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STANDPUNKT/359: 2013 - das Jahr der Entscheidung (.ausgestrahlt)


.ausgestrahlt / gemeinsam gegen atomenergie - Rundbrief 19 / Winter 2012/2013

Analyse
2013 - das Jahr der Entscheidung

von Jochen Stay



Es ist die vorerst letzte Gelegenheit, einen schnelleren Ausstieg durchzusetzen. Entscheidend ist weniger der Wahlausgang, sondern der Druck der Anti-Atom-Bewegung

Viele AtomkraftgegnerInnen, gerade diejenigen, die schon lange aktiv sind, haben zu Wahlen und Parteien ein zumindest ambivalentes Verhältnis. Zu oft schon haben sie die Erfahrung gemacht, dass atompolitische Versprechen aus dem Wahlkampf schnell in Vergessenheit gerieten, wenn erst mal Regieren angesagt war.

Auch die atompolitische Bilanz der Bundesregierungen der letzten Jahrzehnte stimmt nachdenklich: Unter Helmut Kohl wurden zwischen 1982 und 1998 mehr AKW stillgelegt und Atomprojekte beendet als während der rot-grünen Schröder-Regierung von 1998 bis 2005.

Übertroffen werden beide von CDU-Kanzlerin Merkel, in deren Regierungszeit bisher acht Reaktoren abgeschaltet wurden.

Doch das Beispiel Merkel zeigt auch, dass alles nicht so einfach ist: Schließlich wollte die Kanzlerin ursprünglich eine deutliche Laufzeitverlängerung für alle AKW - nur konnte sie sich damit gegen die kraftvolle Anti-Atom-Bewegung nach Fukushima nicht durchsetzen. Vielleicht ist dies das eigentliche Geheimnis hinter der erstaunlichen Ausstiegsbilanz der unterschiedlichen Regierungen: Entscheidend ist die Stärke der Anti-Atom-Bewegung. Und die war bisher stets stärker, wenn Atomkraft-BefürworterInnen regierten. Was bedeutet dies für das Wahljahr 2013?


Prognosen

Zuerst eine Prognose, was atompolitisch je nach Wahlausgang passieren kann:

• Bleibt die jetzige Regierung im Amt, dann droht die Energiewende an die Wand zu fahren und es wird spätestens vor der für Ende 2015 geplanten Stilllegung des AKW Grafenrheinfeld zur nächsten Debatte über Laufzeitverlängerungen kommen. Zwar schwört Umweltminister Altmaier alle Eide, dass es beim Atomausstieg bleibt. Seine Sprachregelung für den Fall der Fälle steht jedoch längst fest: "Es bleibt beim Ausstieg - er dauert nur ein bisschen länger."

• Kommt es zu einer großen Koalition, bleibt es vermutlich vorerst bei den viel zu langen AKW-Laufzeiten, die im Atomgesetz stehen - wobei derzeit in der SPD zu beobachten ist, wie sich der wirtschaftspolitische Flügel gegen die UmweltpolitikerInnen durchsetzt, wenn es ums Thema Energie geht. Für die Energiewende und die AKW-Laufzeiten lässt das nichts Gutes erwarten.

• Bei einer Regierungsbeteiligung der Grünen wird es spannend. Deren Parteitagsbeschluss von Juni 2011 liest sich eindeutig: "Der Atomausstieg ist bis 2017 seriös umsetzbar. Wir werden daher die Bundestagswahl 2013 zu einer Abstimmung über eine beschleunigte Energiewende machen. Im Falle einer grünen Regierungsbeteiligung werden wir die Rahmenbedingungen so ändern, dass das letzte AKW noch deutlich vor 2022 abgeschaltet wird." In den bisherigen grünen Vorüberlegungen zum Wahlprogramm 2013 taucht davon allerdings nichts auf.

Unterm Strich lässt sich sagen: Entscheidend wird nicht allein das Wahlergebnis sein und nicht, welche Parteien die nächste Bundesregierung bilden. Vielmehr kommt es darauf an, wie groß der Druck aus der Gesellschaft ist, die neun noch laufenden AKW und die Atomfabriken stillzulegen. Um es beispielhaft an den Grünen festzumachen: Nur wenn bei den Demonstrationen im März und April viele Menschen auf die Straßen gehen, werden die Grünen einen schnelleren Ausstieg ins Wahlprogramm schreiben. Nur wenn der Druck übers Jahr anhält, werden sie das Thema bei einem möglichen Wahlerfolg in den Koalitionsverhandlungen prioritär behandeln. Nur wenn wir auch nach der Wahl weiter auf die Straße gehen, wird eine Bundesregierung unter Beteiligung der Grünen die AKW wirklich schneller abschalten.


Die Chance nutzen

Aus unserer Sicht besteht 2013 mit der Bundestagswahl und einer möglichen neuen Bundesregierung die vorerst letzte gute Gelegenheit, in der Folge der Reaktorkatastrophe von Fukushima zu einem schnelleren Atomausstieg zu kommen. Gelingt dies nicht, droht der Anti-Atom-Bewegung ein neuer Abwehrkampf gegen Laufzeitverlängerungen. Die Stromkonzerne und ihre HelferInnen in Medien und Politik bereiten diese bereits vor.

Angesichts der Gefahren müssten alle AKW sofort stillgelegt werden. Angesichts der politischen Kräfteverhältnisse können wir mit starken Protesten in diesem Jahr erreichen, dass die nächste Bundesregierung zumindest einen schnelleren Ausstieg beschließt. Von alleine jedoch wird sie dies nicht tun. Die Chance ist da - wir müssen sie nur nutzen.

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Quelle:
Rundbrief 19, Winter 2012/2013
Herausgeber: .ausgestrahlt
Marienthaler Straße 35, 20535 Hamburg
E-Mail: info@ausgestrahlt.de
Internet: www.ausgestrahlt.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2013