. [1]

Mit dieser wirtschaftsfreundlichen Politik verstärkt die Trump-Administration das Insektensterben, gefährdet die Menschen, die mit solchen Pestiziden arbeiten, von der Abdrift der besprühten Felder betroffen sind oder verseuchtes Grundwasser trinken und schädigt alle, die pestizidverseuchte Nahrung zu sich nehmen.

Jedes Jahr werden in den USA über 500.000 Tonnen Pestizide ausgebracht. Im Zeitraum 2017/18 erhielten 1190 Mittel eine Freigabe durch die EPA, nur 71 Mitteln war eine Genehmigung verwehrt worden, allerdings in der Regel nicht aus Giftigkeitsgründen. Neu zugelassen wurden:

- 15 Mittel mit neurotoxischen Carbamaten und Organophosphaten, inklusive Chlorpyrifos, einem Nervengift, das auch auf Bienen, Amphibien und Fische toxisch wirkt.

- 17 Mittel mit dem endokrinen Disruptor Atrazin, der u. a. Brustkrebs fördert und in Deutschland seit 1991 und in der EU seit 2003 verboten ist.

- 6 Mittel mit dem Kontaktherbizid Paraquat, das in der EU seit 2007 verboten ist. Ein Teelöffel voll Paraquat kann einen Erwachsenen töten. Das Mittel steht in Verdacht, die Parkinson-Krankheit auszulösen. In der EU, Brasilien, China und anderen Ländern ist es verboten.

- 4 Mittel mit Methylbromid (schädigt Nervengewebe und zerstört Ozonschicht) oder Chloropicrin (Lungenkampfstoff im ersten Weltkrieg).

91 der neu zugelassenen Pestizide sind so gefährlich, daß sie nur von Fachpersonal verwendet werden dürfen (sogenannte Restricted Use Pesticides). 69 neue Produkte enthalten Substanzen, die von der EPA als "krebserregend" oder "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft werden. Das Center for Biological Diversity macht außerdem darauf aufmerksam, daß viele Wirkstoffe unter dem Radar der Behörden bleiben. Demnach enthält jedes dritte neu zugelassene Produkt mehr als einen aktiven Wirkstoff - untersucht werde aber immer nur ein aktiver Wirkstoff zugleich.

Auf mögliche synergistische Effekte durch die Wirkstoffe geht die CBD in ihrer Analyse nicht explizit ein, weil das nicht ihr Thema war. Doch ist bekannt, daß eine gründliche Überprüfung möglicher Schadensfolgen aus dem Zusammenspiel sowohl von aktiven Wirkstoffen als auch von ihnen und ihren Begleitstoffen weder in den USA noch in der EU und anderen Ländern nicht mal ansatzweise adäquat durchgeführt wird.

Mit der hemmungslosen Genehmigungspraxis handelt die EPA gegen ihr 1998 aufgelegtes Programm zur Reduzierung von Risiken. Darin sollen Unternehmen dazu angeregt werden, ihre alten, gefährlichen Pestizide durch neuere, weniger gefährliche zu ersetzen. Dumm nur, daß die neuen Mittel oftmals zusätzlich genau diejenigen Wirkstoffe enthalten, deren Herstellung und Gebrauch eigentlich auslaufen sollte. Vor allem sollten Organophosphate und Methylbromide durch Alternativen ersetzt werden. Werden sie aber nicht. Ein weiterer Widerspruch: Das Unternehmen Syngenta war aufgefordert worden, ab dem Jahr 2020 Atrazin in abnehmendem Maße zu verwenden. Syngenta ist der weltweit wichtigste Produzent von Atrazin. Doch was geschieht? Hinten herum genehmigt die EPA die atrazinhaltigen Pflanzenschutzmittel anderer Hersteller und unterläuft damit ihre eigenen Vorgaben.

Wie kommt es zu dieser (selbst-)zerstörerischen Politik? Diese Frage stellt das CBD nicht, eine Bewertung der US-Umweltschutzbehörde wird nicht vorgenommen. Vielleicht geht man beim CBD davon aus, daß das inzwischen nicht mehr nötig ist. Denn seit der Machtübernahme Donald Trumps im Weißen Haus wurde die EPA personell und strukturell auf einen industriefreundlichen Kurs gebracht. Ob Klima, Boden, Luft, Habitate, Wildtiere, Küsten, Meere, Arktis oder Pflanzenschutz, kein Tätigkeitsfeld blieb davon verschont. Grenzwerte wurden hochgesetzt, Bestimmungen gelockert, die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern zur Intervention gegen die fortwährende Ausplünderung und Zerstörung von Lebensräumen geschliffen. Würden Außerirdische auf der Erde landen und auf die gleiche Weise den Planeten ausrauben und verwüsten, würde vermutlich eine klare Front dagegen aufgebaut. Donald Trump jedoch findet sogar Zustimmung unter denjenigen, die durch seine Politik geschädigt werden.


Fußnote:

[1] https://www.biologicaldiversity.org/campaigns/pesticides_reduction/pdfs/Toxic-Hangover.pdf

9. Januar 2020


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang