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LAIRE/322: Coronavirus - auch ein Gesichtspunkt ... (SB)



Nachdem vor kurzem in Italien ein statistischer Zusammenhang zwischen der Zahl der an Covid-19-Verstorbenen und der regionalen Feinstaubbelastung aufgefallen war, wurde dies nun auch für die USA festgestellt. In den Gebieten mit der höchsten Luftverschmutzung forderte der Ausbruch von Sars-CoV-2 die meisten Opfer. Die Untersuchungsergebnisse überraschen allerdings nicht, wurde doch von Anfang an gesagt, daß vorerkrankte Personen gefährdeter sind. Jetzt deutet sich an, daß dies bereits für gesunde, jedoch vorbelastete Personen zutrifft. Somit erweist sich die Pandemie weniger als schicksalhaftes Naturereignis, denn als Folge der bevorzugten, Feinstaub generierenden Produktionsverhältnisse mit ihrem hohen weltumspannenden Personen- und Warentransportaufkommen, ihrer Energiegewinnung durch die Verbrennung fossiler Energieträger und nicht zuletzt ihrem exzessiven Individualverkehr, tragen doch Bremsen- und Gummiabrieb sowie Autoabgase wesentlich zur städtischen Feinstaubbelastung bei.

Auch ohne Viren stellen Feinstaubpartikel eine Gesundheitsgefahr dar. Schätzungen zufolge sterben pro Jahr in Deutschland 59.600, europaweit 400.000 Menschen vorzeitig aufgrund der Belastung mit Staubpartikeln (PM2.5). [1]

Viren haften an feststofflichen und flüssigen Luftschadstoffen und können vom Wind auf große Höhen (Stratosphäre) und über weite Strecken (transkontinental) transportiert werden. Das bedeutet nicht zwangsläufig, daß die Viren dann noch infektiös sind, aber wenn die Bedingungen stimmen, können Tage, vielleicht sogar Wochen vergehen, ehe sie inaktiv werden.

In der Lombardei, dem industriellen Zentrum Italiens, wurden vom 10. bis 29. Februar dieses Jahres die Grenzwerte für Feinstaubpartikel (PM10) überschritten. Zur gleichen Zeit hat sich dort die durch das Sars-CoV-2 ausgelöste schwere Lungenentzündung Covid-19 viel rascher ausgebreitet als in anderen Landesteilen. Das haben die italienischen Forscher in einer Korrelation veranschaulicht. [2]

Nun hat eine Forschergruppe der Universität Harvard den Zusammenhang zwischen der Covid-19-Todesrate und der langfristigen Belastung durch Feinstaubpartikel (PM2.5) in der Luft für die USA aufgezeigt. Festgestellt wurde zunächst, daß die Bedingungen für ein erhöhtes Risiko, an Covid-19 zu sterben, die gleichen sind wie für die Luftverschmutzung. Nach Auswertung der Daten bis zum 4. April 2020 von rund 3.000 Bezirken, die 98 Prozent der US-Bevölkerung repräsentieren, stellte die Forschergruppe fest, daß eine Feinstaubzunahme von nur ein Mikrogramm pro Kubikmeter Luft mit einer Erhöhung der Sterblichkeit durch Covid-19 um 15 Prozent einhergeht. Daraus wird in der Harvard-Studie gefolgert, daß eine kleine Zunahme der langfristigen Exposition mit PM2.5 zu einer ausgeprägten Sterberate durch Covid-19 führt und daß diese um den Faktor 20 über dem beobachteten Werten für Feinstaub und der allgemeinen Sterblichkeit liegt. Das Resümee der Forschergruppe: "Die Studienergebnisse unterstreichen die Wichtigkeit, die bestehenden Luftverschmutzungsbestimmungen durchzusetzen, um die Gesundheit sowohl während als auch nach der Covid-19-Krise zu schützen." [3]

Diese Aussage richtet sich unmittelbar gegen die Regierung Präsident Donald Trumps, die den Umweltschutzgesetzen der USA verheerende Schäden zugefügt und insbesondere das Luftreinhaltegesetz zu einem Luftverschmutzungsrecht pervertiert hat.

Zu den Produktionsverhältnissen, die mutmaßlich die Ausbreitung und Mortalität der Sars-CoV-2-Pandemie begünstigen, gehört nicht allein die industrielle Produktion. Als weitere menschliche Faktoren sind zu nennen: Die teils sehr verzögerte Reaktion vieler Regierungen in Europa und Nordamerika nach Bekanntwerden des Ausbruchs in der chinesischen Millionenstadt Wuhan hat sicherlich dazu beigetragen, daß mehr Menschen gestorben sind und noch sterben werden, als bei unverzögerten Gegenmaßnahmen zu erwarten wäre. Hinzu kommt die Ökonomisierung des Gesundheitswesen, die Ausrichtung der Krankenhäuser auf Profitabilität und nicht auf bestmögliche Therapie für alle und dadurch bedingte ungenügende Vorbereitung (z. B. keine Schutzmasken) auf eine Pandemie. Auch das hat zusätzliche Menschenleben gekostet.

Zu guter Letzt ist es selbst bei der deutschen Umweltministerin Svenja Schulze angekommen, daß das stetige Vordringen des Menschen in vormals wenig von ihm berührte Natursysteme und deren Umwandlung in Kulturlandschaften die Kontaktflächen zwischen dem Lebensraum des Menschen und dem der Wildtiere eine Übertragung von Viren (Zoonose) begünstigen.

All diese Faktoren zusammengenommen zeigen deutlich, daß die Menschen eine Mitverantwortung für die Auswirkungen der aktuellen Pandemie tragen - ein Aussage, die ihrerseits nicht als Schicksalsschlag hingenommen werden muß. Zu jeder Zeit und an jeder Stelle kann in Zukunft die Entscheidung getroffen werden, den eingeschlagenen Kurs zu beenden und Schritte einzuleiten, die von dem generellen Wachstums- und Verwertungsdrang wegführen. Und so wäre zu fragen, ob nicht dieser zivilisationsgeschichtlich weit zurückreichende Kurs, der in den letzten zwei Jahrzehnten in kurzen Abständen eine Reihe von epidemischen und pandemischen Folgeerscheinungen hervorgerufen hat, beendet werden könnte, wenn an die Stelle des Verbrauchs der Um- und Mitwelt etwas anderes träte.


Fußnoten:

[1] https://www.eea.europa.eu/publications/air-quality-in-europe-2019

[2] https://www.ilmessaggero.it/video/cronaca/coronavirus_venezia_canali_acqua_trasparente_quarantena_ultime_notizie-5112759.html

[3] https://projects.iq.harvard.edu/covid-pm

8. April 2020


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